Das Leben von Julius Belart, der auf den Namen Johann Julius getauft, aber von allen Julius genannt wurde, verlief alles andere als in linearen Bahnen. Erst wenige Jahre vor seinem Tod erfüllte sich im Alter von 42 Jahren sein Lebenstraum: eine Pfarrstelle in seinem Heimatort Brugg. Zuvor hatte Julius Belart Theologie studiert und nach seiner Ordination 1865 zunächst als Vikar in Aarburg, später als Pfarrer in Riken (Murgenthal), Bözen und Windisch gewirkt. Herbe Schicksalsschläge wie der frühe Tod zweier seiner Kinder, berufliche Frustrationen und schwierige private Phasen begleiteten ihn zeitlebens und forderten seinen Lebensmut immer wieder aufs Äusserste heraus. «Ich bewundere Julius für seine Resilienz, diese Fähigkeit, schwierige Lebenssituationen zu überstehen», sagt Peter Belart über seinen Vorfahren, dessen Eltern die Ururgrosseltern des Autors sind.
Brief um Brief abgeschrieben
Das sechste Buch, das der 72-jährige Autor vorlegt, ist inspiriert von Briefen, die vornehmlich von Julius Belart und dessen fünf Geschwistern verfasst wurden. Peter Belart kann heute von einem Teil dieser Briefe nicht mehr mit Sicherheit sagen, wie sie überhaupt zu ihm gelangt sind. Er schien sie angezogen zu haben. «Sie kamen einfach zu mir», so der langjährige Journalist und frühere Lehrer. «Die Briefe sind ein Glücksfall», betont er. Und ja, beantwortet der Schriftsteller die Frage: Solche Briefe verpflichteten auch.
Seit weitaus mehr als dreissig Jahren befasst sich Peter Belart mit den Lebensläufen, grossen Glücksmomenten und schweren Schicksalsschlägen von Menschen aus seiner Familie, die in Briefen festgehalten sind und einen unschätzbaren Fundus der Inspiration für Belarts schriftstellerisches Schaffen darstellen. In grosser Fleissarbeit hat Peter Belart jeden einzelnen Brief Wort für Wort abgetippt und sich eingehend mit diesen wertvollen und privaten Zeitdokumenten, aber vor allem mit den Persönlichkeiten selbst befasst, die als Verfasserinnen und Verfasser der innerfamiliären Korrespondenz zeichnen. Im neuesten Buch, dem Peter Belart den Titel «Das schrecklich Traurige in seiner ganze Grösse» – ein Zitat aus einem Brief von Julius Belart – gegeben hat, sind die Schriftproben und Briefumschläge ausgewählter Briefe von Julius Belart, seiner Frau Jenny Grossmann, die er 1867 heiratete, seiner Schwester Ida und seines Bruders Carl abgedruckt. Es sind grafologische, kalligrafische und historische Zeugnisse gleichermassen, welche die Ahninnen und Ahnen hinterlassen
haben.
Familiäre Trauerverarbeitung
In den intimen Briefen begegnet Peter Belart den Mitgliedern seiner Stammfamilie und lernt sie erstaunlich gut kennen. Vieles geben sie preis, indem sie einander schreiben, und unwissentlich auch ihm, dem Nachkommen, der sich in den letzten anderthalb Jahren intensiv mit den Trauerfällen im Leben von Julius Belart und wie dieser sie verarbeitete, befasst hat. Auf dem Titelbild ist ein Fotoporträt von Julius Belart, der von 1842 bis 1890 lebte, abgebildet. Oft hat sich Peter Belart gewünscht, er hätte seinen Familienmitgliedern wahrhaftig begegnen können, als Privatperson sowie als Autor. «Julius muss ein sehr empathischer Mensch gewesen sein», reflektiert Belart. «Er konnte nicht mit Geld umgehen und geriet mehrmals in finanzielle Engpässe, aber ihm lag sehr viel daran, den Menschen zu helfen, das ging oft weit über die seelsorgerische Fürsorgepflicht eines Pfarrers hinaus», erzählt der Schriftsteller. Unweigerlich suche man beim Lesen von Briefen, zumal sie in familieninterner Intimität verfasst worden seien, nach Ähnlichkeiten bei Charaktereigenschaften und Verhaltensweisen. «In einigem sind Julius und ich uns ähnlich», befindet der Autor, der in seinem sechsten Buch Briefwiedergaben und Erklärungen ins Zeitkolorit eingelassen hat und gekonnt mit Anekdoten und der Regionalgeschichte verbindet.
In seinen Büchern möchte Belart die Aussergewöhnlichkeit bestimmter Biografien zeigen. «Der Erhalt der Briefe stellt auch einen grossen historsichen Wert dar, den ich teilen will.» Es sei eindrücklich, wie eng die fünf Geschwister zusammengehalten hätten, zumal dann, wenn einer von ihnen einen Schicksalsschlag erlitten hätte. «In den Briefen können sie ihre Emotionen zeigen, wie es sonst vermutlich zu jener Zeit gar nicht möglich war», so Belart. Und zu wissen, dass Julius Belart durch die gleiche Tür in die Kirche trat, durch die er, Peter Belart, heute geht, «ist schon sehr verbindend».
Anmelden für die Vernissage kann man sich bis 18. Mai bei johanna.zumstein@gmail.com.
Sonntag, 21. Mai, 16 Uhr
Reformierte Stadtkirche Brugg