Velowerkstätten braucht die Region

Fahrradfahren ist beliebt. Laufend werden neue Velostrecken gebaut und neue Fahrradläden eröffnet. Dagegen ist die Zahl der Velowerkstätten in der Region nur langsam gewachsen. Die «Rundschau» hat einige besucht, um zu erfahren, was der Fahrradboom der letzten Jahre für sie bedeutet.
Manuel Liechti von der mobilen Velowerkstatt E-Bike 360 Grad, Lengnau. {Bild: sim)

Der Lengnauer Manuel Liechti hat sich vor Kurzem mit einer Idee für eine Velowerkstatt der besonderen Art selbstständig gemacht. Mit der Dienstleistung des mobilen Home-Service repariert er E-Bikes in seiner ausgerüsteten Werkstatt auf Rädern direkt beim Kunden. Seine Idee ist, mit seiner mobilen Werkstatt die schweren und – wenn defekt – schwer zu transportierenden E-Bikes seiner Kundschaft direkt vor Ort zu warten und zu reparieren.

«Momentan herrscht in der Branche ein Fachkräftemangel, was zu Wartefristen von bis zu acht Wochen für einen Service führt», erklärt Manuel Liechti, der vor seinem Schritt in die Selbstständigkeit bei einem führenden Schweizer E-Bike-Händler unter anderem für Verkauf und After Sales zuständig war. «Mir kam deshalb der Gedanke mit der mobilen Werkstatt, wo Kunden Zeit und Weg sparen.» Als gelernter Zweiradmechaniker kennt sich Manuel Liechti im E-Bike-Geschäft von der Pike auf aus, und mit der eigenen Firma E-Bike 360° verwirklicht er sich selbst. Der Lengnauer ist überzeugt, dass sein Geschäftsmodell einem Bedürfnis unter E-Bike-Fahrerinnen und -Fahrern entspricht.

Derzeit widmet sich Manuel Liechti den zahllosen Einzelheiten, die eine Firma mit sich bringt. Dabei achtet er darauf, dass sein Konzept skalierbar ist: «Ich weiss, dass die mobile Werkstatt laufen wird. Und es wird auch kantonsübergreifend ein riesiges Bedürfnis danach geben, wobei ich selbst nicht alle Gebiete abdecken kann.» Bisher zumindest scheint sein Optimismus angebracht. In den ersten zwei Wochen seiner Selbstständigkeit konnte er bereits zwanzig Aufträge abwickeln, und das ohne begleitende Werbemassnahmen. Neben der offenbar immensen Nachfrage möchte Manuel Liechti mit seiner Firma näher an der Kundschaft sein. Der Kunde soll wissen, dass bei ihm alle Wünsche rund ums E-Bike vollumfänglich erfüllt werden. «Ich will meiner Kundschaft mit meinem Service etwas bieten und so zu einem positiven Gesamterlebnis beitragen», meint Liechti. Übrigens repariert E-Bike 360° auch Velos ohne Motorisierung.

Manuel Liechti, Lengnau
ebike360.ch

Remco und Anouk Strijk sowie Dominik Reimann von der Velovewerkstatt, Brugg. (Bild: sim)

Das Ehepaar Remco und Anouk Strijk betreibt zusammen mit seinem Angestellten Dominik Reimann an der Annerstrasse in der Brugger Altstadt die Velove-Werkstatt. Remco Strijks Steckenpferd sind Rennräder, in der Werkstatt sind aber alle Fahrräder willkommen. «Selbst solche, bei denen es andernorts heisst, dass sich eine Reparatur nicht mehr lohne», wie Anouk Strijk versichert. «Es braucht manchmal viel Liebe, um so ein Fahrrad wieder herzurichten», meint Remco Strijk. Genau darin liegt in seinen Augen aber eine Chance: «Wir haben festgestellt, dass es immer mehr Fahrradläden gibt, und haben uns gefragt, wo wohl all diese Fahrräder repariert werden und wo man wirklich jedes Fahrrad zur Reparatur geben kann.» So entstand die Idee für die inzwischen prosperierende Velove-Werkstatt.

Remco Strijk arbeitete ursprünglich als Mechaniker, Anouk Strijk  war Pädagogin. Die Werkstatt ist ihr gemeinsames Projekt und für beide eine Herzensangelegenheit. «Angefangen haben wir kurz vor dem Coronaausbruch in Villnachern. Dann kam die Pandemie, und wir merkten schnell, dass das der falsche Standort für uns war», erklärt Anouk Strijk. Deshalb folgte nach kurzer Zeit der Umzug nach Brugg. Hier ist die Werkstatt inzwischen etabliert, und an Aufträgen mangelt es nicht. «Wir hören hier immer wieder, dass unser Angebot sehr geschätzt werde und dass es ohne solche Werkstätten wie unsere gar nicht funktionieren würde», meint Remco Strijk.

Hinzu kommt, dass das Ehepaar die Arbeit in der Velowerkstatt auch für pädagogische Zwecke und als Anlaufstelle für die Integration nutzt. «Wir wollen hier jenen helfen, die durch das Raster fallen und für die es sonst keine passenden Angebote gibt», meint Anouk Strijk. In der Werkstatt beschäftigt das Paar deshalb regelmässig Burn-out-Patienten, Asylbewerbende oder Jugendliche, die dort eine Anlaufstelle und feste Strukturen oder einfach nur wohlgesinnte Mitmenschen finden. Und ganz nebenbei lernt man, Fahrräder zu reparieren.

Remco und Anouk Strijk, Brugg
velovewerkstatt.ch

Michal Chudy von Michelo, Wettingen. (Bild: sim)

Michal Chudy betreibt in Wettingen an der Rebstrasse seine Fahrradwerkstatt. Der Velomechaniker hat sein Handwerk ursprünglich in Belgien ausgeübt, bevor er seiner Freundin wegen in die Schweiz kam. Hier arbeitete er für Velowerkstätten in der Region, bevor er vor Kurzem unter dem Namen Laufradbau Chudy mit dem Aufbau seiner eigenen Werkstatt begann. Zuerst arbeitete er Teilzeit, erhöhte aber bald sein Pensum. «Ich habe schnell festgestellt, dass ich mit der Arbeit nicht hinterherkam», erklärt Michal Chudy. Inzwischen arbeitet er deshalb sechs Tage in der Woche in seiner Werkstatt, und trotzdem mangelt es ihm nicht an Arbeit.

Das liegt unter anderem daran, dass Michal Chudy selbst Fahrräder in eigentlich hoffnungslosem Zustand – er nennt sie «Bahnhofvelos» – nicht ablehnt und grundsätzlich alles repariert, was zwei Räder hat. «Ich akzeptiere jedes Fahrrad. Bei einem ‹Bahnhofvelo› biete ich auch minimalen Service zu besonders günstigen Konditionen, sonst würde sich eine Reparatur oft gar nicht lohnen», erklärt der Velomechaniker stolz. Dabei geht es ihm aber nicht nur ums Prinzip. Michal Chudy ist überzeugt davon, dass sich diese Strategie am Ende des Tages auszahlt: «Viele Werkstätten verstehen nicht, dass die Leute nicht für den teuren und lukrativen E-Bike-Service zu einem kommen, wenn man es einmal abgelehnt hat, einen weniger lohnenswerten Auftrag von ihnen zu übernehmen.»

Wenn Michal Chudy neben Wartungen und Reparaturen Zeit findet, fertigt er in seiner Werkstatt selbst neue Räder für Velos aller Art. Langweilig wird ihm so schnell also nicht. Trotz der enormen Nachfrage nach seiner Dienstleistung denkt Michal Chudy derzeit nicht daran, mit seiner Werkstatt zu expandieren oder neue Leute einzustellen, um mehr Aufträge abwickeln zu können. «Ich versuche, in meiner Werkstatt alles so klein und effizient wie möglich zu halten. Dadurch ist es viel einfacher, alles im Griff zu haben. Ausserdem fehlt mir momentan schlicht die Zeit, an eine Expansion zu denken.»

Michal Chudy, Wettingen
michelo.ch