Landschaftsgärtner im Wasserschloss

Der Biber ist ein wichtiger Motor für die Biodiversität. Gleichzeitig führt sein vermehrtes Aufkommen zu Konflikten im Siedlungsgebiet.
An ruhigeren Gewässern fühlt er sich wohl: Spuren des Bibers an den Bäumen. (Bild: mpm)

Der kleine Uferbereich mit ruhigerem, flachem Gewässer ist keine zehn Meter vom Wanderweg entfernt, und dennoch werden die meisten Spaziergänger daran vorbei­gehen, ohne die beeindruckenden Holzarbeiten des Bibers zu sehen. Denn hier, gut hinter der dichten Vegetation versteckt, hat der Biber seine Spuren an den Bäumen hinterlassen: Sie wurden in der typisch sanduhrförmigen Form abgenagt. «Der Biber bevorzugt ruhigere Gewässer», erklärt Thomas Amsler, Biberbeauftragter und Reservatsaufseher des Klingnauer Stausees. Mit ausserordentlich starker Kiefermuskulatur und scharfen Zähnen fällt er Bäume, um sie zusammen mit Totholz als Baumaterial für seine Dämme und Bauten zu verwenden oder die Rinde zu fressen. «Darin liegt aber gerade eines der Probleme. Wenn der Biber Dämme baut, staut sich das Wasser, was je nach Ort und Lage im Siedlungsgebiet zu Überschwemmungen oder Schäden an der Infrastruktur führen kann», fügt Amsler an.

Vor fünfzig Jahren ausgerottet
Der Biber war bis in die 1950er-Jahre des letzten Jahrhunderts in der Schweiz ausgerottet. Sehr begehrt waren sein dichtes, warmes Fell und das angeblich heilende Drüsensekret Castoreum, das der Biber zur Mar­kierung seines Reviers einsetzt. Zudem hatte die Kirche ihn wegen seines beschuppten Schwanzes und seines Lebens mehrheitlich im Wasser als Fisch deklariert, was insbesondere zur Fastenzeit eine Rolle spielte. Sein Fleisch galt als Delikatesse.

Zwischen 1956 und 1977 wurden schweizweit 141 Tiere wieder angesiedelt, im Aargau waren es 56. 1962 wurde der Biber unter Schutz gestellt, er galt weiterhin als gefährdete Tierart. Heute gibt es in der Schweiz nach letzten Schätzungen rund 3500 Biber (Stand 2019, es dürften heute mehr sein), die Wiederansiedlung kann somit als erfolgreich bezeichnet werden. Das ist zunächst ein Gewinn für die Natur, denn der Biber ist eine sogenannte Schlüsselart: Aufgrund der Dynamik, die er in die Gewässer bringt, schafft der Biber Lebensplätze für seltene Tiere und Pflanzen, die ansonsten in der stark besiedelten Landschaft nicht mehr vorhanden wären. Ohne ihn ist die Biodiversität stark gefährdet, er renaturiert sozusagen kostenlos die Gewässer.

Dennoch ist seine zunehmende Verbreitung nicht überall gern gesehen. «Der Biber ist ein einheimisches Tier, das gut für die Natur ist, das ist unbestritten», bestätigt Thomas Amsler. «Aber gleichzeitig müssen wir die Bedenken der Landwirte und der Gemeinden ernst nehmen.» Denn der Biber sucht sich seine Nahrung nicht nur im Wasser oder direkt am Ufer. Auch der Mais oder die Zuckerrüben, die in unmittelbarer Nähe zum Fluss angebaut werden, schmecken ihm. Er kappt kurzerhand die Maispflanze auf Bodenhöhe und schleppt diese dann zu seiner Burg. «Man kann das im Spätsommer gut an den Schleifspuren und an den liegen gelassenen Pflanzen erkennen», erklärt Amsler.

Der Weg aus dem Fluss ans Ufer ist ein weiterer Punkt, der den Gemeinden Arbeit macht. Der Biber bildet dabei richtige «Rutschbahnen», die vom Ufer ins Wasser führen und bei starker Strömung den Weg unterspülen können. «Die Gemeinden sind für den Unterhalt der Wege zuständig», gibt Christoph Hitz, Leiter des Forstbetriebs Siggenberg, zu bedenken. «Wenn der Biber Bäume fällt und diese den Weg versperren oder durch seine Grabarbeiten die Wege unterspült werden, bedeutet das einen Mehraufwand für die Gemeinden.»

Akzeptanz durch Aufklärung
Um die Akzeptanz des Bibers im Siedlungsgebiet zu erhöhen, gibt es die kantonalen Biberbeauftragten. Sie klären auf, werden bei Schäden gerufen und können oft Konflikte entschärfen. Sie halten sich dabei unter anderem an den 2018 verabschiedeten Massnahmenplan Biber des Kantons Aargau, der die Voraussetzungen regelt, damit Entschädigungen für Biberschäden gesprochen werden können.

Der Biber zeigt exemplarisch das Spannungsfeld, das im dicht besiedelten Raum um die grossen und kleinen Flüsse besteht. Auf der einen Seite stehen die Bedürfnisse des Menschen, den fruchtbaren Boden für die Landwirtschaft und die schönen Plätze für die Naherholung zu nutzen. Auf der anderen Seite ist es für den Naturschutz und den Erhalt der Bio­diversität wichtig, den einheimischen Arten und Tieren eine intakte Lebensgrundlage zu bieten. Einen gewissen Aufwand und Kosten wird der Mensch wohl auf sich nehmen müssen, wenn er mit dem Biber zusammenleben möchte – denn der Biber kann nicht woanders leben.