Lengnau wird wieder zum Partydorf

Unter dem Motto «Stein auf Stein» feiert Lengnau an zwei Wochenenden ab dem 22. Juni sich selbst und die Region. Im Zentrum steht ein Festspiel.
Lorenz Carlin (Bild) hat mit seinem 20-köpfigen Team in den vergangenen Monaten zahlreiche Bauten und Requisiten für die 27 Szenen erstellt – unter anderem einen 7,5 Meter hohen Kirchturm sowie fünf Glocken. Damit wird im Theater der Glockenaufzug von 1977 nachgespielt. (Bild: is)

Vor einer guten Woche hat sich der Dorfplatz von Lengnau in eine Festspielbühne verwandelt. Gegenüber der Synagoge steht ein 7,5 Meter hohes Abbild des Kirchturms der katholischen Kirche St. Martin. Richtung Kreisel wurde eine Zuschauertribüne mit 380 Plätzen erstellt. Mit zwei Bühnen, 12 Beizen und 25 Events feiert die Gemeinde an zweimal vier Tagen, jeweils von Donnerstag bis Sonntag, ihr 1225-jähriges Bestehen. «Das wird wie eine kleine Badenfahrt», sagt Kurt Schmid, der Präsident des Or­ganisationskomitees (OK). Das kompakte und verkehrsfreie Festgebiet erstreckt sich von der «Schmitte» bis zur alten Mühle rund um die Schulanlagen Dorf.

Mitten auf dem Dorfplatz steht seit Kurzem ebenfalls eine etwa 20 Meter hohe Lärche aus dem Lengnauer Wald, welche die Innerortsvereinigung Lengnau und das Forstamt im eigenen Wald gefällt haben. «Mit der Lärche wird ein Fixpunkt geschaffen, der das ganze Fest überstrahlt», erklärt OK-Vizepräsidentin Silvia Huber. Nach Festende wird der Baum in einer Sägerei verarbeitet.

OK-Präsident Kurt Schmid. (Bilder: is)

Festspiel mit 27 Szenen
Feste haben in Lengnau eine lange Tradition. «Diese wollen wir mit dem Jubiläumsfest weiterführen. Man darf behaupten, dass Lengnau ein Partydorf ist», sagt Schmid. Erstmals findet am Dorffest ein Festspiel statt. Im Stück «Stein auf Stein» von Gallus Ottiger wird in 27 Szenen die vielfältige Geschichte Lengnaus aufgearbeitet – von der Römerzeit über das Mittelalter, das Judentum und die Industrialisierung bis zur Neuzeit. Auch die Feuerwehrgeschichte sowie bäuerliche Themen werden dargestellt. Gallus Ottiger hat ein Jahr lang die Ereignisse in der Geschichte von Lengnau recherchiert und versucht, diese in den jeweiligen Zeitgeist im Welt­geschehen einzuordnen. Das Festspiel wird an acht Abenden aufgeführt.

Den roten Faden des Stücks bilden die beiden Hauptfiguren: der Planer (dargestellt von Stefan Lang) und das Gewissen (Tabea Hunn). Seit Februar proben die 37 Darstellerinnen und Darsteller sowie knapp 80 Statistinnen und Statisten regelmässig in Gruppen. Der Dorfplatz ist die Bühne. «Hier werden ganz viele Dinge passieren», sagt Ottiger bei einer Probe vergangene Woche. Unter anderem sind zwölf Pferde von der Zunft St. Niklaus in Zürich sowie von Gestüten in Lengnau und Niederhasli im Einsatz. «Allein beim Gedanken, wie Zwingli die Strasse hinuntergeritten kommt, habe ich Gänsehaut», sagt Ottiger.

Für die zahlreichen Bauten und Requisiten des Festspiels ist Lorenz Carlin mit seinem rund 20-köpfigen Helferteam verantwortlich. In den vergangenen monaten entstanden unter anderem ein römischer Gutshof, eine Doppeltür und Rednerpulte. In einer Szene wird der Glockenaufzug von 1977 dargestellt. Dafür hat der Werklehrer mit Unterstützung von Schülern fünf verschieden grosse Originalglocken der Kirche St. Martin nach­gebaut. «Die Grundform aus Holz wurde mit Kleister überzogen, bemalt und lackiert», erklärt Carlin.

Der Dorfplatz wird zur Bühne: Das Ensemble winkt dem Probenpublikum zu. (Bild: is)

Aufführung bei jedem Wetter
Schliesslich muss alles wetterfest sein – das Festspiel wird nämlich bei jeder Witterung durchgeführt. Das Publikum sitzt dank der überdachten Tribüne jederzeit im Trockenen. Während der Aufführungen wird der komplette Dorfkern für jeglichen mobilisierten Verkehr gesperrt. Die Kostüme der etwa 120 Mitwirkenden hat Lengnauer Familie Wyss geschneidert und zusammengestellt. Begleitet wird die Aufführung von der Brass-Band Lengnau in der Mitte des Dorfplatzes. In der Schule war «Stein für Stein» in den vergangenen Monaten ebenfalls ein wichtiges Thema. Und die ganze Bevölkerung konnte sich in einem Steimandli- und Fotowettbewerb kreativ betätigen.

Der Eintritt für das Dorffest ist an allen acht Tagen gratis ist, nur die ­Tickets fürs Festspiel kosten. «Der Betrag von 40 Franken ist zwar längst nicht kostendeckend, aber es ist ein fairer Preis», meint OK-Präsident Schmid. «Tickets sollen für alle erschwinglich sein.» Zudem besteht die Möglichkeit, zum Preis von zehn Franken einen Festpin zu kaufen. «Ein Pin ist Ehrensache», findet Schmid. Für das Fest steht ein Budget von 450 000 Franken zur Verfügung. Davon hat die Gemeindeversammlung 100 000 Franken bewilligt, Hauptsponsorin ist die Raiffeisenbank Surbtal, ein grösserer Beitrag stammt vom Swisslos-Fonds. 

Konzert der Pedestrians
Den Festauftakt bildet die Eröffnungsfeier am Donnerstag, 22. Juni, mit dem 50-köpfigen Militärspiel und einer Rede von Regierungsrat Jean-Pierre Gallati. «Ein Highlight wird sicher der Auftritt der Band Pedestrians am ersten Samstagabend sein», sagt Beat Jeggli, der im OK für das Rahmenprogramm zuständig ist.

Ein weiteres Ziel des Lengnauer Jubiläumsfests ist, den Zusammenhalt in der ganzen Region zu fördern. Dieses Anliegen soll mit dem Tag der Gemeinden am letzten Festtag (2. Juli) zum Ausdruck kommen, der unter der Federführung von Silvia Huber durchgeführt wird. Dabei werden sich 15 Gemeinden aus der Region auf vielfältige Weise präsentieren. Ausserdem wird ein Wettbewerb zum Thema Holz und Handwerk durchgeführt, bei dem je zwei Personen pro Gemeinde in drei Disziplinen gegeneinander antreten.

Bis zum Festauftakt in einer Woche bereitet sich Lengnau auf den Grossandrang vor. «Wir erwarten ungefähr 20 000 Menschen», so OK-Präsident Kurt Schmid. Empfohlen wird die Anreise mit den öffentlichen Verkehrsmitteln. Für Gäste, die mit dem Auto kommen, stehen bei der Schulanlage Rietwise Parkplätze in Gehdistanz zum Festgebiet zur Verfügung.

Donnerstag bis Sonntag,
22. bis 25. Juni und 29. Juni bis 2. Juli
lengnau1225.ch