Am 22. Juni fanden sich Medienschaffende und Interessierte vor dem Alterszentrum Kehl ein, um ein neues Projekt in Baden kennenzulernen. Das Stadtforstamt Baden hatte letzten Sommer im an das Alterszentrum Kehl angrenzenden Wald einen Versuch gestartet. Man wollte herausfinden, ob die kühle nächtliche Waldluft in die angrenzenden Wohngebiete strömt. Damit soll die Temperatur in Siedlungsgebieten gesenkt werden. Neben potenziell erholsamerem Schlaf soll das Projekt zur Senkung der Gesundheitsrisiken von Hitze für die Bevölkerung beitragen.
Laut Roland Hohmann von der Abteilung Klima des Bundesamts für Umwelt handelt es sich dabei um den schweizweit ersten Versuch dieser Art. «Wir haben in Baden sowohl einen Erholungs- als auch einen Nutzungswald, den wir mit vielen innovativen Projekten bewirtschaften und unterhalten», erklärt Badens Stadtammann Markus Schneider. Im Rahmen dieser Bewirtschaftung schlug das Stadtforstamt im Zuge der Verjüngung des Baumbestands vier Schneisen in den Wald, der an das Alterszentrum Kehl grenzt. Die «Kaltluftkorridore» sind etwa 30 Meter breit und bis zu 150 Meter lang. Durch diese Schneisen, so hofft man, wird nachts die aufgrund der Verdunstung im Wald gekühlte Luft in das Siedlungsgebiet strömen.
Um den Versuch für die Bevölkerung erlebbar zu machen, steht am Waldrand eine hölzerne Sitzbank, die vom Möbeldesigner Willi Gläser entworfen wurde. Interessierte können sich auf der Kaltluftbank niederlassen, um selbst zu spüren, ob und wie sie den Kaltluftstrom wahrnehmen, der nach Sonnenuntergang einsetzt und um vier Uhr morgens am deutlichsten spürbar ist.
Abkühlung aus dem Wald
Georg von Graefe, der seit 2021 als Badener Stadtoberförster amtet, erläutert den Versuch, den die Stadt Baden gestartet hat. Auf Klimaanalysekarten des Kantons ist zu sehen, dass sich Wälder aufgrund der Verdunstung nachts stärker abkühlen als die Umgebung. Da Baden in einer Klus liegt und der Badener Wald deshalb an vielen Orten nahe ans Siedlungsgebiet reicht, kam man auf die Idee, sich diesen Effekt zunutze zu machen. Meldungen, wonach nachts kalte Luft aus den Wäldern ströme, erhielt man zudem wiederholt aus der Bevölkerung. Das legt den Schluss nahe, dass sich der Effekt messen lassen müsste.
Das Stadtforstamt brachte vergangenes Jahr um das Alterszentrum Kehl deshalb 22 Temperatursensoren im Wald, am Waldrand, auf den Bäumen und im Siedlungsgebiet an. Im Winter wurden dann im Rahmen des ohnehin geplanten Holzschlags die Kaltluftschneisen angelegt. Durch diese Korridore hofft man, den Effekt möglichst zu verstärken. Derzeit laufe die zweite Messung mit den Kaltluftkorridoren, deren Resultate bis Ende des Jahres vorliegen sollten, so der Stadtoberförster. Hinsichtlich Methodik des Projekts meint Georg von Graefe: «Es ist ein erster, praktischer Versuch. Natürlich wäre es besser, wenn man Temperaturdaten von mehr als zwei Jahren hätte. Wir wollten aber nicht jahrelang warten, sondern mit den Mitteln, die uns zur Verfügung stehen, lieber einen ersten Versuch wagen.»
Der Geschäftsführer des Alterszentrums Kehl, Florian Immer, begrüsst den Versuch. Er betonte, wie wichtig Abkühlung an heissen Tagen und Nächten insbesondere für betagte Menschen sei. Im Alterszentrum Kehl gebe es Bewohnende, die im Sommer über Kopfschmerzen und Übelkeit klagten. Er hofft, dass sich die Bewohnenden des Alterszentrums dank diesem Projekt an heissen Sommertagen besser fühlen.