«Mein Herz schlägt immer noch in Brugg»

Aus Anlass seines 60. Geburtstags fotografiert Karl-Heinz «Charly» Hug den diesjährigen Rutenzug exklusiv für den «General-Anzeiger».
Amtsältestester «Bundeshaus-Fotograf»: Charly Hug, hier beim Shooting mit Eveline Widmer-Schlumpf. (Bild: zVg)

Das Jugendfest, der «schönste Tag im Brugger Kalender», ist dem weit gereisten Berufs- und Bundeshausfotografen Karl-Heinz «Charly» Hug von Kindesbeinen an vertraut. Er kam 1963 als Nachzügler von fünf Kindern der damaligen Brugger Taxi-Unternehmerfamilie von Adrian und Ruth Hug auf die Welt. Mit elf Jahren hielt Charly Hug die erste Kamera in den Händen. Nach der Sekundarschule lehrte ihn Max Gessler die Kunst des Fotografierens und weckte in ihm die Leidenschaft für den Beruf, den er seit vierzig Jahren ausübt. «Mein Herz schlägt immer noch in Brugg», sagt der geschiedene jetzige Wahlberner, der vorher im Kanton Freiburg wohnte.

Der richtige Moment
Kurz nach der Lehre startete Charly Hug als 21-Jähriger seine Karriere mit einem «Brugger Bild», das um die Welt ging: Er fotografierte am Stadtfest 1984 nachts auf der Freudensteinwiese das erhellte Riesenrad, das sich wie ein gewaltiger Leuchtschirm aufspannte. Zeitungen bis nach Amerika druckten das Schwarz-Weiss-Sujet aus «Brugg by Zurich» ab. Aus langjähriger Erfahrung benennt der Urheber den Erfolg heute so: «Es ist der Augenblick, der zählt – die Technik zu beherrschen, ist Pflicht, den Moment zu fühlen, ist Kür.»

Das Bild vom Riesenrad verschaffte ihm später, nach zweijähriger Tätigkeit als Werkfotograf bei BBC in Baden, den Posten des Cheffotografen für Keystone Press und Reuters in Bern. Bei diesem Job fiel er dem Ringier-Konzern auf, der ihn zum «Sonntags-Blick» und zur «Schweizer Illustrierten» mit Einsätzen im In- und Ausland holte und später als Bildspracheentwickler beim neuen Magazin «Schweizer Landliebe» engagierte.

Hug lieferte in den Neunzigerjahren auch Bilder vom Irak-Kuweit- und vom Jugoslawien-Krieg. Er entwischte seinen Beschattern in Bagdad einmal kurz, wurde aber rasch wieder festgenommen, worauf er den Polizeichef für die Freilassung mit Zigaretten bestach. Beim Balkankonflikt übermittelte er unter Risiken und mit diskreter Unterstützung örtlicher Kollegen erschütternde Flüchtlingsbilder von der bosnisch-kroatischen Grenze an internationale Medien wie «El País», «Stern» und «News Week». Der ehemalige Brugger dokumentierte zudem den Einsatz der Kfor Swisscoy bei der Kosovo-Friedensmission.

Ein und aus gehen im Bundeshaus
Seit 1988 ist Charly Hug akkreditierter Fotograf im Bundeshaus und längst der Amtsälteste dieser Spezies, die früher eine eigene Gilde bildete. Heute muss sich Hug als letzter Freischaffender gegen mehrere Agenturen behaupten. Aber dabei kommen ihm sein Beziehungsnetz, das Qualitätsniveau und das Ansehen des Erfahrenen, der weiss, wie der Hase läuft, zugute. Er kennt sich nicht nur in der Wandelhalle und in den Nationalrats- und Ständeratssälen, sondern ebenso in den Hinterzimmern von Bundesbern aus.

Die Bewegungsfreiheit im Bundeshaus sei seit dem Attentat im Zuger Parlament und neuerdings nach einer Morddrohung gegen Bundesrat Alain Berset während der Coronapandemie allerdings massiv eingeschränkt worden, bestätigt Hug und bezeugt das mit einem Beispiel: «Die Zeiten sind vorbei, als ich beim damaligen Aussenminister Pierre Aubert anklopfte, er mir selbst die Tür öffnete und mich noch um etwas Geduld bat, weil er Besuch habe.»

In all den Jahren sah Charly Hug Heerscharen von Parlamentarierinnen und Parlamentariern sowie über dreissig Bundesräte – von Kurt Furgler bis zu Elisabeth Baume-Schneider – kommen und gehen. Er schuf Bilder von ihrer Wahl und der Verabschiedung, die zu Zeitzeugnissen wurden – zum Beispiel die dramatischen Abgänge von Elisabeth Kopp, Ruth Metzler und Christoph Blocher; die Aufnahme von Bundesrätin Metzler wurde als bestes aktuelles Pressebild 1994 ausgezeichnet. Hundertfach fotografierte Charly Hug die Mitglieder der Landesregierung an Medienkonferenzen, Staatsempfängen und Veranstaltungen. Für Porträtgeschichten lichtete er Bundespräsidenten an ihren Lieblingsorten ab. Wiederholt reiste er mit Bundesräten ins Ausland. Und 1993 wurde er mit dem ersten der seither jährlich offiziellen Bundesratsfotos beauftragt.

Einmalige Begegnungen
Charly Hug bekam etliche Staatsmänner vor die Linse. Zum Beispiel Michail Gorbatschow, Bill Clinton, Fidel Castro, Jassir Arafat, aber auch den Dalai Lama. Von jeder Begegnung kommt ihm eine Geschichte in den Sinn. Etwa die Episode, als er am Uno-Sitz in Genf «schussbereit» neben der damaligen Bundespräsidentin Ruth Dreifuss stand, die mit ihrer Entourage Castro erwartete. Plötzlich stand dieser im Raum und drückte zuerst dem Fotografen anstatt der Bundespräsidentin die Hand, weil er zuvorderst stand.

An einem Hintereingang zum Kreml fotografierte er Gorbatschow, als dieser zu seiner faktischen Demission in die Duma fuhr. Eine Horde Agenturfotografen war des langen Wartens müde und zu früh abgezogen. Hug blieb und bekam ein seltenes Bild. Aber der Clou war, dass «Gorbi» als Präsident der Umweltschutzorganisation Grünes Kreuz später an einer Pressekonferenz in Bern auf Hug zeigte und meinte: «Diesem Fotografen bin ich doch schon mal begegnet.»

Ein Fotograf, der nur abdrücke, erfahre lediglich die halbe Geschichte, meint Hug. Das bestätigte sich am WEF 2000 in Davos: Als er einfach nicht an Bill Clinton herankam, suchte Charly Hug Kontakt zu Security-Leuten des US-Präsidenten, trank abends mit ihnen ein Bier und bat sie um einen Tipp. Der lautete: Der Chef kommt morgens gegen acht Uhr im Hotel die Treppe herunter, dann kriegst du dein Bild. Und tatsächlich: Clinton lief Hug anderntags lächelnd vor die Kamera.