Jürg Moser, die Büscheliwoche naht und damit die Serenade am Montagabend, die zu Ihrem Abschied ein Best-of präsentiert. Wie ist Ihnen zumute?
Nicht viel anders als in den Jahren zuvor. Es läuft in dieser Zeit extrem viel, sodass ich gar nicht zum Nachdenken komme. Für mich sind diese lezten Wochen des Schuljahrs eine schöne Zeit. Ich freue mich sehr aufs Jugendfest, das für mich schon in den Weihnachtsferien beginnt. Dann schreibe ich die Arrangements für die Tänze der Kindergarten- und Primarschulkinder.
Diese werden in Brugg ja von Live-musik begleitet. Ist das heutzutage nicht ein Luxus?
Viele Kindergärtner sehen und hören am Jugendfest gar zum ersten Mal eine Klarinette oder ein Cello. Musik so live zu erfahren, ist enorm wertvoll. Ich bin in Hendschiken aufgewachsen und seit meiner Kindheit mit der wunderbaren Tradition der Tanzbühne am Jugendfest vertraut. Als Primarschüler habe ich gern und gut getanzt, nicht nur mit den Schulgschpändli, sondern auch mit deren Müttern. Diese gaben mir dann einen Batzen, mit dem ich auf die Bahnen konnte.
Tanzen Sie immer noch gern?
Das hat sich etwas verloren – obwohl meine Frau gut und gern tanzt. Wer weiss, vielleicht komme ich nach der Pensionierung wieder auf den Geschmack. (Lacht.)
Wurde Ihnen Ihre musikalische Begabung in die Wiege gelegt?
Die Musik hat mich sehr geprägt. Erste Erinnerungen habe ich an die Stadtkirche Lenzburg, wo wir einmal im Monat ein Orgelkonzert besuchten. So habe ich als ungefähr Dreijähriger bereits Bach und Reger gehört. Ich wuchs in einem bescheidenen Arbeiterhaus auf, aber meine Mutter war sehr kulturaffin. Sie sang sehr gern – und ich ebenfalls. Und dann gab es noch das Radio, das uns die Musik ins Haus brachte. Ich weiss noch gut, wie wir stets am Montagabend das Wunschkonzert hörten, mit Volkstümlichem, Schlagern – die mochte ich eher weniger – und Klassik. Später kam dann die Hitparade auf. Ich war gerade in der Pubertät, als der «Immigrant Song» von Led Zeppelin gespielt wurde. Das waren Klänge, wie ich sie noch nie gehört hatte, sie haben mich völlig elek–trisiert – und dazu geführt, dass ich mir das Gitarrespielen beigebracht habe.
Wollten Sie schon damals Musikpädagoge werden?
Für mich war klar, dass ich Lehrer werde – zumindest in der Primarschulzeit. An unserer kleinen Schule wurde jahrgangsübergreifend unterrichtet, da lief immer etwas, es war total spannend. In der Bez kam dann der Unterricht, in dem vierzig Minuten lang doziert wurde. Das langweilte mich. Und so schaute ich mich nach einem anderen Beruf um. Schliesslich machte ich eine Lehre als Vermessungszeichner. Später schrieb ich mich an der Jazzschule Bern ein und unterrichtete parallel dazu elektrische Gitarre. Nach mehreren Stationen kam ich schliesslich als Gitarrenlehrer nach Brugg. Ich unterrichtete und merkte, dass es funktionierte. Meine Schülerinnen und Schüler machten weiter, es kamen mehr dazu, und so wuchs ich in diesen Beruf hinein.
In Ihrer Zeit als Leiter der Musikschule Brugg haben Sie selbst viele Lehrkräfte eingestellt. Was macht eine gute Musiklehrperson aus?
Bei mir passiert ganz viel intuititv. Wenn ich Probelektionen beiwohne, nehme ich innert Sekunden das Potenzial einer Lehrperson wahr. Ich erkenne, ob sie dem Kind, das sie unterrichtet, die Chance gibt, sich zu entfalten, oder bloss doziert. Mir ist wichtig, die Schülerinnen und Schüler dazu auszubilden, ihre eigenen Lehrer zu werden. Bei mir sind sie nur kurze Zeit pro Woche. Den Rest über müssen sie selbst zurechtkommen und wissen, wie sie die Motivation und die Freude behalten.
Also keine stundenlangen Etüden?
Am Handwerk arbeiten – das müssen sie – sonst haben sie keine Erfolgserlebnisse. Lernen ist mit Repetieren verbunden. Fingerübungen sind konsequent einzufordern: Das ist für den Musikunterricht zentral.
Ihre Unterrichtsmethode scheint äusserst erfolgreich zu sein. Ihre Gitarrenschülerinnen und -schüler nehmen an zahlreichen Wettbewerben teil, und das mit Spitzenresultaten. Was fasziniert derart an diesem Instrument?
Seine Vielfältigkeit, seine Intimität, die Schönheit des Klangs. Ausserdem ist man stilistisch sehr breit unterwegs. Und wenn man die elektrische Gitarre dazunimmt, die aufgrund der Verstärkung ein grosses Repertoire an Sounds erzeugt und auch mal laut werden kann, wird das Spektrum noch grösser. Die Tradition des Gitarrenorchesters, das Sie ansprechen, ist für mich zentral. Ich will, dass die Kinder die Musik im Zusammenspiel erleben, und zwar alle, nicht bloss ein paar Eliteschüler. Hier drückt mein Gerechtigkeitssinn durch. Das Guitar Sound Orchestra steht allen offen. Deshalb arrangiere ich viele Stücke selbst. So kann ich den Fortgeschrittenen wie den Anfängern Herausforderungen bieten – massgeschneiderte sozusagen.
Das Zusammenspiel ist in Ihrem Beruf und in Ihrer Funktion als Musikschullehrer zentral. Sehen Sie sich als Dirigent des Ganzen?
Nein, ich habe mich immer als Primus inter Pares verstanden. Ich habe meine Vorstellungen, innerhalb des Rasters müssen gewisse Dinge sein, ansonsten aber versuche ich zu erwirken, dass die Leute ihre eigenen Chefs sind. Das ist vielleicht eine veraltete, aber eine erfolgreiche Art und Weise, engagierte Persönlichkeiten zu führen.
War Ihr Job als Musikschulleiter ebenso vielseitig wie Ihr Instrument?
Absolut. Gerade heute Morgen musste ich wieder mal alle Kaffeelöffel im Haus einsammeln. Da dachte ich mir: Das gehört also ebenfalls zu meinen Aufgaben. (Lacht.) Der Umgang mit all den Menschen, dem Kollegium, den Schülerinnen und Schülern, den Eltern, die Vernetzung mit der Schule, dem Stadthaus, der Politik: Das ist spannend und herausfordernd zugleich. Denn es gibt ständig neue Baustellen. Aber Bauen ist im Kern ja eine schöne Tätigkeit.
Mussten Sie nicht kämpfen?
Ich empfinde es nicht so. Klar, ich engagiere mich seit vierzig Jahren für gute Anstellungsbedingungen, die Entwicklung der Musikschulen, eine hohe Qualität. Es ist die stetige, konsequente Arbeit, die mir liegt.
Wenn Sie jetzt an Ihren Abschied denken, was für ein Musikstück würde passen?
Es wäre ein Stück wie der heutige Tag: mit hellen Grüntönen und etwas Orange. Es hätte einen fröhlichen Teil – nicht allzu lüpfig – kurz: Es wäre bunt und sonnig.
Das klingt wie ein stimmiger Schluss.
In der Tat: Es ist noch immer so, dass ich am Morgen gern zur Arbeit gehe und am Abend wieder gern nach Hause. Das nach fünfzig Jahren Tätigkeit sagen zu können, ist ein grosses Privileg.