Helga Schubert: Der heutige Tag

In der Rubrik «Buchtipp» erzählen Mitarbeitende der Gemeinde- und Schulbibliothek Windisch von ihren Leseerfahrungen – und sorgen so für Inspiration.

Die Protagonistin pflegt ihren Mann palliativ zu Hause, damit er nicht in ein Hospiz muss. Abends, wenn er für die Nacht versorgt ist, setzt sie sich im Nebenzimmer vor den Computer und schreibt ihre Gedanken auf. Der Untertitel des Buchs heisst «Ein Stundenbuch der Liebe», das trifft es sehr gut. Helga Schubert erzählt einerseits vom harten Pflegealltag, andererseits von vielen Momenten gemeinsamen Glücks und fügt Rückblenden bis in die ehemalige DDR ein. Derden, wie er im Roman heisst – für «der, den ich liebe» –, war einst ihr Professor, dann wurde er ihr Geliebter, beide waren damals mit jemand anderem verheiratet. Sie stellte ihm ein Ultimatum, er entschied sich für sie. Seither sind sie sich innig verbunden, auch im Alter und in der drohenden Demenz. Es gibt kaum Spannungsbögen in den kurzen Kapiteln, trotzdem bleibt man gebannt dabei. Zu lesen, wie eine 83-Jährige ihren über zehn Jahre älteren Mann pflegt, damit er zu Hause sterben kann, berührt. Schubert erzählt ohne Larmoyanz, sachlich und zärtlich zugleich, aus allen Zeilen spürt man Liebe, aber ebenso ein Hadern mit der aktuellen Situation. Der Roman hat autobiografische Züge, hält aber eine reflektierte Distanz.

Der heutige Tag (Roman von Helga Schubert DTV, 2023)