In der Schweiz leben 35 000 Jenische. Sie haben eine eigene Sprache, Kultur und Geschichte und sind Nachfahren einer Bevölkerungsgruppe mit semi-nomadischer Lebensweise. Auch in Deutschland, Frankreich, Österreich und anderen Weltgegenden gibt es Jenische – ihre Gesamtzahl wird auf mehrere Hunderttausend geschätzt. Über sie ist wenig bekannt. Doch untereinander sind sie verbunden durch ihre Vergangenheit und ihre Freiheitsliebe.
Das Vertrauen musste wachsen
Ein Schweizer Filmteam hat sich auf eine Reise durch ein verborgenes jenisches Europa gemacht, das sich von den Vororten Savoyens bis in die Wälder Kärntens erstreckt. Der Film lässt junge und alte Stimmen zu Wort kommen und entfaltet das Panorama der jenischen Lebensweise.
Auf das Thema kam der Regisseur Andreas Müller durch die Arbeit an einem historischen Spielfilmprojekt, in dem die Protagonistin eine jenische Frau ist. «Ich kannte die Jenischen nicht und nahm Kontakt zu einigen von ihnen auf», erzählt Müller. Seine Recherche über die Angehörigen der Radgenossenschaft, deren Selbstbezeichnung Jenisch lautet und die in der Zentralschweiz auch Fecker, in der Ostschweiz hingegen Kessler oder Spengler und in Österreich Karrner, Dörcher oder Laninger genannt werden, dauerte mehrere Jahre. «Einem der Jenischen begegnete ich immer wieder, und er fragte mich, weshalb ich keinen aktuellen Dokumentarfilm mache.» Er selbst wäre nie auf die Idee gekommen, gibt Müller zu. «Zugang zur jenischen Gemeinschaft aufzubauen, ist schwierig. Aus Gründen, deren Ausmass wir erst im Verlauf unserer Reise richtig erfassen sollten.»
Kamera als Lauterkeitsbeweis
Um den Dokumentarfilm zu realisieren, spannte Müller mit Kameramann Simon Guy Fässler, dem Editor Marcel Bächtiger und dem Produzenten Frank Matter zusammen. Vor neun Jahren begannen die ersten Recherchen, sich bezahlt zu machen und Konturen anzunehmen. Doch erst als die Filmcrew mit der Kamera auftauchte, wurde ihre Arbeit als glaubwürdig empfunden. Vorher spürten die Filmschaffenden Misstrauen und Verschlossenheit. «Wir haben von Anfang an auf die Zusammenarbeit mit den Jenischen gesetzt. Es sollte kein Film über die Jenischen werden, sondern einer mit ihnen», betont Müller. Ganz bewusst sei keine ethnografische Arbeitsweise verfolg worden. «Es ist ein Dokument der Begegnung von uns mit ihnen, nicht umgekehrt», fasst Müller die 90 Drehtage zusammen. Entstanden ist ein Dokumentarfilm, der in klaren, feinen Bildern die unterschiedliche Lebensrealität der Jenischen schildert und auf ihre Geschichte blickt. Das Odeon zeigt «Ruäch – eine Reise ins jenische Europa» am 22. Juli um 21.30 Uhr als Kinovorpremiere am Odeonair mit anschliessender Diskussion in Anwesenheit des Regisseurs.