Es heisst, der Weg sei das Ziel. Manchmal ist dieser Weg 1300 Kilometer lang und eine Pilgerfahrt zu sich selbst. Wie bei Hanspeter Bäni und seinem Kollegen Jürgen Podlass, die im vergangenen Jahr eine Fussreise in Angriff nahmen. Sie steckten sich den nördlichsten Punkt Deutschlands als geografisches Ziel. Die Wanderung der beiden damals 65-jährigen Gefährten dauerte zehneinhalb Wochen und stellte sich als weitaus mehr als ein langer Fussmarsch heraus. «Die entscheidende Reise führt nach innen», resümiert Bäni das Unterfangen.
Nichts wie weg
Eingehende Vorbereitungen getroffen oder umfangreiche Recherchen betrieben, das haben die beiden junggebliebenen Rentner nicht, bevor sie sich auf die Fernwanderung begaben. «Wir sind einfach los», sagt Bäni schlicht. Der unbedarfte Aufbruch ins Abenteuer hatte indes einen triftigen Grund: Der Habsburger, der 21 Jahre lang beim Schweizer Fernsehen gearbeitet hatte, war im Herbst 2021 pensioniert worden. «Die Alterszahl 65 kommt wie eine Guillotine auf einen zu. Dananch wird man systematisch ins Rentnerdasein abgeschoben.» Für ihn habe das nicht gestimmt. Er sei zwar froh, den Schaffensdruck des Arbeitslebens hinter sich lassen zu können, seine Schaffenskraft hingegen sei ungebrochen. «Ich bin noch voll im Saft!» Plan B war schnell ausgedacht. «Mit Kamera und Kollege auf Fernwanderung zur Verarbeitung der Pensionierung.» Die Idee, daraus einen Kinodokumentarfilm zu machen, sei aus der Leidenschaft für seinen Beruf als Videojournalist und Dokumentarfilmschaffender heraus entstanden. Bei Bäni brennt sie nach wie vor und lässt sich nicht löschen – schon gar nicht von einer zweistelligen Zahl.
Unter freiem Himmel
Zweieinhalb Monate waren Hanspeter Bäni und Jürgen Podlass unterwegs und haben einige Abenteuer erlebt. «Wunderbare Begegnungen mit Menschen, mit denen wir unvergessliche Kontakte knüpften und dabei herzliche Gastfreundschaft erfuhren», sagt Pensionär Bäni zu den gesammelten Erfahrungen. «Sie teilten uns zum Abschied mit, dass wir für sie eine Inspiration seien.» Zu seinen bleibenden Erinnerungen gehören auch jene an das Leben in der Natur. «Man kommt buchstäblich wieder mit dem Boden in Berührung und erdet sich, wenn man abends auf einer Wiese barfuss das Zelt aufstellt.» Und unter freiem Himmel frische Luft einzuatmen, das wirke sehr befreiend.
Auf den mehr als siebzig Etappen haben die Begegnungen mit der Natur jedoch auch Betroffenheit ausgelöst. «Wir zogen immer wieder durch abgestorbene Fichtenwälder, die wegen der globalen Erwärmung und vom Borkenkäfer massiv zerstört worden waren.» Bilder von ausgetrockneten Flüssen und Seen mit viel zu tiefem Wasserpegel, sie gehören ebenfalls zu den Eindrücken, die sich dem Dokumentarfilmer einprägten.
Weitgehende Versöhnung
Unterwegs blickte das Auge von Bänis Kamera gleichermassen auf Wanderweg und Wanderer, die sich intensiv mit der Pensionierung und dem Übergang in den letzten Lebensabschnitt befassten. Knapp 40 Stunden Rohmaterial kamen im Verarbeitungsprozess und während dieser Innen- und Aussenschau zusammen. Bäni hat sich dabei mit dem Rentenalter versöhnt – «weitgehend», wie er nachdrücklich betont. Zudem sei etwas Interessantes geschehen. «Im Moment der Versöhnung erhielt ich neue Aufträge.»
Unter anderem meldete sich SRF, Bänis ehemaliger Arbeitgeber, und fragte an, ob er aus der Wanderung nach Sylt eine Fernsehreportage entwickeln könne. Am 13. September um 21 Uhr wird die Reportage auf SRF zu sehen ein, für die Bäni den Titel «Pensioniert und weg» wählte. Für den Roadmovie «Ihr könnt jetzt gehen», in dem er als Protagonist und als Kameramann fungiert, hat Bäni den Vorschnitt selbst verfertigt. In Zusammenarbeit mit dem Brugger Filmproduzenten Matthias Moser entstand der 82-minütige Kinofilm, der am Samstag, 16. September, um 20.15 Uhr an den Brugger Dokumentarfilmtagen im Odeon Premiere feiern und tags darauf am Nachmittag erneut gezeigt wird. Bis dahin gibt es noch einiges zu tun. «Heute testen wir den Film erstmals im Kino und prüfen, ob der Sound gut abgemischt wurde», erzählt der umtriebige Rentner, dem Pension ein Fremdwort bleiben wird.