Ursula Fricker: Gesund genug

In der Rubrik «Buchtipp» erzählen Mitarbeitende der Gemeinde- und Schulbibliothek Windisch von ihren Leseerfahrungen – und sorgen so für Inspiration.

Hanne hat lang gebraucht, um sich von ihrem Vater zu emanzipieren, und hat den Kontakt zu den Eltern abgebrochen. Dann kommt der Anruf, der Vater liege im Sterben. Sein Leben lang hat er als Gesundheitsfanatiker die Familie mit seinem Biowahn und Reinlichkeitsfimmel terrorisiert. Er ist überzeugt, alle wollten ihn vergiften, die Fleischlobby, die Zuckerlobby, die Pharmalobby, die Autolobby… Seine Lösung: Verzicht! Und zwar auf alles. Für die Umwelt. Für die Gesundheit. Für ein ewig langes Leben. Jeden Morgen zählt er 30 Kürbiskerne und 45 Sonnenblumenkerne ab und verbietet seinen Kindern das Schulschwimmen – wegen des Chlors. Er beleidigt Gastgeber, bis die Familie nicht mehr eingeladen wird, und wenn jemand stirbt, verkündet er lauthals, das käme halt davon, wenn man sein Leben lang solchen Mist esse. Hanne empfindet es als zynische Fügung des Schicksals, dass nun ausgerechnet er an Darmkrebs stirbt. Am liebsten würde sie es ihm heimzahlen und sagen, das habe er jetzt davon. Aber darf man das? Wie nebenbei verhandelt der Roman Fragen nach Lebensform, Lebenssinn und Orientierung sowie nach den Möglichkeiten, die Welt im Privaten wie im Politischen zu verändern.

Gesund genug (Roman von Ursula Fricker, Atlantis Verlag, 2022).