Betritt man die Apotheke in der ehemaligen Scheune in Schinznach-Dorf, fühlt man sich sofort willkommen. Viel Holz prägt die modern gestalteten Räumlichkeiten, in der Beratungsecke sitzt man gemütlich auf einem Sofa, der Umgangston im Team ist herzlich – und das Tempo ganz anders als in der Stadt. «Wir nehmen uns gern Zeit für die Kundschaft», sagen Michael Fretz und Martina Sigg unisono. Schnell wird deutlich: Der 39-jährige Möriker und das Pharmazeutenpaar Elmar Sutter und Martina Sigg haben sich gefunden. Nach 33 Jahren intensiver Geschäftstätigkeit steht per 1. September die Übergabe der Apotheke an. «Wir freuen uns, die Verantwortung auf neue Schultern zu legen», sagt Sigg. Noch könne sie sich zwar nicht vorstellen, was es heisse, wenn man einen Tag frei habe und «wirklich loslassen» könne, aber das werde sich schon finden.
Kompetenzzentrum auf dem Land
Mit Michael Fretz haben die beiden Apotheker einen Nachfolger gefunden, der ihre Leidenschaft für den Beruf, ihre Werte und ihre Firmenkultur teilt. In den letzten Wochen hat sich der Pharmazeut, der nach sechs Jahren in der Apotheke Wildegg und weiteren siebeneinhalb Jahren als Leiter der Apotheke Hunzenschwil zum ersten Mal ein eigenes Geschäft führt, in Schinznach-Dorf eingelebt. «Die Prozesse hier unterscheiden sich nicht gross von jenen, die ich kenne», sagt er. Auch das Betriebssystem sei ihm vertraut. «Neu sind vor allem viele kleine Details in den Abläufen, das Team und die Kundschaft.» Der enge Kontakt zu den Menschen ist es, der für Michael Fretz den Ausschlag gab, die Apotheke im «Tal» zu übernehmen. Der Pharmazeut, der in Möriken aufgewachsen ist und nun wieder dort wohnt, schätzt die ländliche Umgebung. «Mich zieht es immer wieder heim», sagt er schmunzelnd und berichtet von seiner Studienzeit, in der er für die Masterarbeit einen kurzen Abstecher nach Florida gemacht hat. «Die enge Begleitung der Kundinnen und Kunden, der Austausch mit den Menschen, das begeistert mich an diesem Beruf.» Eine Apotheke im Zentrum von Zürich zu führen, habe ihn nie gereizt. «Menschen bei gesundheitlichen Fragen zu beraten, das braucht einen intimen und vertrauten Rahmen und Zeit», ist er überzeugt. «Der direkte Kontakt mit der Kundschaft entspricht mir mehr als die blosse Unternehmensführung.»
Eingebunden ins Netzwerk vor Ort
Diese Grundhaltung teilen auch Elmar Sutter und Martina Sigg. «Wir wollten immer einen Betrieb führen, den wir überschauen können», sagt die Apothekerin. Einmal habe ein Kollege sie gefragt, ob sie wirklich zufrieden seien mit einem so kleinen Geschäft. «Doch für uns hat das gepasst», sagt sie überzeugt. Die Entwicklung der Apotheken gehen in zwei Richtungen. Zum einen gebe es die Grossbetriebe, die darauf ausgerichtet seien, «Gesundheitsbedürfnisse zu befriedigen». Zum anderen seien Beratungsapotheken notwendig, die kompetente Begleitung und Beratung anböten. «Das ist unser Feld», erklärt die Fachfrau, die sich seit vielen Jahren für die Gesundheitspolitik starkmacht. «Selbst wenn man viel Wissen heute online holen kann, braucht es die Einordnung der Apotheker», ergänzt Michael Fretz. «Wir kennen den Patienten, seine Medikation, seine Geschichte, sein Umfeld – wir schauen ein Gesundheitsthema ganzheitlich an.» Deshalb sei auch das Netzwerk mit Ärzten und Gesundheitsinstitutionen enorm wichtig, erklärt Martina Sigg. «Wir kennen uns hier auf dem Land alle persönlich.» Das sei ungemein wertvoll.
Hintergrundwissen, analytisches Vorgehen, gepaart mit Sozialkompetenz und Intuition, dies sei das ideale Rezept für ihre Tätigkeit als Apothekerin, sagt Martina Sigg. «Man muss Entscheidungen treffen können und immer wieder nach Lösungen suchen.» Diese Freiheit und Offenheit schätze sie an ihrem Beruf. Dem stimmt auch Michael Fretz zu. «Jeder Mensch, jedes Problem ist anders – das erfordert eine individuelle und lösungsorientierte Beratung.»
Mit der Übernahme der Apotheke wechselt Michael Fretz zu Toppharm. Er kenne diese Gruppierung bereits aus den vorhergehenden Anstellungen und habe sehr gute Erfahrungen gemacht, sagt er. Toppharm biete ein attraktives Gesamtpaket, koordinierten Einkauf, Weiterbildungsangebote für die Mitarbeitenden und Unterstützung im Marketing. «Es ist eine sehr innovative Gruppe, dadurch ist man am Markt stets früh dabei», unterstreicht er. Als kleines Unternehmen brauche man heutzutage Unterstützung, ein Alleingang lohne sich nicht, ist der Apotheker überzeugt. «Das alles allein zu bewältigen, braucht sehr viele Ressourcen – ich stecke meine Energie lieber in meine Kernbeschäftigung, die Arbeit mit den Menschen.»
Neue Freiheiten
Nach der Übergabe werden Martina Sigg und Elmar Sutter ihren Nachfolger noch begleiten. Sie bleiben als Angestellte in der Apotheke tätig. Dass das für beide Seiten nicht immer einfach sein kann, sind sie sich bewusst. «Es ist ein Experiment», sagt Sigg schmunzelnd. «Wir gehen möglichst transparent miteinander um.» Klar müsse sie sich daran gewöhnen, dass sie nicht mehr für alles zuständig sei und Michael Fretz manche Dinge anders angehe. «Aber das kann auch sehr befreiend sein», ist sie überzeugt. Er schätze es, in Zukunft auf das bewährte Team setzen zu können, ergänzt Michael Fretz. «Ich bin nicht der Typ, der unbedingt den Chef heraushängen muss», sagt er lachend. «Ich schätze die Zusammenarbeit hier sehr und bin optimistisch, dass wir das gemeinsam schaffen.» Schliesslich sei das Wichtigste, dass man die Grundhaltung teile und die Leidenschaft für den Beruf – «und für die Menschen hier vor Ort».