Habsburg-Rapport: Abtreten!

Eine 75-jährige Tradition wird aufgegeben. Der Habsburg-Rapport, das Treffen der Regierung mit Truppenkommandanten und der Armeespitze, wird abgeschafft.
Stimmungsbild von einem Habsburg-Rapport. Stehend der letzte Kommandant der 2003 aufgelösten Felddivision 5, Divisionär a. D. Paul Müller, ein gebürtiger Brugger. (Bild: zVg | Archivaufnahme)

Der Regierungsrat hat entschieden, dass der militärische Habsburg-Rapport, der immer zu Beginn des neuen Jahres stattfand, nicht mehr weitergeführt wird. Eingeführt wurde der Anlass 1948 – nach dem Zweiten Weltkrieg vom damaligen jungen Regierungsrat und Militärdirektor Ernst Bachmann. Seither gehörte das Treffen zur militärischen Beziehungs- und Standortpflege des Aargaus. Die Abschaffung wird damit begründet, es gebe heute andere Kontaktmöglichkeiten. Doch sie dürften kaum der integrativen Ambiance der 75 bisherigen Begegnungen entsprechen.

Am Rapport – der zwar militärisch-verbindlich klang, aber eigentlich ein gesellschaftlicher Event war – verabschiedete der Gesamtregierungsrat abtretende Kommandanten und Stabsoffiziere der aargauischen Truppen und begrüsste ihre Nachfolger. An den nolens volens männerlastigen Treffen hatten zwischendurch auch Frauen das Wort, nämlich die Regierungsrätinnen und Militärdirektorinnen Stéphanie Mörikofer-Zwez, Susanne Hochuli und Franziska Roth.

Bei einer traditionellen Berner Platte im Rittersaal der Habsburg wurden Dienstleistungen verdankt, militärpolitische Fragen erörtert und Kontakte gepflegt. Regelmässig vertreten war neben ehemaligen aargauischen Brigade-, Divisions- und Korpskommandanten die aktuelle Armeespitze. Ab und zu nahmen sogar Bundesräte, die das Militärdepartement beziehungsweise das heutige VBS führten, am Rapport teil, letztmals Ueli Maurer im Jahr 2015 und Guy Parmelin 2018.

Starke militärische Präsenz
Im militärfreundlichen Kanton Aargau musste sich das Militär nie verstecken. Es war stets Bestandteil des öffentlichen Lebens – nicht zuletzt dank den drei Waffenplätzen Aarau, Brugg und Bremgarten und ihren Rekrutenschulen, wo die militärisch-zivilen Kontakte zum Alltag gehörten. Diese Scharnierfunktion nimmt nur noch der Geniewaffenplatz Brugg vollumfänglich wahr, der übrigens heuer ein Jubiläum feiern könnte, weil hier seit 1848, also seit 175 Jahren, Pontoniere ausgebildet werden.

Aber die Armee hat im Aargau weitere wichtige Standbeine: das Logistikcenter in Othmarsingen und das Aushebungszentrum in Aarau (vorher in Windisch). Dazu das «Militärdorf» Kiugoka im Fricktal – es ist die Abkürzung für «Kampf in überbautem Gebiet/Ortskampfanlage» und stellt die Nachbildung eines Ortsteils für Übungen von Armee, Zivilschutz, Polizei und Feuerwehr dar. Selbst in der Pflege des militärhistorischen Erbes ist der Aargau mit dem Festungs- und Militärmuseum Full-Reuenthal führend.

Nachhaltige Spuren hinterliessen zudem zwei militärische Grossverbände: die bis 2003 bestehende 5. Division und die 1994 aufgelöste Grenzbrigade 5, in denen die meisten aargauischen Wehrpflichtigen, insbesondere die Angehörigen der Aktivdienstgeneration des Zweiten Weltkriegs, eingeteilt waren. Daran erinnern ein Denkmal für die «Fünfte» auf dem Villigerfeld und eine Vielzahl einst hoch geheimer Verteidigungsanlagen der Grenzbrigade zwischen dem Bözberg und dem Rhein.

Tiefgreifender Wandel
Die Armeereformen 95 und XXI führten zu einer rigorosen Straffung der Armee und zur massenhaften Auflösung bisheriger Truppen. Mit der Felddivision 5 verschwanden die West- und Ostaargauer Infanterieregimenter 23 und 24 und mit ihnen die nach ihren Rekrutierungsgebieten benannten traditionsreichen Füsilierbataillone 46 (Freiämter Bataillon), 55 (Zofinger Bataillon), 57 (Aarauer Stadtbataillon) und 102 sowie das Schützenbataillon 4. Das Füsilierbataillon 56 (Stumpenbataillon aus der Tabakindustrieregion Wynen-/Seetal) existiert als mechanisiertes Füsilierbataillon 56 weiter. Umgruppiert und neu eingeteilt wurden das stark mit Aargauern besetzte Radfahrerregiment 5, das Artillerieregiment 5, die leichte Fliegerabwehr-Lenkwaffenabteilung 5, die Übermittlungsabteilung 5 und das Geniebataillon 5.

Dieser Aderlass beeinflusste auch die «Aufgebote» zum Habsburg-Rapport. Inzwischen ist es Tradition, dass der Militärdirektor aus der Wehrpflicht ausscheidende Offiziere und höhere Unteroffiziere an einem separaten Anlass im Grossratsgebäude verabschiedet und neu brevetierte Offiziere – Frauen selbstverständlich inbegriffen – an einem Empfang im Aarauer Säulenhaus begrüsst. Aber das vermag das einmalige Kontaktspektrum des Habsburg-Rapports nicht zu ersetzen.