«Hier weht ein besonderer Geist»

Das kirchliche Zentrum Lee galt 1978 fast als revolutionär: Gleichberechtigt nutzen Reformierte, Katholiken und die Gemeinde das Gebäude.
Heute ist das Lee fest ins kirchliche Leben integriert. (Bild: ZVG)

Der 19. November 1978 war für Riniken ein grosser Festtag: Was in den 1960er-Jahren noch eine Vision von ökumenisch engagierten reformierten und katholischen Einwohnern und Pfarrern gewesen war, wurde an diesem Sonntag festlich eingeweiht: das kirchliche Zentrum Lee, ein markanter roter Bau des Brugger Architekten Rudolf Keller. «Heute ist es kaum noch nachvollziehbar, wie revolutionär es bis in die 1970er-Jahre war, dass Reformierte und Katholiken auf Augenhöhe zusammenarbeiten oder gar ein gemeinsames Gebäude nutzen», rufen Wolfgang von Ungern-Sternberg, reformierter Pfarrer von Umiken, Riniken und Villnachern, und Anna Di Paolo, katholische Pfarreiseelsorgerin Brugg Nord, zum 45. Jahrestag gemeinsam in Erinnerung.

Ökumenische Initiative
Es war eine Gruppe von 20 Reformierten und Katholiken, die ab 1966 als Aktion Lee einen eigenen Friedhof in Riniken (realisiert bereits 1967) und einen Ort für Gottesdienste beider Konfessionen anstrebte. Die ökumenische Initiative aus der Bevölkerung fand die Unterstützung der katholischen sowie der reformierten Pfarrer, wie die Riniker Historikerin Astrid Baldinger im Buch «Geschichte der Katholiken im Bezirk Brugg» aufzeigt. Über Jahre hinweg sammelte die Aktion Lee Geld unter anderem mit einem Grümpelturnier und zwei Dorffesten und konnte so 100 000 Franken aufbringen. Partner beim Bau des kirchlichen Zentrums waren die reformierte Kirchgemeinde Umiken, die als Bauherrin über 1,5 Millionen Franken zahlte, die Einwohnergemeinde Riniken, die das Land im zinslosen Baurecht zur Verfügung stellte und die Zivilschutzanlage unter dem Zentrum berappte, sowie die katholische Kirchgemeinde, die 200 000 Franken beisteuerte und die Orgel und zwei Glocken stiftete.

1978: Das kirchliche Zentrum Lee befindet sich im Bau. (Bild: ZVG)

«Eine Selbstverständlichkeit»
Im Rückblick wird das Gemeinschaftswerk als wichtiges Signal der ökumenischen Zusammenarbeit gesehen und als mutiger Schritt. Doch vor 45 Jahren nahm man das etwas pragmatischer wahr: «Das Gefühl, dass man […] etwas Besonderes erstellte, war nicht da», sagte der 2018 verstorbene langjährige frühere Gemeindeammann Martin Vögtli in einem Gespräch mit der Historikerin und heutigen Gemeinderätin Astrid Baldinger: «Es ergab sich und war eine Selbstverständlichkeit.»

Selbstverständlich ist seit 1978 das Nebeneinander von intensiver kirchlicher und weltlicher Nutzung. Wohl ist der Bau beim Eingang als «Kirchliches Zentrum Lee» angeschrieben, er ist aber viel mehr als das: Hier finden nicht nur jedes Wochenende katholische oder reformierte Gottesdienste statt, sondern auch Konzerte, Proben des Chors und der Musikgesellschaft Riniken, Gemeindeversammlungen, Seniorentreffs und Jugendanlässe. Das Zentrum Lee sei längst zur gesellschaftlichen Institution und zum Treffpunkt der Gemeinde geworden, sagt Frau Gemeindeammann Beatrice Bürgi, die früher die reformierte Kirchenpflege präsidierte: «Was wäre die Gemeinde ohne das Zentrum Lee?» Es ist ein aussergewöhnlicher Treffpunkt: «Hier weht ein besonderer Geist», bestätigt Anna Di Paolo, die 2020 als katholische Pfarreiseelsorgerin nach Riniken kam.

Pantomimepredigt
Diesen besonderen Geist feiert Riniken am kommenden Sonntag, 24. September, um 10.30 Uhr mit einem ökumenischen Gottesdienst. Mit von der Partie ist der Theologe und Mime Christoph Schwager mit seiner Pantomimepredigt «Gottes Schöpfung – Mensch zu sein». Nach dem Gottesdienst gibt es ein gemeinsames Essen mit Reden von reformierter und katholischer Seite und vonseiten der politischen Gemeinde.

Sonntag, 24. September, 10.30 Uhr
Zentrum Lee, Riniken
kathbrugg.ch