Die Geschichte, wie ein 150-jähriger Flügel aus einer Traditionsmanufaktur in Braunschweig in den 100-jährigen Bärensaal im Gasthof Bären in Schinznach-Dorf gelangt, lässt sich nicht linear erzählen. Und in diesem Fall auch nur lückenhaft. Denn die Schicksalswege des Instruments, das sich seit Kurzem in einer erweiterten Ausstellung im Bärensaal befindet, heute Abend von einem Starpianisten bespielt wird und danach zum Kauf steht, verlaufen sich im Dunkeln.
Das Instrument
Anderes hingegen lässt sich mühelos erhellen. Hebt man nämlich den Deckel aus furniertem Nussbaumholz über den Tasten, offenbart sich mit einem Blick seine Herkunft: «Grotrian, Helfferich, Schulz – Th. Steinweg Nachf., Braunschweig».
Die weltbekannte Pianomanufaktur wurde 1835 von Heinrich Engelhard Steinweg in Seesen bei Braunschweig gegründet und zählt zu den ältesten der Welt. Heinrich Steinweg wanderte 1851 in die USA aus und baute zwei Jahre später als Henry E. Steinway die Firma Steinway & Sons in New York auf. Sein Sohn, Theodor Steinweg, führte das Unternehmen weiter, in das 1858 der Klavierproduzent Friedrich Grotrian als Teilhaber eintrat. So weit lässt sich zumindest einmal die historische Klammer der Abkunft des Tasteninstruments schliessen. Die persönlichen Noten seiner Geschichte, die der Steinweg-Flügel im «Bären» zu erzählen wüsste, bleiben zum grössten Teil sein Geheimnis.
Fest steht, dass Grotrian-Steinweg im 19. Jahrhundert nicht viele dieser wertvollen Tasteninstrumente baute. Heute besitzen die Konzertflügel Seltenheitswert: In ihrem ursprünglichen Verbreitungsgebiet Europa gibt es noch weniger als 50 Stück davon.
In der Epoche der Romantik waren sie beliebte Kompositionsinstrumente, und nicht nur Clara Schumann reiste damals stets mit einem Flügel von «Grotrian, Helfferich, Schulz – Th. Steinweg Nachf., Braunschweig» an ihre Konzerte in ganz Europa.
Die vorherrschende Stilrichtung der Musik im 19. Jahrhundert spiegelte sich damals auch in den Herstellungsverfahren. In den Werkstätten wurden Flügel gefertigt, die sich einer hauseigenen Klangphilosophie verschrieben hatten und die eine entsprechende unverkennbare auditive Signatur aufwiesen. Die individuellen Klangfarben, die auf die Manufaktur hinwiesen, verrieten, ob die Konzertinstrumente in Wien, Braunschweig oder New York gebaut worden und nach welchen Bühnenanforderungen sie ausgerichtet waren. In den grösseren Musikhallen in New York musste der Klang lauter, klarer und strahlender sein als in den kleineren Kulturhäusern in Europa, wo in den Salonkonzerten während der Hochblüte der Romantik weichere, verträumtere und wärmere Klänge gewünscht waren und den Ton angaben.
Der Restaurator
Fabian Sarbach von Sarbachpiano in Küttigen hat schon über 100 Flügel restauriert. Hunderte von Arbeitsstunden hat er in seinen ersten Steinweg-Flügel investiert und den Klangkörper aus Fichtenholz wiederhergestellt sowie neue Saiten aufgezogen. Nun erklingen die sieben Oktaven des gut zweieinhalb Meter langen und 350 Kilogramm schweren Instruments wieder wie zur Zeit der Romantik in originaler und authentisch weicher Pianostimme.
Der Pianist
Teo Gheorghiu kennen viele aus dem Kino. Als Zwölfjähriger spielte er das Wunderkind Vitus im gleichnamigen Film. In der Zwischenzeit ist aus dem Darsteller ein Konzertpianist geworden, der weltweit die Konzerthäuser füllt. Auf Anfrage von Silvia Spicher vom Verein Bärenkult wählte Gheorghiu den Flügel für die Instrumentenausstellung von Sarbach im «Bären» aus – und bekam Lust, selbst auf dem Originalinstrument aus einer Musikepoche zu konzertieren, die ihm als Künstler besonders nahe ist. Das neue Soloprogramm des Weltstars, «Morgen- und Abenddämmerung der Romantik», beginnt mit einem musikalischen Paukenschlag von Beethoven, der die gesamte romantische Bewegung in ihrer Tonsprache geprägt hat. Gheorghiu kostet in seinem Konzert die verglimmende Glut einer Epoche aus, die weit über ein Jahrhundert andauerte. Der schweizerisch-kanadische Pianist spielt zudem Kompositionen von Rachmaninov, Ravel, Poulenc und Gurdjieff – auf einem 150-jährigen Steinweg-Flügel und wie zur Zeit seiner Entstehung in intimer Nähe zum Publikum. Tickets für dieses Hörerlebnis können ausschliesslich auf eventfrog.ch gebucht werden.
Konzert Teo Gheorghiu
Donnerstag, 28. September, 19.30 Uhr
Gasthof Bären, Schinznach-Dorf