«Bei den Bienen komme ich zur Ruhe»

Am Schmittenbach in Villigen herrscht emsiges Treiben. Hier werden nicht nur Bienen gezüchtet, sondern auch Imkerinnen und Imker ausgebildet.
Der Bienenzüchterverein Unteres Aaretal bietet einen Grundkurs für angehende Imkerinnen und Imker an. Ausbilder Dominik Leonhardt und Jungimker Daniel Erdin. (Bild: aru)

Es ist ein sonniger Spätsommermorgen – golden strahlt das Licht durchs grüne Blätterwerk am Ufer des Schmittenbachs am Rand von Villigen. Freudig begrüssen mich Ausbilder Dominik Leonhardt (65) und Neuimker Daniel Erdin (33) vor dem hölzernen Haus des Bienenzüchtervereins Unteres Aaretal. Gegründet 1882 in Brugg, zählt der Verein heute über 130 Imkerinnen und Imker, die total rund 1000 Bienenvölker halten. Der Verein, dem die Zuchtgruppe Vindonissa angeschlossen ist, hat zum Ziel, «die Bienenzucht in praktischer und wissenschaftlicher Beziehung zu fördern». Um das zu erreichen, werden regelmässig Grundkurse für den Imkernachwuchs sowie Königinnenzuchtkurse angeboten.

Dreizehn Völker an drei Orten
Die Ausbildung neuer Imkerinnen und Imker steht denn auch im Zentrum meines Besuchs. Mit Patenschaften will der Verein dem Nachwuchs begleitend unter die Arme greifen und ihn bei den ersten Schritten der Bienenhaltung coachen. Zudem lernen Interessierte in einem zweijährigen Grundkurs, was es alles braucht, um erfolgreich zu imkern. Daniel Erdin hat den Kurs in diesem Herbst erfolgreich abgeschlossen. Der Riniker Kundendienstberater kam durch seine Gotte zu den Bienen. Die Imkerin nahm den Jungen mit zu den Völkern, und er fing Feuer. «Wenn ich gross bin, will ich meine eigenen Bienen haben», setzte er sich zum Ziel. Und blieb dabei.

Der Anfang sei nicht einfach, gibt Erdin zu – und demonstriert mit ruhiger Hand, wie er ein Volk kontrolliert. «Hier ist die Königin», sagt er und zeigt auf die grösste Biene, die auf dem Rückenpanzer mit einem weissen Punkt markiert ist. «Jahrgang 2021», weiss Erdin und fügt an, die Imkerei sei zeit- und investitionsintensiv. «Der Grundkurs hat mir geholfen, realistisch zu bleiben und vernünftig zu planen», sagt er. Zuerst hat der junge Imker ein Volk angeschafft, bald kam ein zweites dazu, und Ende Saison waren es bereits zehn. Die derzeit 13 Völker betreut er gemeinsam mit seiner Partnerin. Sie befinden sich an insgesamt drei Standorten: auf dem Bözberg, in Riniken und bei seiner Mutter, wo der Imker noch einen Jungvolkstand platziert hat. «Es ist wichtig, dass die Völker verteilt sind», erklärt er. «Ist ein Stand von einer Krankheit betroffen, erwischt es nicht gleich alle.»

Daniel Erdin investiert viel Zeit in sein Hobby. «In intensiven Zeiten besuche ich jedes Volk einmal wöchentlich», sagt er. Durchschnittlich verbringt er dann 30 Minuten pro Woche bei einem Volk. «Dafür kann man im Winter etwas Pause machen», ergänzt er schmunzelnd.

Idyllisch gelegen: Die Belegstelle Kumet – eine Aufzuchtstation für reinrassige Carnicavölker – des Bienenzüchtervereins Unteres Aaretal am Schmittenbach in Villigen. (Bild: aru)

Eine App unterstützt die Imker
Auch Dominik Leonhardt verbringt viel Zeit mit seinen Bienen. Zwischen 30 und 35 Stunden investiert er pro Jahr in ein Volk. Den Aufwand liest er an seiner App ab, mit der er ausserdem verschiedene andere Faktoren misst: wie viel Ertrag es gibt, wie viel zugefüttert werden muss, wann die Bienen gegen Krankheiten behandelt wurden. «Um Bienen zu halten, muss man zeitlich einige Flexibilität mitbringen», sagt der Imker, der erst kurz vor seiner Pensionierung voll eingestiegen ist. Leonhardt war im Seniormanagement des Reiseveranstalters Kuoni tätig und «das ganze Leben lang unterwegs». Zum Ausgleich habe er etwas gebraucht, das ihn erde, erzählt der Hausener. Zuerst war das der Garten, in dem er Wildbienen ansiedelte. Als die Pensionierung näher rückte, begann er, sich intensiver mit der Natur auseinanderzusetzen – und bekam mit 59 Jahren sein erstes Bienenvolk. Im fortgeschrittenen Alter absolvierte er den Grundkurs des Bienenzüchterverein Unteres Aaretal.

Heute ist Dominik Leonhardt als Dozent für strategisches Management an der Universität Zürich tätig und engagiert sich – gemeinsam mit Peter Stadelmann, der auf viele Jahre als Kursleiter zurückblicken darf – bei der Grundausbildung der Imkerinnen und Imker im Verein.

Dabei muss sich der weit gereiste und breit interessierte Geschäftsmann dem Spagat zwischen Tradition und Gegenwart stellen. «Die Imkerei hat sich vom Handwerk von Eigenbrötlern zu einem sich austauschenden Netzwerk mit vielen Innovationen, auch im digitalen Bereich, entwickelt», sagt der Ausbilder. Die verschiedenen Generationen und Individuen von Imkerinnen und Imkern in einem Verein unter einem gemeinsamen Dach zusammenzuhalten, sei nicht immer einfach. «Die Jungen stellen viele Dinge infrage und haben neue Ideen, wie man sich den Herausforderungen stellen kann», sagt Leonhardt. «Das empfinde ich als grosse Bereicherung.»

Daniel Erdin beispielsweise hat mit einem 3-D-Drucker Elemente für die Imkerei entwickelt und hergestellt. «Solche Dinge sind enorm spannend», findet der ehemalige Mechaniker. Auch was die Preisentwicklung des Honigs angeht, geben die beiden Imker Gas. «Ich finde, dass Honig viel zu günstig verkauft wird», sagt Leonhardt. Wenn man bedenke, was für eine Arbeit von Bienen und ihren Haltern dahinterstecke, stimme es einen schon nachdenklich, wenn Honig so wenig koste, erklärt der Imker und nimmt eine kleine Wabe aus einem der für die Zucht angelegten Begattungskästen der Villiger Belegstelle. «Das sieht gut aus», konstatiert er mit fachmännischem Blick.

Obwohl Daniel Erdin und Dominik Leonhardt viel Zeit und Geld in ihre Leidenschaft investieren, möchten sie das Imkern nicht mehr missen. «Bei den Bienen komme ich zur Ruhe», sagt Erdin. «Denn wenn man gestresst ist, stechen sie», fügt Leonhardt an. Und man spürt: Indem die beiden Männer sich Zeit für ihre Völker nehmen, nehmen sie sich auch wertvolle Zeit für sich.

Infoabend zur Grundausbildung
Am 16. November lädt der Bienenzüchterverein Unteres Aaretal zu einem Informationsabend ein. Dieser richtet sich an alle Interessierten, welche die Haltung von Honigbienen erwägen. Informiert wird über die Ausbildung zur Imkerin oder zum Imker, die verfügbare Zeit und das Budget, das es braucht, um diese Freizeitbeschäftigung auszuüben. Die Grundausbildung besteht aus 18 Halbtagen, die auf zwei Jahre verteilt sind. Der Kurs selbst startet im Frühling 2024. Am Informationsabend stehen Regina Müller, Margrit Oeschger, Peter Stadelmann und Dominik Leonhardt für Auskünfte zur Verfüfung. Anmelden für den Infoabend man sich per E-Mail an bienen@leonhardt-hausen.ch.

Donnerstag, 16. November, 19.30 Uhr
Restaurant Waldheim, Mülligen

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Imker Daniel Erdin nimmt eine Wabe aus dem Magazin.

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Die Bienen haben die Futterwabe mit Wachs «verdeckelt».

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Mit Dampf aus ätherischen Ölen werden die Bienen beruhigt.

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Emsiges Treiben: Wabe aus einem Begattungskasten. (Bilder: aru)

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