Ein Platz sucht seine Identität

Am 20. Oktober kommt der Projektierungskredit zur Erneuerung des Neumarktplatzes vor den Einwohnerrat. Nun wurden die Varianten vorgestellt.
So sähe der Neumarktplatz mit freigelegtem Abgang, hellem Gussasphalt und Begrünung aus. (Visualisierung: zVg | Nightnurse Images AG)

Er gilt als «Roter Platz» von Brugg und ist das Aushängeschild der Prophetenstadt. Wer mit dem Zug anreist, fängt auf ihm einen ersten Eindruck von Brugg ein – derzeit nicht gerade ein tolles Erlebnis. Die rote Pflästerung sorgt für Stolpersteine, bei Regen herrscht Rutschgefahr, die wenigen Sitzgelegenheiten wirken wenig einladend, und zwischen den Grossverteilern und der düsteren Unterführung, im Volksmund «Mausloch» genannt, versammeln sich Alkohol- und Drogensüchtige.

Das wünscht man sich anders. Mit ein Grund, warum die Stadt Brugg die nötigen Sanierungsmassnahmen des Neumarktplatzes auch gleich mit grundsätzlichen Fragen verbunden hat: Wie soll dieser Platz die Stadt prägen? Was für ein Lebensgefühl soll er vermitteln? Wie führt er die Menschen vom modernen Zentrum in die Altstadt? In einem aufwendigen Partizipationsprozess konnte sich die Bevölkerung zu diesen Fragen äussern und zur Nutzung und Neugestaltung des Neumarktplatzes einbringen. Dem Workshop vom 18. Januar 2022 mit 65 Teilnehmenden folgte die Ergebniskonferenz vom 31. August 2022 mit 34 Teilnehmenden, bei der die Ideen bezüglich Städtebau, Nutzung, Begrünung, Wasserelementen und Belag festgehalten wurden. Am vergangenen Donnerstag wurden die im Rahmen des Vorprojekts erfolgten Überlegungen und Varianten im Salzhaus vorgestellt.

Variante 1 – «Sanierung»: Diese Grundvariante schlägt die Sanierung in Form eines «1-zu-1-Ersatzes» vor. Inbegriffen sind Tief- und Erdbau, Anpassungen im Bereich des Brunnens, der Rampen und Treppe, Beleuchtung, Kanalisation und Belagsfläche. Variante 1 ist die kostengünstigste der drei vorgeschlagenen Möglichkeiten. Sie schlägt mit insgesamt 5,34 Millionen Franken Erstellungskosten zu Buche.

Konzept mit Variablen
Stadtrat Roger Brogli, Jörg Steinhardt, Projektleiter Planung und Bau, und Jann Stoos von der Stoos Architekten AG stellten die Ausgangslage vor und standen den etwa 80 Anwesenden für Fragen zur Verfügung. Steinhardt schilderte zu Beginn die Ausgangslage, erläuterte die Projektdefinition und rief die Kostenschätzung des Gesamtprojekts in Erinnerung, das mit 4,8 Millionen Franken im Finanzplan der Einwohner­gemeinde 2021 bis 2025 berücksichtigt ist.

Jann Stoos warf einen Blick auf den Stand des Vorprojekts, das «auf einem sehr aufwendigen Prozess der Partizipation» und «einem längeren Planungsprozess mit sehr vielen Diskussionen» beruhe. Gemeinsam mit Raderschallpartner AG hatte die Stoos Architekten AG im Rahmen des Vorprojekts ein breites Spektrum erstellt, das auf mehreren variablen Elementen basiert. Damit soll der Entscheidungsprozess für den Stadt- und Einwohnerrat erleichtert werden. «Mit den Variablen verfolgen wir das Ziel, vielfältige Vorstellungen möglich zu machen», so Stoss. Klarheit schaffe die Vorlage unter anderem durch den Punkt, «dass jede Variante ein Preisschild enthält».

In der Folge erläuterte der Brugger Architekt die Dreiteilung des Perimeters vom Bahnhof bis zum Lindenplatz und ging detaillierter auf einzelne Themen ein. «Das Thema Belag ist zentral», sagte Stoos und erklärte, warum mit verschiedenen Belagszonen – Gussasphaltierung und Chaussierung oder Pflästerung – «Platz auf dem Platz» geschaffen werde und dass der Umstand, dass der Platz unterbaut sei, wenig Spielraum lasse, da der Unterbau fast unmittelbar unter der aktuellen roten Pflästerung beginne. Das ist auch ein Problem, wenn es um die Frage der zukünftigen Bepflanzung geht. «Wir wollen möglichst viele Bäume auf dem Platz», erklärte Jann Stoos. Diese brauchten aber Erde, und für solche gebe es aufgrund des Unterbaus kaum Raum. Eine Pflanzung in grossen Schalen halte er nicht für zielführend, da diese dem Platz die Ebenerdigkeit nähmen. Deshalb enthält der aktuelle Entwurf viele Pflanzen, die an Seilen hochklettern und so für Grün sorgen. «Solche Massnahmen stellen aber hohe Anforderungen an die Statik», erklärte Jann Stoos.

Was den Verkehr angeht, soll der Platz primär den Velofahrern und Fussgängern zur Verfügung stehen. Möglich sein müssen aber Zufahrten für die Anlieferung von Waren und für Notfallfahrzeuge. Bei der Beleuchtung wollen die Planer auf energiesparende Lösungen setzen. Und damit der Platz möglichst vielfältig genutzt werden kann – beispielsweise für den Weihnachtsmarkt –, schlagen sie flexible Ein-
richtungselemente wie beispielsweise frei stehende Stühle vor. Ein zentrales Thema ist zudem die Schwammstadt, die für ein klimaangepasstes Wassermanagement, die Entlastung der Kanalisation, die Unterstützung eines angenehmen Stadtklimas und die nötige Kühlung im Sommer sorgt.

Variante 2 – «Kompakt»: Diese Variante hat zum Ziel, die Aufenthaltsqualität und die ökologischen Aspekte des Neumarktplatzes zu verbessern. Sie wird vom Stadtrat favorisiert. Zur Grundsanierung kommen die Variablen «Rückbau Brunnen», «Öffnung der Spindel» (556 000 Franken), «Pergola im Süden» (460 000 Franken), «Wasserelement» (810 000 Franken) und «Vertikalbegrünung» (810 000 Franken). Total ergeben sich 7,88 Millionen Franken.

Stadtrat bevorzugt «Kompakt»
Roger Brogli schilderte im Anschluss die Sicht des Stadtrats, der sich für die Variante 2 «Kompakt» und damit für einenProjektierungskredit von 688 000 Franken aussprach. «Für das Geld, das man investiert, bekommt man bei dieser Variante am meisten», so Brogli. Was die Variablen angehe, wolle man auf eine freie Bestuhlung, eine Pflästerung und die Schwammstadt verzichten. Gerade Letzteres sorgte in der anschliessenden Frage- und Inputrunde für viele Voten. In Anbetracht des Klimawandels sei es verantwortungslos, aus Kostengründen auf eine Schwammstadt zu verzichten, äusserte eine Teilnehmerin. «Das ist ein zukunftsweisendes Element – dafür zahle ich gern Steuern», doppelte eine andere nach. Für Diskussionen sorgte ausserdem der Gussasphalt. Auf die Frage, ob es denn keine angenehmeren Alternativen gebe, gab Jann Stoos zu bedenken, dass die Unterbauung bezüglich Entwässerung eine grosse Herausforderung darstelle. «Eine andere normgerechte Lösung ist schwierig zu finden», so der Architekt. Wichtig schien den Anwesenden der Punkt, eine helle Form des Bodenbelags zu wählen und nicht auf eine schwarze Asphaltierung zu setzen, selbst wenn diese Variante günstiger wäre. Der Neumarkt solle ein Platz werden, auf dem man sich auch im Sommer gern aufhalte, so ein Votant.

Zum Abschluss skizzierten die Verantwortlichen den Zeithorizont des Projekts. Am 20. Oktober kommt der Projektierungskredit zur Erneuerung des Neumarktplatzes vor den Einwohnerrat. Im ersten Quartal 2025 soll dann der Baukredit vonseiten Bevölkerung gesprochen werden, sodass die Realisierung zwischen dem ersten Quartal 2026 und dem zweiten Quartal 2027 erfolgen kann. Eingeweiht würde der Neumarktplatz in frischem Gewand im dritten Quartal 2027.

Variante 3 – «Partizipation»: Diese Variante hat die Schaffung zusätzlicher Aufenthaltsqualitäten, die Stärkung ökologischer und stadtklimatischer Aspekte sowie ein Regenwassermanagement zum Ziel. Wählbar sind bei Gesamtkosten von 9,17 Millionen Franken die Variablen «Gussasphalt mit hellem Pigment» (534 000 Franken), «Pflästerung statt Chaussierung» (217 000 Franken), «Freie Bestuhlung» (35 000 Franken) und «Schwammstadt» (504 000 Franken).