Hilfe, Steinmarder!

In der Rubrik «Querbeet» beleuchten namhafte Autorinnen und Autoren ein von ihnen gewähltes Thema – und sorgen damit wöchentlich für Inspiration.

Ich fürchte, das wird jetzt etwas persönlich. Aber so wie jede/jeder gemäss Peter Reber seine Insel braucht, benötigt unsereins ab und zu ein Ventil, um etwas Dampf abzulassen. Hier also mein Hilferuf: Meine Frau ist ein Steinmarder! So selbstlos, überaus genügsam und liebenswert ihr ganzes Wesen sonst auch immer sein mag – bei Steinen kennt sie keine Gnade. Vielleicht ist sie, biologisch etwas präziser ausgedrückt, zwar doch eher eine Steinhamsterin, obwohl es diese Gattung in der Fauna meines Wissens nicht gibt. Allerdings steht sie nicht wie andere ordentliche Frauen auf hand­liche Diamanten und Edelsteine, nein, sie hat es mit den ganz pro­fanen grösseren Exemplaren, die man einfach so am Wegrand findet. Keine Reise, kein Ausflug vergeht, von dem wir nicht mit einem mehr oder weniger markanten Brocken heimkehren. Wir sind also inzwischen «steinreich».

Meine Bedenken, dass durch diese Gesteinsverlagerung früher oder später auf der Erde eine Unwucht entstehen und unser wunderschöner Planet aus der Bahn geraten könnte, schlägt sie einfach so in den Wind. Ebenso eine mögliche geologische Irreführung künftiger Forscher, die dereinst in unserem Garten für diese Gegend sensationell atypische Steine finden, die vermutlich auf mysteriöse Gesteinswanderungen zurückzuführen seien. Ich befürchte auch, dass wir schon bald von touristischen Besucherströmen heimgesucht werden, die in unserem Garten so etwas wie ein Mini-Stonehenge mit verschlüsselter ausserirdischer Botschaft vermuten.

Das Sprichwort «Jemandem einen Stein in den Garten werfen» hat bei uns zudem fast schon verheerende Auswirkungen, weil das Umfeld meiner sonst absolut un­tadeligen Gattin diese frevelhafte Sammelleidenschaft ohne Rücksicht auf die globalen Folgen ihres Tuns unterstützt. Kann vielleicht jemand meiner Frau die Ein-Stein-Theorie dahingehend auslegen, dass wir nun doch schon relativ viele davon haben? Mir würde jedenfalls ein grosser Stein vom Herzen fallen …

ernst.bannwart@bluewin.ch