Das künstlerische Konzept des Vereins Boxopera sieht vor, das traditionelle Kulturgut Oper aus dem klassischen Opernhaus in Räume zu übertragen, die bereits Teil des kulturellen Lebens sind oder neu entdeckt und dadurch auf innovative Weise musikalisch und szenisch belebt werden. «Natürlich wird dafür alles etwas reduziert und heruntergebrochen», sagt Vorstandsmitglied Brigitte Hediger, die bei Boxopera für die Kommunikation zuständig ist. «Für die kommende Produktion arbeiten wir beispielsweise mit einem relativ kleinen Ensemble und nur einem Flügel.» Da grosse Opern nicht in den berühmten Opernhäusern der Metropolen Zürich, Basel, Bern und Genf, sondern dezentral in der Peripherie aufgeführt werden, wird ein Publikum erreicht und erfreut, das sonst vielleicht nie eine Oper besucht hätte. Dabei geht es dem Verein nicht darum, Inszenierungen von Opern generell aus dem Opernhaus herauszulösen. Ziel ist es vielmehr, den traditionellen, erprobten Sehgewohnheiten des Genres neue Variationen, Konstellationen und Aspekte gegenüberzustellen, ohne das Werk an sich zerstören zu wollen.
Indem neue Spielorte entdeckt und erobert werden – Fabrikhallen, kleine Bühnen und Kellertheater –, erhält das Publikum die Möglichkeit, bei der Betrachtung neue Perspektiven einzunehmen. Ganz bewusst umgeht der Verein mit seinem Konzept die Distanz zwischen den Darstellenden und den Gästen. «Bei uns ist das Publikum nicht durch einen Orchestergraben von der Bühne getrennt, nur schon das schafft sehr viel mehr Nähe», meint Brigitte Hediger. Dieser Spielansatz verlangt von den Künstlerinnen und Künstlern ein hohes Mass an Flexibilität und eine besondere Qualität der Darbietungen. Das Format bedeutet auch für die Zuschauerinnen und Zuschauer eine Herausforderung, für die man aber mit authentischem Erleben und grosser Nähe zum Geschehen belohnt wird.
Einblick in den Schaffensprozess
Zeitlich setzt «Les Contes d’Hoffmann» im Paris des späten 19. Jahrhunderts an. Dort wurde die Komposition Jacques Offenbachs am 10. Februar 1881 an der Opéra Comique uraufgeführt, was er selbst aber nicht mehr erlebte. Als Komponist und Regisseur wird Jaques Offenbach in der Boxopera-Inszenierung real erscheinen. Der Darsteller des Jacques Offenbach sitzt im Bistro und arbeitet an seiner Komposition. Fiktiv führt er Regie des Stücks und greift direkt in die Handlung der Erzählung ein. Dafür wurde extra ein Darsteller gesucht, der sich bestens mit der Literatur über Jacques Offenbach und jener von Ernst Theodor Amadeus Hoffmann auskennt. Das ermöglicht den Betrachtenden einen Einblick in das künstlerische Schaffen, sowohl des Komponisten als auch der literarischen Figur Hoffmanns, sowie in den Prozess einer Inszenierung von «Les Contes d’Hoffmann».
Für das Publikum entsteht so nicht eine Interpretation eines Opernstoffs auf der Bühne, sondern es nimmt am Prozess von dessen Entstehung teil. Gesungen wird in französischer, gesprochen in deutscher Sprache.
Rollen für Nachwuchstalente
Die musikalische Leitung der Produktion liegt bei Andrea Del Bianco vom Opernhaus Zürich und bei Michael Clark vom Theater Basel. Für die Inszenierung ist mit Anatol Preissler eine ebenfalls sehr erfahrene Person zuständig. Das Arrangement für Flügel und Salonorchester schreibt der junge Walliser Raban Brunner, der derzeit in Boston (USA) Dirigieren und Komponieren studiert.
«Jacques Offenbach, so sagt man, ist der Erfinder der kleinen Oper, also der Operette. Und ‹Hoffmanns Erzählungen› ist dessen einzige Oper», erklärt Brigitte Hediger. Diese bleibt dabei aber meist leicht und mitreissend. Die Hauptpartien des Stücks besetzte der Verein mit erfahrenen Sängerinnen und Sängern, während kleinere, aber ebenso wichtige Rollen an junge Sängerinnen und Sänger vergeben wurden. Die Bühne wird relativ simpel gestaltet sein. Ein paar Tische und Stühle, in Anlehnung an ein Pariser Bistro im 19. Jahrhundert, ergänzt durch hochwertige, historisch akkurate Kostüme. Dank ausgeklügeltem Lichtdesign sollen dabei auf der Bühne schnell und unkompliziert verschiedene Räume geschaffen werden.
Schein und Sein
Das Stück ist heute genauso aktuell, wie es bei seiner Uraufführung war. Es behandelt die Grundthematik von Schein und Wirklichkeit. Dennoch scheint diese Auseinandersetzung gerade in unserer Zeit nochmals sehr verdichtet aufzutreten. Die Jagd nach Likes und Followern im Netz und das Streben nach Perfektion um jedem Preis muten erschreckend an. Diesen Wunsch, dieses Streben nach allumfassender Perfektion einer Geliebten (Stella) findet man bei Hoffmann schon im ersten Akt. Die süsse kleine Puppe, durch eine Spezialbrille zum Leben erwacht (Olympia), die gebildete Künstlerin (Antonia) und natürlich die leidenschaftliche Kurtisane (Giulietta), für die er letztlich sogar sein Spiegelbild dem Teufel verkauft.
Das Stück feiert am 27. Oktober im Stadttheater Langenthal Premiere. Am 3. November ist es im Kurtheater Baden zu sehen. Weitere Informationen sind unter boxopera.net zu finden.