«Druck und Freude sind grösser»

Wegen grosser Nachfrage hat das Kurtheater entschieden, die Eigenproduktion von Simon Libsig und Aaron Hitz erneut aufzunehmen.
Aaron Hitz und Simon Libsig bei ihrem «Barabend» im Kurtheater. (Bild: zVg)

Der Bühnenpoet Simon Libsig wuchs in Ennetbaden auf, der Schauspieler Aaron Hitz stammt aus Baden. Ihr gemeinsames Bühnenprogramm «Libsigs Greatest Hitz» feierte letztes Jahr im Kurtheater Premiere und strotzt vor Geschichten und Geschichte der Bäderstatt. Das Programm kam bei Publikum derart gut an, dass es ab nächster Woche wieder im Kurtheater zu sehen ist.

Simon Libsig, wie kam es zur Zusammenarbeit mit Aaron Hitz?
Aaron Hitz ist ein Badener Schauspieler, und unsere Wege haben sich in Baden immer wieder gekreuzt. Das erste Mal trafen wir uns bei einem Auftritt in der damaligen Trotti-Bar. Diese feierte ein Jubiläum, und ich wurde als Spoken-Word-Künstler engagiert. Aaron war mit seiner Band da. Da kannte ich ihn noch nicht. Ich habe ihn dann auf der Bühne erlebt und fand ihn toll. Nach dem Auftritt haben wir uns unterhalten. Bereits damals – das muss etwa zehn Jahre her sein – sagten wir, dass wir irgendwann einmal etwas zusammen machen würden. Seither liefen wir uns in Baden immer wieder über den Weg. Als wir uns nach der Pandemie zufällig in der Stadt trafen, fragte mich Aaron, ob ich Lust hätte, mit dem Kurtheater eine Eigenproduktion zu machen, ich hätte freie Hand. Klar war ich dabei, und fand, dass das doch der richtige Moment wäre, gemeinsam etwas zu machen.

Wie kamen Sie von Ihrem gemeinsamen Entschluss zum fertigen Bühnenprogramm?
Für das Kurtheater und uns beide war von Beginn an klar, dass das Programm etwas mit Baden zu tun haben soll. Es sollte lokal verankert und für die Leute hier spannend sein. Wir wussten, dass wir damit auch unterhalten wollten. Anfangs  hatten wir aber ganz verschiedene Ideen. Zu Beginn wollten wir etwas in Richtung «True Crime» machen. Badener Fälle aufnehmen oder uns Fälle ausdenken, die an Orten in Baden hätten passiert sein können. Am Ende kam es aber ganz anders (lacht). Über die Namen Hitz und Libsig kam ich darauf, dass wir eine Art Playlist mit den grössten Hits im Leben einer Person machen könnten. Mehr will ich aber nicht verraten.

Ist Ihnen die Zusammenarbeit mit Aaron Hitz leichtgefallen?
Aaron ist ja Schauspieler, und ich trete normalerweise als ich selbst auf. Wir fragten uns, wie sich das miteinander verbinden liesse. Es war klar, dass wir auf unsere Stärken setzen müssen. Ich bin kein Schauspieler, und in andere Rollen zu schlüpfen, liegt mir nicht. Ich bin in unserem Stück deshalb keine Figur im eigentlichen Sinne, sondern ich erzähle Geschichten. Das sind erfundene Geschichten und Geschichten von mir, und Aaron unterstützt mich durch seine Figur des Barkeepers auf der Bühne dabei. In der Zeit, in der wir das Programm gemeinsam entwickelten, lernten wir uns erst richtig kennen. Wir mussten herausfinden, wie der andere arbeitet. Das war teilweise anstrengend. Wir sind vom Typ her sehr selbstkritisch, gleichzeitig aber auch euphorisch. Ich lasse mich, genau wie Aaron, schnell von Ideen anstecken und begeistern. Wenn wir unsere Ideen aber ausprobierten, merkten wir zuweilen, dass nicht jede davon brauchbar war. So drehten wir mehrere Runden, bis wir ein fertiges Programm zusammen hatten.

Inwiefern sind die Geschichten, die Sie auf der Bühne erzählen, autobiografisch?
In fast all meinen Texten und ebenso in diesem Programm hat es Elemente, die stimmen, und solche, die erfunden sind. Es gibt fast nichts, das gänzlich erfunden ist, und beinahe nichts, das vollkommen stimmt. Das Authentische ist sicher durch den starken Bezug zu Baden gegeben. Durch die Hinweise auf die speziellen Orte in der Stadt wie die Bars etwa, die schon lang verschwunden sind. Es ist ein Mix aus Erlebtem, Erfundenem und Erdichtetem.

Sie sind mit Ihren Programmen im gesamten deutschsprachigen Raum unterwegs. Geniessen Sie es, vor heimischem Publikum aufzutreten?
Ich bin in Ennetbaden aufgewachsen, und in Baden kennt man mich schon besser. Wenn ich beispielsweise in Bern auftrete, kennen mich die Leute natürlich nicht so gut. Dann kommt es auf den Veranstalter und die Werbung an, wie viel Publikum kommt. Wenn ich irgendwo in der Schweiz auftrete, erscheinen 20, 30 Leute. Hier sind es hingegen 200. Auch gefühlsmässig ist es speziell, weil ich teilweise von Dingen berichte, die wirklich hier geschehen sind. Und wenn einen die Leute tatsächlich kennen, ist das besonders. Es ist ein viel intimeres Erlebnis. Gleichzeitig ist aber der Druck grösser, weil mich die Leute eventuell bereits mehrfach gehört und auf der Bühne erlebt haben. Und man will diesen Leuten natürlich zeigen, dass es immer noch gut ist. Der Druck ist zu Hause also grösser, aber die Freude ist ebenfalls grösser, wenn es gut ankommt. Gerade mit diesem Stück überlegten wir uns anfangs, ob wir auf Tour gehen sollten, ob man das Konzept vielleicht auf andere Orte übertragen könnte. Es ist aber sehr auf Baden ausgelegt, deshalb entschieden wir uns dagegen. Ausserdem ist es im Kurtheater super. Mit dem Licht und der Technik funktioniert alles einwandfrei. Es ist ein bisschen zu einer Heimspielstätte geworden, und inzwischen hat sich das auch herumgesprochen. Jetzt kommen sogar Leute nach Baden, die uns sonst vielleicht an einem anderen Ort gesehen hätten, das ist sehr schön.

Sie sind einer der bekanntesten Bühnenpoeten der Schweiz. Haben Sie sich trotz oder gerade wegen Ihres Studiums der Politikwissenschaften für diese Laufbahn entschieden?
Das Studium hatte nicht viel damit zu tun. Ich habe schon immer, schon als Kind, gern Geschichten erzählt. Dass es aber einmal mein Beruf werden könnte, hätte ich nie gedacht, das war erst sehr viel später klar. Ich habe studiert, weil ich lang nicht wusste, was ich machen wollte, und habe versucht, mir möglichst alle Türen offenzuhalten. Ich baute mir sozusagen ein Sicherheitsnetz auf. Mit dem Studium wusste ich, dass ich etwas in der Tasche hatte, auf das ich notfalls zurückgreifen konnte. Heute könnte ich mir das nicht mehr vorstellen. Das Studium der Politikwissenschaften ist ausserdem ein offenes Studium. Es hat mir zwar grossen Spass gemacht, doch nach diesem Studium gibt es keine vorgezeichnete Laufbahn. Es ist nicht automatisch klar, was man damit macht. Ich ging zum Radio. Zu der Zeit bin ich schon auf der Bühne aufgetreten. Ich merkte aber schnell, dass das Schreiben für die Bühne und das Schreiben fürs Radio komplett andere Welten sind. Ich liebte es, Radiosendungen zu machen, wenn ich Zeit dafür hatte, wenn ich vertiefte Interviews und schöne Berichte erstellen konnte. Das war aber nicht der Alltag. Es ging eher darum, schnell Geschichten zu produzieren. Das lag mir überhaupt nicht. Ich litt unter diesem Zeitdruck. Ich wollte an meinen Texten und Geschichten feilen, und dafür war das Radio die falsche Welt. Irgendwann merkte ich, dass ich meiner Art des Geschichtenerzählens den ganzen Raum geben wollte. Das alles verlief aber parallel. Ich stand auf der Bühne, arbeitete aber noch beim Radio und zwischenzeitlich kurz bei einem Thinktank. Ich brauchte wohl noch eine Art Negativerfahrung. Dort fand ich es unerträglich. Das war aber nötig, damit ich merkte, dass ich nicht mehr fremdbestimmt arbeiten möchte, und hat mich dazu gebracht, alles auf eine Karte zu setzen und selbstständig aufzutreten. Natürlich mit der Möglichkeit zu scheitern.

Haben Sie diesen Schritt jemals bereut?
Bis anhin glücklicherweise nicht. Ich bin seit 2008 tatsächlich selbstständig und kann es mir nicht mehr anders vorstellen. Klar, die Welt ändert sich ständig und sehr schnell. Man weiss nie, was noch kommt. Diese Art des Geschichtenerzählens oder eine Variante davon ist es aber, wie ich mir mein Berufsleben vorstelle und wünsche.

Wie geht es für Sie nach «Libsigs Greatest Hitz» weiter?
Ich arbeite meist parallel an mehreren Projekten. Sollte eines aus irgendeinem Grund nicht klappen, habe ich Alternativen. Auch deshalb, weil ich Familie habe und Geld verdienen muss. Aktuell arbeite ich an der Idee für ein neues Buch. Daneben bin ich daran, ein Bühnenprogramm mit dem Slam-Poeten Kilian Ziegler zu entwickeln. Er ist nicht nur ein Berufskollege, sondern auch ein Freund, und wir sprechen schon länger von einem gemeinsamen Projekt. Mit zwei befreundeten Musikern arbeite ich an eigenen Songs, und zum Advent kommt der neue Adventskalender, den ich mit Chocolatier Fabian Rimann herausgebe, mit 24 genüsslichen Geschichten und eigens dafür kreierten Pralinen. Oft ergeben sich neue Projektideen auch aus den aktuellen Projekten heraus. Und plötzlich entsteht wieder die nächste Zusammenarbeit.