Gehen Sie mit der Zeit? Ja, gut, aber wie das Mit-der-Zeit-Gehen gehen soll, weiss ich nicht. Ist die Zeit eine Person, mit der man spazieren geht oder die voranmarschiert oder hinterherhinkt? Oder ist damit jeder Mode-Pfupf und Nebel gemeint, den man mitmachen soll, selbst wenn klar ist, dass es wenig Neues unter den Sternen gibt.
Das gilt wohl ebenso für das Kreuz der Sprache, wo sich die Wege manchmal trennen, aber auch ein Geständnis fällig wird. Ich baue gern wohlgeformte Sätze. Ich kann aber auch Freude an Idiomen haben, die nicht Adalbert Stifter imitieren oder pseudopoetisch durch eine ausgeklügelte Wortwahl und Syntax brillieren möchten. Ich rede von verkürzten neusprachlichen Sprechgewohnheiten mit und ohne Migrationshintergrund.
Das klingt dann so: «Gehst du Bus oder bist du mit Auto?» Oder bei uns als Drohung: «Ich sägge dir nur drüü Wort: Pass uff!» Und gleich noch das: «Ey, hesch nur Nokia? Bisch voll Opfer.» Und dann noch dieser Akademiker im Tram, der ins Handy ungeniert spricht: «Ich bin jetzt Zoo.» Ein anderer hats eilig: «Lassen Sie mich Arzt, ich bin durch!» Keine Frage, man darf so reden, wenn man als sprachlicher 14- bis 40-jähriger Früh- bis Spätpubertierender sich outen will.
Die Sprachwissenschaft nennt es ethnolektales Sprechen mit bewusst fehlerhafter Grammatik wie: «Isch geh Bahnhof.» Und: «Wir sind Papst.» Oder sie erzählt vom Bedeutungswandel von Wörtern wie «porno», das nun unschuldig für grossartig und interessant daherkommt. Oder «fett», «de luxe» oder «hammer». Und wie finden Sie «goofy» für tollpatschig? Dann auch «side eye», wenn Sie jemanden nicht beachten wollen. «NPC: Non-Player-Character» gilt dann für Leute, die passiv oder sparsam in der Gruppe mitmachen. Mir gefällt «Rizz» für Personen, die verbal gut flirten, aber das bitte ohne «Niveaulimbo», was für sinnlose Gespräche steht, wo das Niveau stetig sinkt. Fehlt noch das «Darf er so?» als Ausdruck der Verwunderung zum Beispiel über «Smombies». Die Wörter Smartphone und Zombie sind da innig vereint. Und nicht vergessen: «Yolo – you only live once!»
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