Vor der hell erleuchteten Turnhalle in Würenlingen tummeln sich einige Jugendliche in dicken Winterjacken und warten auf Einlass. An diesem regnerischen und kalten Oktoberabend hält man sich ungern draussen auf. Im Inneren des Gebäudes spielt Partymusik, die Vorbereitungen für die Midnight-Games laufen auf Hochtouren. Dieser Anlass bietet Jugendlichen ab elf Jahren einen Abend, um mit Gleichaltrigen Sport zu treiben und sich auszutauschen.
In der Turnhalle im Erdgeschoss schieben zwei junge Frauen schwere Matten hin und her. Beide tragen schwarze Pullis mit der Aufschrift «Coach», personalisiert mit ihren Namen. Ein Trampolin und eine erhöhte Plattform, bestehend aus Barren, auf denen eine dicke Matte platziert wurde, sind bereits aufgebaut. Langsam entsteht ein Spielplatz für die Jugendlichen aus dem Dorf, wo sie sich nach Belieben austoben können. Im Untergeschoss sind zwei Jugendliche dabei, einen Tischtennistisch aufzubauen. Projektleiter Benedikt Schenker schaut ihnen über die Schulter und hilft bei der Platzierung.
Erwartungsvolle Teilnehmende
Als alles fertig aufgebaut ist, ruft Schenker alle Coaches zusammen. Er setzt gerade zur Begrüssung an, da wird er von forderndem Rütteln an der Türklinke unterbrochen. Die Jugendlichen am Eingang werden ungeduldig. Ein Coach eilt zur Tür und ruft: «Warten!» Schenker erklärt einige Regeln: «In der oberen Halle wird kein Fussball gespielt und nicht mit harten Bällen geworfen. Wenn sie nicht anständig sind, wendet ihr euch an mich», ermahnt er die Coaches. Diese teilen sich auf die verschiedenen Hallen auf, und Schenker lässt die Jugendlichen herein. Der Erste rennt in die Halle und wird sogleich von Coach Adelina aufgehalten: «Schuhe!», ermahnt sie ihn streng. Als er klarstellt, dass er bereits Hallenschuhe trägt, kann der Spass beginnen – der Jugendliche wagt sogleich den ersten Sprung vom Trampolin auf die weiche Matte.
Nach und nach strömen immer mehr Teilnehmende in die Halle. Die Musik setzt wieder ein, bunte Softbälle beschreiben schiefe Flugbahnen durch den Raum. Es dauert nicht lang, bis auch die Journalistin das erste Geschoss an den Kopf bekommt. Die Coaches Simon und Adelina lassen mit geduckten Köpfen die Ringe herunter. Der Raum ist erfüllt von Lachen, Schreien und Jubeln.
Im Flur ist es etwas ruhiger. Benedikt Schenker nimmt sich Zeit, um einige Fragen zu beantworten. Ab und zu wird das Gespräch von Teilnehmenden unterbrochen, die um ein Pflaster bitten oder sich bereits wieder verabschieden wollen. Die Midnight-Games gibt es seit 2019. Insgesamt neun Mal findet das Angebot
dieses Jahr bis Mitte Dezember jeden Samstag in Würenlingen statt. Im nächsten Jahr wird der Anlass ebenfalls an neun aufeinanderfolgenden Samstagen ab dem 13. Januar in Lengnau angeboten.
Freiheit wird geschätzt
Die Männerriege Würenlingen und der Sportverein Lengnau sind für die Organisation zuständig. Dabei werden sie von den Gemeinden Endingen, Freienwil, Lengnau, Schneisingen, Tegerfelden und Würenlingen unterstützt. Sie fragen Sportvereine bezüglich der Organisation an und zahlen
ihnen einen Beitrag, der dann hauptsächlich in die Bezahlung der Helferinnen und Helfer fliesst. Durch die Anfrage der Gemeinde Würenlingen kam auch Benedikt Schenker als Präsident der Männerriege zu den Midnight-Games. «Es ist jeden Abend spannend», sagt er schmunzelnd. Die Coaches, die unter seiner Leitung stehen, sind Freiwillige – alle selbst junge Erwachsene und Jugendliche. «Ein Ziel ist es, dass die Jugendlichen sich selbst organisieren und ausserdem selbst leiten», erklärt Schenker. Die Freiheit, die sie hier hätten, werde von den Jugendlichen geschätzt. Sie dürfen selbst Musik über die Lautsprecher abspielen und Spiele vorschlagen. Man kann tun und lassen, was man will.
Für viele sind die Midnight-Games zudem ein Anlass, um sich mit Gleichaltrigen auszutauschen. Schenker spricht die bunte Zusammensetzung der Teilnehmenden an: «Wir haben hier wirklich den Querschnitt von den Jugendlichen vom Dorf.» In der Regel seien etwa ein Drittel der Teilnehmenden junge Frauen. Beim geselligen Austausch sitzen die Teilnehmenden meist nach Geschlechtern getrennt beisammen, aber beim Spiel durchmischen sie sich doch.
Arany betreut den Snackstand, wo sich die Jugendlichen mit Getränken und Schokoriegeln stärken können. Sie besucht die Fachmittelschule in Wettingen und hat beschlossen, sich als Coach zu melden. «Mein Bruder hat auch hier gearbeitet», berichtet sie, «er hat davon erzählt, und da hatte ich Lust.» Sie findet es wichtig, dass es solche Angebote für Jugendliche in der Region gibt. «Gerade in der Winterzeit können sie sonst nirgendwohin», erzählt sie.
Dribbeln, täuschen, tricksen
Zielsicher steuert ein Spieler auf das Tor zu, nimmt den Ball dabei gekonnt am Fuss mit. Nicht einmal, als ein anderer Junge in die Beine des Spielers grätscht, lässt er sich aus der Ruhe bringen. Mit einem harten Schuss befördert er den Ball ins Tor. Jubelrufe und Pfiffe ertönen, der Torschütze dreht eine Runde und breitet dabei siegessicher die Arme aus. Deutschrap dröhnt aus den Lautsprechern. Die meisten der etwa 20 Jugendlichen haben aufgrund des Strassenschuhverbots in der Halle Socken an, wodurch immer wieder einer ausrutscht. Doch das hält sie nicht von waghalsigen Manövern ab, um den Ball ins Tor zu befördern. Mannschaften gibt es keine.
Vor der Halle im Flur spielen zwei Jungen Tischtennis. Das regelmässige Klicken des Balls hallt von den Wänden wider. Die beiden Spieler schneiden den Ball gekonnt an und holen zu mutigen Schlägen aus. Immer flacher fliegt der Ball über das Netz. Sie geben einander Tipps, um ihre Schlagtechniken zu verbessern. Wie viele andere haben sie die Midnight-Games bereits im vergangenen Jahr besucht. «Es ist jedes Jahr anders», berichten sie. Das Angebot gefalle ihnen gut, ändern würden sie am Konzept nichts. Bald schon sind sie wieder in ihr Spiel vertieft, und das rhythmische Klicken setzt erneut ein.