Ein Klassiker neu interpretiert

Das beliebte Kinderbuch von Michael Ende kommt in der Musicalfassung von Jörg Schneider auf die Bühne – mit einigen Überraschungen.
Das Ensemble des Kinder- und Jugendtheaters Turgi (KJT) mit «Hauptdarstellerin» Emma. (Bild: zVg | Markus Renggli)

Blaue Wellen schlagen im Saal der Mehrzweckhalle Gut in Turgi auf und ab. An diesem grauen Regenwochenende kommt es aber nicht etwa zu einem Wasserschaden, vielmehr stellen die Kinder des Kinder- und Jugendtheaters Turgi mit blauen Tüchern und Scheinwerfern das Meer nach, auf dem die Lokomotive Emma unterwegs zurück nach Zamonien ist. «Zamonien? Wo ist denn das?», denkt man wohl, wenn einem «Jim Knopf» vertraut ist. Diese Frage kann Rebekka Renggli beantworten. «Wir haben bewusst das Kaiserreich Mandala, das stark an China erinnert, umbenannt und die Handlung stattdessen in ein Fantasieland namens Zamonien versetzt», erklärt die Regisseurin. «Mit dieser Anpassung wollten wir verhindern, dass Diskussionen über die heutige Weltpolitik, insbesondere über die Rolle von China, vom Stück ablenken.»

Ayona Jhalani (Jim Knopf) und Rolf Bertschinger (Lukas) mit Lok Emma. (Bild: zVg)

Lummerland und Zamonien
Schon Autor Michael Ende hatte 1981 die Geschichte von China nach Mandala verlegt; in Turgi spielt sie nun in Lummerland und im fantasievollen Sportland Zamonien, in dem die Wachen Langhanteln und Hockeyschläger tragen und über das nicht ein Kaiser regiert, sondern die Kaiserin Indiaca. Gespielt wird sie von Pauline Käser, die bereits im Alter von fünf Jahren mit dem Theaterspielen angefangen hat und heute, mit 27, noch immer dabei ist, inzwischen im Theater Team Turgi.

Der Handlungsstrang ist aber nah an Endes Original. Das Findelkind Jim Knopf kommt in einem Karton auf die kleine Insel Lummerland. König Alfons der Viertel-vor-Zwölfte findet nun aber, es habe zu wenig Platz. Lukas verlässt die Insel daraufhin zusammen mit seiner Lokomotive Emma, Jim begleitet die beiden auf ihrer Reise. In verschiedenen Ländern erleben die drei grossartige Abenteuer und schliessen neue Freundschaften. Sie befreien eine Prinzessin und kämpfen gegen einen bösen Drachen. Ob sie jemals wieder zurück nach Lummerland finden …?

Das Kinder- und Jugendtheater wurde 1990 von Doris Janser, Rebekka Rengglis Mutter, gegründet. Die Familienbande sind auch bei der aktuellen Produktion stark, denn ihre Schwestern sind ebenfalls engagiert: Jenny Zurkinden spielt mit ihrem Mann Vincent die Begleitung zu den Liedern und die Zwischenmusik, Katrin Janser stellt Frau Mahlzahn dar. Rebekka Rengglis Sohn Gabriel spielt den Oberbonzen von Zamonien, ihre Schwiegertochter Saskia hilft beim Pausencafé mit – und Ehemann Markus steht als König auf der Bühne.

Das Theater arbeitet mit Masken- und Kostümbilderinnen des Schauspielhauses Zürich zusammen. Das farbenfrohe Bühnenbild wurde von Adrian Meier gestaltet. Er musste gleich zwei identische Lokomotiven bauen, denn Emma kurvt nicht nur auf der Bühne herum, sondern erfreut ausserdem das Turgemer Publikum hautnah.

Die Mitglieder des Theaters treffen sich jeden Samstag zum Theatertraining und lernen Schauspieltechniken, Tanzen und Singen. «Heute sind wir etwa 40 Kinder», erzählt Rebekka Renggli, «aber nahezu nur Mädchen. Hier gibt es eine Warteliste – Knaben sind leider untervertreten.»

«Wie eine kleine Familie»
Der 18-jährige Yannik Birri, Kantonsschüler aus Baden, spielt im Kinder- und Jugendtheater Turgi mit, seit er neun Jahre alt ist. «Wir sind ein tolles Team, wie eine kleine Familie», schwärmt der passionierte Schauspieler. Durch das Theater habe er viele Freundschaften gefunden, die bis heute andauerten. Die Möglichkeit, in verschiedene Rollen zu schlüpfen, gefällt ihm. Im aktuellen Stück spielt er den Palastwächter von Zamonien: «Das ist eine tolle Rolle, weil sie sehr variabel ist. Gegenüber den Untertanen spiele ich jemanden mit höherem Status, vor der Kaiserin muss ich mich eher untergeben zeigen. Das macht es spannend.»

Beim Probenbesuch wird gerade das erste Mal ein Gesamtdurchlauf gespielt, ohne Kommentar und ohne Unterbrechungen. «Dabei wird allen Beteiligten bewusst, wo sie noch Schwächen haben. Wir schreiben diese Punkte während des Spielens unkommentiert auf und gehen danach im Detail darauf ein», erklärt Rebekka Renggli.

So müssen nicht nur die Darsteller und Darstellerinnen ihren Text beherrschen, auch die Musik muss stimmen, der Vorhang rechtzeitig gelüftet und die Technik geübt werden. «Wenn jemand seinen Text vergisst oder den Einsatz verpasst, helfen die anderen mit, indem sie improvisieren oder Zeichen geben. Das gehört zu einem guten Theaterteam dazu.» Das sieht auch Yannik Birri so: «Wir können alle aufeinander zählen.»

25., 26. November,
2., 3., 9., 10. Dezember, jeweils 16 Uhr
Mehrzweckhalle Gut, Turgi