Ein Leben für die Poesie der Füsse

Bald tanzt Gabriel Mareque mit dem Béjart Ballet auf grosser Bühne. Doch auch anderen seiner Talente möchte er künftig Vorrang geben.
In seinem Home-Studio produziert Gabriel Mareque Musik für Tanzstücke. (Bild: zVg)

Als Gabriel Mareque 2004 den Film «Street Style» im Kino sah, wusste er mit einem Schlag: Ich will einmal Tänzer werden. Er nahm Lektionen im amerikanischen Undergroundstil Krump und bewies schon damals beachtliches Talent. Seine Eltern hatten anfänglich gar keine Freude an den Flausen ihres Juniors. Ihnen zuliebe absolvierte er eine KV-Ausbildung, für die er heute dankbar ist. Jede Minute seiner Freizeit investierte er jedoch in weitere Krump- und Breakdance-Lektionen. Fast täglich reiste er von seinem Heimatort Windisch nach Zürich zum Unterricht, weil dort die Szene florierender war als im Aargau. Bald war er dank seines Talents und einer immensen Disziplin auf so hohem Niveau, dass ihm der Tanzschulleiter empfahl, ins Profilager zu wechseln.

Gabriel Mareque wurde nach seiner Tanzausbildung Mitglied der Cobos Mika Company Barcelona. (Bild: zVg)

Mit 18 Jahren begann Mareque seine Ausbildung zum zeitgenössischen Tänzer. Nach zwölf Monaten an der Zürcher Tanz- und Theater-Schule (ZTTS) wechselte er zur Höheren Fachschule für Zeitgenössischen und Urbanen Bühnentanz und schloss dort nach drei Jahren mit Diplom ab. «Es war eine extrem strenge Zeit, die mir viel abverlangte», erinnert sich der heute 30-Jährige. Doch er war bereit, zugunsten seines Traumberufs alles hintenanzustellen. Um etwas Geld in seine Kasse zu spülen, gab er abends Hip-Hop- und Jazz-Dance-Unterricht in Wettingen. «Oft bedeutete das acht bis neun Stunden intensives körperliches Training. Daneben hatte nichts anderes Platz.»

Ein Windischer in Barcelona
Mareque wusste, dass es schwierig werden würde, als frisch diplomierter Tänzer ein Engagement zu finden: «Den Traum von einer Tanzkarriere haben viele. Jobs gibt es hingegen wenige. Man muss neben Talent und Disziplin eine gehörige Portion Glück haben, um in einer Tanzkompanie engagiert zu werden.» Fortuna war auf seiner Seite. Er wurde vom Fleck weg für ein Jahr von der Cobos Mika Company in Barcelona verpflichtet. 2013 engagierte ihn das Lausanner Béjart Ballet zum ersten Mal für eine Produktion. Jetzt holt ihn das weltbekannte Tanzensemble wieder für die neue Produktion auf die Bühne. Mareque wird vom 9. bis 12. November Teil eines über 30-köpfigen Ensembles sein und zu Ravels «Bolero» tanzen. Seinen Wohnort hat er mittlerweile von Windisch nach Zürich verlegt. In seiner Aargauer Heimat trat er das letzte Mal 2015 auf und tanzte an der Beerdigung von Choreograf Jean Deroc zu dessen Andenken.

Vegane Ernährung
Gabriel Mareque ernährt sich seit einigen Jahren vegan und glutenfrei. «Für meinen Körper erwies es sich als effizienteste Methode, um fit zu bleiben», meint er überzeugt. Auf den Teller kommen vor allem Gemüse, Früchte, Reis, Linsen und Buchweizengerichte. Trotzdem bezeichnet er sich als Geniesser. «Ich esse gern und viel», sagt der athletisch gebaute Künstler, der gern Freunde bekocht. Schon während seiner Ausbildung hatte er als Ausgleich angefangen zu malen und auf seinem Laptop Beats zu produzieren. Das Musikmachen ist mittlerweile zu einer so grossen Passion geworden, dass Mareque dafür mehr Zeit investieren und den Tanz etwas zurückstellen möchte. Für seinen Unterhalt arbeitet er zwei Tage die Woche als administrativer Leiter im Dance Town Wettingen. Das reicht ihm für ein bescheidenes Leben.

Kontrapunkt mit Modelabel
Seine Kompositionen sind mehr und mehr gefragt und werden 2024/2025 beispielsweise im neuen Tanzstück von Muhammed Kaltuk im Stadttheater Luzern oder in der Open-Air-Produktion «#waldwärts» von Andrea Boll zu hören sein. Anfang Jahr hat der umtriebige Kreative zudem sein Streetwear-Kleiderlabel Plusquamperfekt gegründet, mit dem er einen Kontrapunkt zur schnelllebigen Billigmodeproduktion setzen will.

Das Nähen brachte er sich selbst bei; gefertigt werden ausschliesslich Einzelstücke nach Mass aus hochwertigen Stoffen. Seine Ideen kommen an, die Klientel wächst. Letzten Frühling konnte er sogar die Kostüme für den Auftritt einer Tanzkompanie entwerfen. Mareque hat einen Weg gefunden, um all seine verschiedenen Leidenschaften unter einen Hut zu bringen. «Am Morgen erledige ich Aufträge und Pflichten, der Nachmittag wird nach dem Lustprinzip verbracht. Entweder ich male oder entwickle meine Musik weiter.» Für den Tanz hält er sich mit täglichem Training fit, das aus Dehnübungen, Yogaelementen und Muskelaufbau besteht. Zwei- bis dreimal die Woche geht er abends zum Training, um seine Mobilität und Kraft zu erhalten.

Langweilig wird es Mareque nicht. Ob er seine Prioritäten künftig im Tanz, in der Musik oder in der Mode setzen will, lässt er offen. «Für mich ist es wichtig, Neuem Raum zu geben und dabei Bestehendes nicht zu vernachlässigen. Ich lasse mir für alles Zeit und forciere nichts», sagt er gelassen. Mit diesem Lebensmotto ist er bisher gut gefahren.