Nachdem Hugo Stam sein Physiotherapiestudium in Amsterdam abgeschlossen hatte, kam er 1982 in die Schweiz: «Damals gehörten Physiotherapeuten neben Käse und Fussball zu den wichtigsten Exportgütern aus den Niederlanden», scherzt der heute 64-Jährige. In den Niederlanden gab es zu viele von diesen Berufsleuten, in der Schweiz zu wenige, und so lag die Suche nach einer Stelle hierzulande nah.
In der Schweiz fand Stam nicht nur beruflich sein Glück, sondern lernte an der Reha in Bad Zurzach auch seine künftige Frau Sandra (58) kennen: Er war ihr Betreuer während des Praktikums als Physiotherapeutin. Nach einer längeren Pause, in der sich die Schweizerin der Familie und den drei Kindern widmete, wagte sie 2002 den beruflichen Wiedereinstieg in einer Physiopraxis. Fünf Jahre später konnte sie zusammen mit einer Kollegin in einer 2 ½-Zimmer-Wohnung die Physiotherapie Würenlingen eröffnen. Vor drei Jahren zog die Praxis in die heutigen Räumlichkeiten an der Wiesenstrasse 4, oberhalb vom Denner, um. «Die Praxis war damals für ein Team von sechs Personen eigentlich fast überdimensioniert», erklärt Hugo Stam. Heute passt es mit mehr als doppelt so viel Personal gut. Die Platzverhältnisse erlaubten es zudem, den Trainingsbereich auszubauen.
Sohn in der Geschäftsleitung
Trotz der stattlichen Grösse bleibt das Stamwerk im Kern ein familiär geführtes Unternehmen, was auch der neue Name zum Ausdruck bringen soll. «Ich habe meine Eltern immer eher als Selbstständige gesehen, weniger als Unternehmer», erklärt Nico Stam (27), der inzwischen ebenfalls zur Geschäftsleitung gehört. Während seines Studiums arbeitete er in der Administration und erhielt so erste Einblicke ins Unternehmen. Mit dem Wachstum der Praxis ging es im Geschäft immer weniger um die Themen der Physiotherapie an sich. Bereiche wie Personalmanagement, Organisation, Marketing, Digitalisierung und Softwareorganisation standen zunehmend im Fokus. «Mit meinem Studium der Wirtschaftspsychologie bin ich inzwischen bestens ausgebildet, um meine Eltern bei diesen neu entstandenen Aufgaben zu unterstützen», ist Nico Stam überzeugt. «Meine Eltern wissen, in welchen Bereichen ich meine Stärken habe – und ich verstehe, bei welchen Themen ich weniger mitreden kann.»
So ist Vater Hugo nebst seiner Arbeit als Physiotherapeut vor allem für die fachliche Seite, die Gesamtstrategie und die Finanzen zuständig. Mutter Sandra arbeitet als Physiotherapeutin und übernimmt die Detailplanung, die Koordination im Sekretariat sowie weitere Führungsaufgaben.
Tochter Nina Stam (25) arbeitet als Sportwissenschaftlerin ebenfalls im Betrieb. Nico Stam ist verantwortlich für Marketing, Projektmanagement und IT: «Bei der Digitalisierung muss ich mich aber ab und zu bremsen, hier bin ich wohl teilweise persönlich schon zu weit», sagt er scherzend.
Modernste Technologie
Wer den Begriff Physiotherapie lediglich mit Massagen auf einer Liege und Hilfsmitteln wie Bällen, Bändern oder Ähnlichem in Verbindung bringt, wähnt sich im heutigen Stamwerk in einer anderen Welt. Die Trainingsgeräte sind Hightech-Maschinen, die eine riesige Menge an Daten verarbeiten und individuell von den Trainierenden bedient werden können. Die Einstellung der Geräte erfolgt nicht mehr von Hand, sondern über einen Chip, der alle Informationen über die trainierende Person enthält – inklusive Dosierung und Trainingsziel.
Hierfür werden neue Kunden zunächst von einem sogenannten Smart-Onboarding-Gerät gescannt. Eine kleine Kamera erfasst Körpergrösse und weitere biometrischen Daten, eine Inbody-Körperanalysewaage kann die Körperzusammensetzung und sogar das Stresslevel messen. «Wir stellen fest, dass unsere Kunden sehr motiviert sind, wenn sie schwarz auf weiss aufgrund der Messungen sehen können, wo sie gesundheitlich stehen», erklärt Nico Stam.
Zur aktuellen Tarifdebatte hat Hugo Stamm eine klare Haltung. «Die Physiotherapie ist seit Jahren darauf ausgelegt, evidenzbasierte, effiziente und wirtschaftliche Leistungen zu erbringen», sagt er. «Dass nun versucht wird, hier zu sparen, statt die wirklichen Probleme wie zu hohe Spitaldichte oder teure Medikamente anzugehen, verstehe ich nicht.» Er bedauert ausserdem sehr, dass die Krankenkassen in der Schweiz die Physiotherapiekosten (noch) nicht bezahlen. «Durch unsere Arbeit können wir teure, oft unnötige Eingriffe verhindern – und damit direkt Kosten sparen.»
Jugend mit grossen Problemen
Ein Thema liegt dem erfahrenen Physiotherapeuten besonders am Herzen: «In meinen 40 Jahren Tätigkeit als Physiotherapeut habe ich noch nie so viele Kinder und Jugendliche mit gesundheitlichen Problemen in meiner Praxis gesehen.» Wenn hier nichts geändert werde, beispielsweise in Form von Wissen über Bewegung und Gesundheit in den Schulen oder mit Öffentlichkeitsarbeit, sehe es für die Gesundheit und die dadurch verursachten Kosten in künftigen Jahren düster aus, ist Hugo Stam überzeugt.
Nebst seiner Arbeit als Physiotherapeut ist er ein gefragter Dozent. «Ich habe in vielen europäischen Ländern Physiotherapeuten und -therapeutinnen im Fachbereich manuelle Therapie ausgebildet», erzählt Hugo Stam stolz. Die Lehrtätigkeit habe ihn in seiner fachlichen Entwicklung sehr unterstützt: «Das Unterrichten von Behandlungstechniken erfordert ein andauerndes Üben. Man muss stets auf dem Laufenden sein und die neueste Literatur kennen, um den Studierenden die Inhalte vermitteln zu können.»
In den vergangenen Wochen wurde die Physiotherapie Würenlingen zum Stamwerk. Seine Wurzeln sind nicht nur im alten, sondern auch im neuen Logo präsent: Das leuchtende Orange ist eine Hommage an seine «Oranje»-Heimat.