In Zukunft im richtigen Film

Drehbuch, Kamera und Regie. Bis ein Film fertig ist, braucht es mehr als das. Einen Zukunftstag zum Anfassen erlebten die Kinder bei Maybaum.
Im Maybaum-Filmstudio lernen die Kinder gerade, dass das 3-Punkt-Licht die klassische Interviewbeleuchtung ist. (Bild: cd)

Der Haupteingang der bekannten Filmagentur auf dem Merker-Areal in Baden liegt in luftiger Höhe. Ein Gang, eine weitere Tür, die mit Firmennamen und -logo angeschrieben ist, dann steht man mitten im Berufsalltag der Filmschaffenden. An den Tischen im Aufenthaltsraum sitzen fünf Mädchen und fünf Jungen. Es ist mucksmäuschenstill. Die Szene könnte aus einem Stummfilm sein und passt gewissermassen perfekt zum heutigen Zukunftstag bei Maybaum: Hier geht es ums Filmemachen. Darum, wie Konzepte entstehen, ein Drehbuch geschrieben, eine Tonspur oder ein Film geschnitten wird und welche Berufe es für diese Aufgaben in der Filmindustrie gibt.

Die Kinder und Jugendlichen sind nicht nur aus der Region, aus Mülligen, Habsburg, Bözberg oder, wie Zoé und Linda (beide 11), aus Dättwil nach Baden gekommen. Sie sind heute Morgen auch aus Bern, Basel und Zürich angereist, um hinter die Kulissen zu blicken und zu erfahren, wie vom Konzept bis zur Postproduktion ein Werbespot, ein Onlinevideo oder ein Film entsteht. Einige haben in der Medienwoche in der Schule schon gehört, was eine Filmproduktion ist, und können Remo Wyss (Conceptor und Art Director) Antwort darauf geben, was denn ein Produzent genau macht. «Er betreut das Team und schaut, dass das gefilmt wird, was mit dem Kunden abgemacht ist», ergänzt Wyss die Antworten der Kinder. Während des Tages werden sie selbst in verschiedene Berufsrollen schlüpfen können, die es am und rund ums Filmset gibt, auch in jene eines Produzenten oder einer Produzentin.

Der Zukunftstag bei der Filmagentur Maybaum begann wie bei einer echten Produktion: mit einem Briefing und dem anschliessenden Konzeptentwurf. (Bild: cd)

Wenn Karotten wie Holz klingen
Nach einem kurzen Blick in die «Crea Suite», so ist das Büro benannt – «hier werden Geschichten gemacht und Drehbücher geschrieben», erklärt Remo Wyss –, wechselt die junge Zukunftstag-Crew ins untere Stockwerk. In der weitläufigen Filmproduktionsfirma befinden sich zwei hauseigene Studios, ein kleineres für Produktaufnahmen und eines für grössere Filmaufnahmen. «Für zwei Minuten Film ist man einen Tag lang oder länger am Drehen», sagt Nikolas Reigel (Head of Production), und Oliver Wigger (Creative Producer) erklärt den Mädchen und Jungen, was genau in der Postproduktion passiert: «Kurz gesagt, wird dann der Film geschnitten, eine Farbkorrektur vor­genommen und Musik und Ton gemacht», fasst er zusammen. Beim Besuch in der «Color Grading Suite» scharen sich die Kinder um die Monitore, an denen Silvan Michel (Content Creator) gerade die Farbkorrektur für jeden einzelnen Clip einstellt. «Das nennt man Color Grading», sagt der Fachmann und demonstriert, wie blass die Originalfilmaufnahme aussieht, bevor er ihr mehr Leuchtkraft oder Kontrast verleiht, die Farben aufeinander abstimmt oder Highlights setzt, die das Auge des Betrachters auf Details lenken. «Dahinter steckt eine ganze Farbwissenschaft», sagt Wigger.

Einer anderen Wissenschaft begegnen die Kinder, als sie die Welt des Tons betreten. Sound Engineer Tim Zumstein lässt die Schülerinnen und Schüler in sein kleines Reich eintreten. «Wenn die Filme fertig geschnitten sind, werden im Sounddesign Toneffekte hinzugefügt und die finale Tonmischung gemacht», erklärt der Tonmeister. Er spielt einen Werbefilm ab und zeigt, wie er das Sounddesign anpasst. Dafür kann er auf eine Art Tonbibliothek zurückgreifen, in der verschiedene Geräusche zu finden sind. Manchmal, erklärt Zumstein, müsse man aber erfinderisch sein und ein Geräusch selbst kreieren. «Um den Klang von brechendem Holz nachzumachen, werden zum Beispiel Karotten geknickt», erzählt er und berichtet dadurch konkret, was ein Foley Artist, ein Geräuschemacher, tut. In der schalldichten Tonkabine probieren die jungen Talente zu dritt aus, wie es ist, als Sprecherinnen und Sprecher zu arbeiten. Zusammen mit Tim Zumstein sehen die anderen Kinder auf dem Bildschirm in Echtzeit, wie die Tonspur entsteht, die der Tonmeister nachher schneiden und mixen kann. 

Im Filmstudio
Die Gruppe begibt sich als Nächstes wieder ins grosse Filmstudio, das sie vorhin schon gesehen hat. Hier sollen die Filmaufnahmen für ein Studiointerview entstehen. Simona De Roni (Content Creator) bespricht mit den Kindern die Einrichtung des Sets. Worauf muss man achten, was wirkt gut vor der Kamera – und was funktioniert gar nicht? Man muss an vieles denken. Wie ist beispielsweise die Zimmerpflanze zu platzieren, damit es nachher nicht aussieht, als wachse sie aus dem Kopf des oder der Interviewten? Welche Farben eignen sich, welche weniger, und mit welchen Requisiten sieht der Hintergrund wie eine aufgeräumte, ansprechende Kulisse aus, in der nichts unnötig ablenkt?

«Faustregel: Augenhöhe»
Im Studio stehen zwei Kameras. «Die zweite Kamera nimmt weiteres Material auf, zum Beispiel Close-ups und Filmausschnitte aus einer anderen Perspektive», gibt Simona De Roni Auskunft. «Beim Schneiden werden dann die besten Takes und Interviewaussagen ausgewählt.»

Die Kameras ziehen die Kinder magisch an. Zusammen mit Nikolas Reigel nehmen sie die Einstellungen vor. Der Kameramann verrät ihnen: «Bei Interviews gibt es eine Faustregel: Augenhöhe.» Die Statements der Interviewten sollen möglichst direkt in die Kamera gesprochen werden. «Was ist eine der wichtigsten Überlegungen am Set?», wird die junge Filmcrew gefragt. «Das Licht!», lautet die Antwort unisono. Was es mit der klassischen Interviewbeleuchtung, dem 3-Punkt-Licht, auf sich hat, zeigen ihnen die Profis aus dem Maybaum-Team anhand konkreter Beispiele im Studio. Immer wieder blicken alle, Kinder wie Filmschaffende, dabei auf den Regiemonitor, der am Rand des Sets steht und den Bildausschnitt, die Cadrage, zeigt. Wenn das Licht justiert ist, wird der Ton am Richt- und am Ansteckmikrofon eingestellt. Dann gilt es, die Rollen zu verteilen. Wer führt zuerst Regie, wer das Interview, wer fungiert als Produzent am Set, ist für die Gesamtleitung verantwortlich und schaut, dass der Zeitplan eingehalten wird, und wer wird vor der Kamera Platz nehmen und die Interviewfragen beantworten? Die Zuständigkeiten rotieren, die Filmrollen laufen, und etwas zögerlich wechseln sich die jungen Filminteressierten mit der Filmklappe ab. Sie zu schlagen, macht allen riesigen Spass. «Auf der Filmklappe wird notiert, um welche Szene, welchen Take und welche Produktion es sich handelt», bespricht Oliver Wigger mit seiner jungen Crew den Zweck der Synchronklappe. Ein letzter Tontest. «Kameras laufen!» – Und als alle Interviews im Kasten sind, ist sich die Schülergruppe einig: «Hinter der Kamera war es am coolsten.»

Als Nächstes stehen Porträtshots auf dem Programm. Jeder und jede wählt aus einer Galerie einen bewegten Hintergrund aus und folgt dann vor der Kamera den Anweisungen der Regie. Nikolas Reigel erläutert, was Lichttemperatur bedeutet und wie man sie misst, was ein Kantenlicht ist und wie man einen guten Kontrast hinbekommt. Zusätzliche Effekte werden mit der Rauchmaschine erzielt. Sie ist der heimliche Star am Set, denn alle wollen ständig auf den Auslöser drücken und wolkige Nebelschwaden vor die Kamera zaubern.

Wie sammelt man Ideen für ein Drehbuch?
Am Nachmittag steht beim vielseitigen Zukunftstag das Schreiben eines kleinen Drehbuchs an. Zusammen mit Oliver Bräm (Creative Conceptor) und Remo Wyss sammeln die angehenden Kreativschaffenden ihre Ideen auf Post-it Zetteln. «Wir machen das auch so», sagt Bräm und deutet auf seinen Kollegen. «Mit dieser Methode kommen alle Ideen zugleich in den Loop.» Mit der Hilfe von Chat GPT wird schliesslich die Geschichte aufgesetzt, die das Textgerüst für ein Drehbuch und die Grundlage für einen Werbefilm werden könnte.

Die Filmpremiere
Am Schluss des Zukunftstags empfängt Geschäftsführer Michel Alraun die Schülerinnen und Schüler wieder im Aufenthaltsraum. Er stellt ihnen die verschiedenen Berufe in der Branche vor, die in seiner Film- und Videoagentur anzutreffen sind, und beantwortet eingehend Fragen zum Arbeiten in der Filmindustrie.

Den krönenden Abschluss bildet die Filmpremiere, bei der Popcorn nicht fehlen darf. Gebannt schauen alle den Film, für den sie im Studio mal vor, mal hinter der Kamera standen. Die junge Filmcrew weiss nach ihrem Tag bei Maybaum, wie viel Arbeit und Können in wenigen Minuten eines fertigen Films stecken. Nun sehen sie ihr eigenes Werk zum ersten Mal auf Leinwand. So still wie es am Morgen im Aufenthaltsraum war, wird es erst wieder, als alle Zukunftstag-Kinder mit leuchtenden Gesichtern nach Hause gegangen sind.

Zoé (11), 6. Klasse, Dättwil: «Ich kam wegen meines Göttis zum Schnuppertag. Er hat selbst schon viele Videos gedreht hat und hat mir gesagt, dass die Leute hier das ebenfalls machen. Ich fand es spannend, dass wir in die verschiedenen Räume gehen und den Ablauf mitverfolgen konnten, wie ein Film entsteht. Am meisten Spass hat es mir gemacht, das Interview aufzunehmen. Ich war ungefähr gleich gern vor und hinter der Kamera. Ich könnte mir vorstellen, einmal mit Tieren zu arbeiten, zum Beispiel ein Tierheim oder ein Hotel für Tiere zu führen.»
Linda (11), 6. Klasse, Dättwil: «Ich stehe gern vor der Kamera. Ich tanze Hip-Hop, und wir wurden beim Vortanzen auch schon gefilmt. Als wir ein Musical aufführten, musste ich mir ganz viel merken, Tanzschritte und Text. Zoé und ich gehen in die gleiche Klasse, und sie weiss, dass ich gern schauspielere. Deshalb hat sie mich heute mitgenommen. Besonders gefallen hat mir, dass beim Drehbuchschreiben alle etwas erfinden konnten und es am Schluss eine ganz coole Geschichte gegeben hat. Es war lustig zu erfahren, welche Ideen die anderen hatten.»
Michel Alraun, CEO und Co-Founder Maybaum: «Auch die Filmbranche ist vom Fachkräftemangel betroffen. Momentan befindet sich der Lehrgang Mediamatiker oder Mediamatikerin unter Revision. Durch meine Arbeit im Vorstand des Branchenverbands Swissfilm Association (SFA) engagiere ich mich bei der Nachwuchsförderung. Maybaum führt zweimal jährlich Schnuppertage durch, in denen wir junge Talente für Videoproduktionen und Video-Marketing begeistern wollen. Es ist uns wichtig, den Kids zu zeigen, welche Berufe es in der Filmwelt gibt.»