Er kam am 9. November 1932 im Wynentaler Dorf Gränichen zur Welt. Es war nicht der ideale Zeitpunkt für junge Eltern, ein Kind zu bekommen, denn es herrschte bittere Wirtschaftskrise. Mit dieser Feststellung leitete Werner Kaufmann seine Lebenserinnerungen ein. Die Mutter gab ihre Arbeitsstelle erst bei seinem Schuleintritt auf, bis dahin betreuten ihn Pflegeeltern. Trotz den engen finanziellen Verhältnissen genoss er eine glückliche Jugend. Bei ihm spielte die Musik schon früh eine Rolle, weil ihm der Posthalter eine Geige schenkte, die er auf dem Estrich fand. Problemlos bestand er die Primar- und die Bezirksschule sowie die Prüfung zur Aufnahme an die alte Kantonsschule, die er mit der neusprachlich ausgerichteten B-Matura abschloss.
Brugg wurde zur Wahlheimat
Obschon er als Kantonsschüler ebenfalls handwerklich-technisches Flair bewies – das ihn lebenslang begleitete –, wandte sich Werner Kaufmann den Geisteswissenschaften zu und wurde Lehrer. Nach Studien an den Universitäten Zürich und Genf und einem Assistenzjahr an einer englischen Public School bestand er die Bezirkslehrerprüfungen für Fremdsprachen. Nach dem Examen wählte ihn die Schulpflege Brugg als Hauptlehrer für Deutsch, Französisch und Englisch an die Bezirksschule. Brugg wurde ihm zur Wahlheimat – erst recht mit der Verleihung des Ortsbürgerrechts.
Um das Studium zu finanzieren, arbeitete Werner Kaufmann in den Semesterferien an verschiedenen Orten und in unterschiedlichen Berufssparten – unter anderem in einer Gärtnerei in Zürich, wo er seine spätere Gattin Helen «Heli» Mettler kennenlernte. Die beiden hielten sich während der langen Studien- und Auslandjahre die Treue, heirateten anschliessend, teilten 65 Jahre lang ein reich erfülltes gemeinsames Leben, bekamen zwei Söhne und wohnten zunächst im Sonnenberg, danach über Jahrzehnte in einem Einfamilienhaus am Rebmoosweg und zuletzt in der Nähe des Alterszentrums Süssbach an der Fröhlichstrasse.
Lebenswerk Berufsbildung
Sein Lebenswerk schuf Werner Kaufmann – nomen est omen, der Name war ein Zeichen – an der Kaufmännischen Berufsschule Brugg. Hier unterrichtete er seit 1957 im Teilpensum. Vier Jahre später löste er den Rektor im Nebenamt ab und übernahm 1968 vollamtlich die Leitung der aufstrebenden KV-Handelsschule. Ihr stand er 34 Jahre lang, bis zur Pensionierung 1995, mit grossem Geschick vor und prägte eine ganze Generation junger Kaufleute. Das Wohl der Lehrlinge und gute Kontakte zu den Lehrfirmen lagen ihm am Herzen. Aber er stellte hohe Ansprüche, auch an sich selbst. Im Schulalltag und in der Weiterbildung ging er mit gutem Beispiel voran, indem er noch als 53-Jähriger ein Semester an der University of California in San Diego absolvierte.
In der Vermittlung des Unterrichtsstoffs und der Einrichtung «seiner» Schule – die mehrmals zügelte, vom Lateinschulhaus ins Simmengut, danach in die Neuüberbauung Im Steiger und später in das BWZ nahe des Fachhochschulcampus – war er auf der Höhe der Zeit oder gar einen Schritt voraus. So besass das «KV» – neben der Höheren Technischen Lehranstalt Brugg-Windisch – bereits früh ein Sprachlabor für Französisch und Englisch. Er führte ausserdem den Berufsmaturitätszweig ein, der KV-Schülerinnen und -Schülern den Weg zum Fachhochschulstudium öffnete.
Im Dienst der Öffentlichkeit
Werner Kaufmann engagierte sich jahrzehntelang im politischen, kulturellen und gesellschaftlichen Leben von Brugg. Er gehörte als Mitglied der FDP-Fraktion 20 Jahre dem Einwohnerrat an, nicht als Vollblutpolitiker, sondern als guter Netzwerker eher hinter den Kulissen ohne Karriereabsichten. Ebenso lang präsidierte er den Orchesterverein Brugg, dem er zudem eine Stütze als Aktivmitglied war, auch in verschiedenen Kammermusikformationen. Er komponierte sogar, indem er sich den Computer zunutze machte. Während 15 Jahren stand er überdies der Stadtbibliothek vor und verhalf dieser ältesten, 1640 gegründeten städtischen Institution unter anderem zu einer neuen EDV-Anlage.
«Brugger Stimmen»
Seiner ausgewogenen Meinung gab Werner Kaufmann regelmässig in Zeitungsartikeln, Leserbriefen und als Kolumnist Ausdruck. Seine «Brugger Stimmen» im «General-Anzeiger» waren feine Aperçus, geistreiche, prägnant formulierte Wahrnehmungen, die das lokale Geschehen spiegelten. Neben der vertrauten Nähe faszinierte ihn die weite Welt – und davon sah er sehr viel mit seiner Frau. Reise- und oft Wanderziele waren etwa die USA und Kanada, Australien und Neuseeland, Südafrika, China, Nepal, Kuba, Apulien, Madeira, aber auch Bagdad, wo er einer vorübergehend dort lebenden Bruggerin, deren Lehrer er einst war, begegnete.
Weit über den Pensionsschritt hinaus blieb Werner Kaufmann aktiv. Ein erster gesundheitlicher «Streifschuss» traf ihn 2008 auf einer Wanderreise nach Irland. Davon erholte er sich gut, später ebenso von einer Darmoperation sowie von einer Coronaansteckung. Aber nach einem Herzinfarkt vor einem Jahr schwanden seine Kräfte, obschon er sich das nicht anmerken lassen wollte. Sein Herz stand während eines Arztbesuchs, fünf Tage nach dem 91. Geburtstag, still. Werner Kaufmann bleibt in seiner Wahlheimat in bester Erinnerung.