Zwei Sekunden brennende Luft: Diaty Diallo

In der Rubrik «Buchtipp» erzählen Mitarbeitende der Gemeinde- und Schulbibliothek Windisch von ihren Leseerfahrungen – und sorgen so für Inspiration.

Nur zwei Tage nach dem 14. Juli – dem Tag, der republikanischen Werten wie Gleichheit und Brüderlichkeit gewidmet ist – lässt die Polizei bewusst eine Personenkontrolle migrantischer Jugendlicher eskalieren. Es kommt zu Ausschreitungen, und am Ende ermordet die Polizei einen von ihnen. Die Jugendlichen im Viertel entscheiden sich angesichts ihrer Wut und Trauer, die Machtlosigkeit gegen die rassistische Polizei nicht länger hinzunehmen. Wenige Monate nach der Veröffentlichung des Buchs im französischen Original folgten der Erschiessung von Nahel Merzouk durch einen Polizisten gewalttätige Aufstände in ganz Frankreich. Diaty Diallo stellt in ihrem Debütroman die Perspektivlosigkeit in den Banlieus und den strukturellen Rassismus, auf denen derartiger Hass fusst, eindrücklich dar, aber auch die daraus entstehende Solidarität. Dabei besticht die Sprache durch ihre beinahe poetische Ruhelosigkeit, die das Umschlagen von Wut und Trauer in organisierte Gegengewalt nachvollziehbar macht. Unausweichlich lässt einen der Roman an den Film «La Haine» (1995) denken, und man zerbricht sich den Kopf über die Frage, weshalb sich beinahe 30 Jahre später fast nichts verändert hat.

Zwei Sekunden brennende Luft (Roman von Diaty Diallo, Assoziation A, 2023)