Direktverbindung Bözberg–Heitersberg

Ab dem Fahrplanwechsel am 10. Dezember fahren Züge dank einer neuen Verbindung von der Bözberglinie direkt auf die Heitersbergstrecke.
Weitere Aufwertung der Südbahn. Einst war die Südbahn Brugg–Othmarsingen eine Nebenstrecke. Heute ist sie eine wichtige Nord-Süd-Verbindung. (Bild: HPW)

Die neue einspurige Bahnstrecke Birr–Mägenwil ist nur etwa einen Kilometer lang, aber sie ist von verkehrsstrategischer Bedeutung. Denn sie schafft eine weitere Direktverbindung zwischen den Nord-Süd- und den West-Ost-Eisenbahn-Transversalen. Bei Brunegg zweigt sie von der Linie Basel–Bözberg–Brugg–Othmarsingen–Gotthard ab und mündet bei Mägenwil in die Heitersberglinie Bern–Zürich. Das ist nach dem Bau des Verbindungsviadukts von der Bözberg- zur Südbahnstrecke bei Brugg, 1969, eine erneute bedeutsame Verknüpfung im über 160-jährigen Eisenbahnnetz unserer Region sowie eine abermalige Aufwertung des ehemaligen Aargauer Südbahnastes Brugg–Hendschiken, der lang zu den Nebenlinien gehörte, aber heutzutage eine wichtige Rolle im Transitgüterverkehr spielt.

160-Millionen-Franken-Projekt
Die neue Schlaufe ermöglicht die direkte Güterverkehrsführung Basel–Zürich über die Linie Brugg–Othmarsingen von und zu dem Rangierbahnhof Limmattal. Dadurch wird die Stammlinie Brugg–Baden entlastet und erhält anderweitige Kapazitäten. Das Gleiche gilt für den Abschnitt Rupperswil–Mägenwil der Heiterbergstrecke. Hier ermöglicht der Wegfall von Güterverkehrszügen, die neu über Wildegg–Brugg–Baden zum Rangierbahnhof Limmattal fahren, dass die stark nachgefragte S-Bahn-Linie S11 Zürich–Aarau künftig im Halbstunden- statt Stundentakt geführt werden kann. Das ist ein wertvolles verstärktes Angebot für den Pendlerverkehr.

Die neue Bahnverbindung Birr–Mägenwil muss denn auch in grösserem Zusammenhang gesehen werden. Sie wurde schon beim Bau der Heitersberglinie in den 1970er-Jahren ins Auge gefasst – sogar zweispurig –, aber dann wegen anderer Bahninfrastrukturprojekte zurückgestellt. 2014 stimmte das Bundesparlament dem 160-Millionen-Franken-Vorhaben mit dem Titel «Leistungssteigerung Rupperswil–Mägenwil» zu, das neben der Schlaufe den grosszügigen Ausbau des Bahnhofs Mägenwil mit neuen Gleisführungen und 320 Meter langen Perrons umfasst. Die Kosten finanziert der Bund aus dem Bahninfrastrukturfonds (BIF), den die Schweizer Stimmbevölkerung 2014 äufnete.

Die neue SBB-Verbindung Birr–Mägenwil zweigt bei Brunegg vom Südbahn-Trassee mit dem starken Güterverkehr ab und führt unter der Autobahn A1 sowie der Birrfeldstrasse durch zur Heitersberglinie. (Bild: hpw)

Brugger Bahnpionier-Epoche
Während andernorts im Laufe der Zeit Bahnstrecken eingingen, werden in der Region Brugg-Baden also immer noch neue geschaffen. Das Bahnnetz in unserer Gegend geht in die Gründungszeit des schweizerischen Eisenbahnverkehrs zurück. 1847 dampfte der erste Zug, die Spanisch-Brötli-Bahn, von Zürich nach Baden. Im September 1856 erreichte das Schienennetz Brugg, und bereits 1858 wurde die Linie Brugg–Aarau eröffnet. 1875 schloss die Bözbergbahn mit zwei für die damalige Zeit exorbitanten Bauwerken, dem 2,5 Kilometer langen Bözbergtunnel und dem stählernen Aareviadukt Brugg–Umiken, die Bahnlücke zwischen Zürich und Basel. In atemberaubendem Tempo ging es weiter: 1882 wurde die Strecke Brugg–Othmarsingen–Hendschiken – die Aargauische Südbahn – eröffnet.

Damit galt Brugg schon früh als Eisenbahnknotenpunkt. Die Lage an den Strecken Zürich–Basel und Zürich–Bern führte zu guten Verbindungen in alle Richtungen sowie zu einem bedeutenden Güter- und intensiven Rangierverkehr. Das bedingte grössere Bahnhofbauten. Das kleine Bahnhöfli von 1856, das neben der Wirtschaft Strössler allein auf weiter Flur und ganz auf Windischer Boden stand, weil der Brugger Stadtbann damals noch nicht über das Eisi hinausreichte, wurde 1868 durch einen Neubau mit Steinen des abgebrochenen ersten Zürcher Bahnhofs ersetzt.

1902 gingen die Anlagen von den privaten Südbahn-, Bözbergbahn-, Centralbahn- und Nordostbahn-Gesellschaften an die Schweizerischen Bundesbahnen über. Der Weiterausbau in der Region Brugg stockte vorerst wegen knapper finanzieller Mittel. Erst 1921 wurde das Brugger Bahnhofgebäude nach den Plänen des einheimischen Architekten Albert Froelich vergrössert und 1925, gleichzeitig mit der Elektrifizierung des Bahnbetriebs, die Zürcherstrasse zwischen Windisch und Brugg, die bis anhin niveaugleich über elf Geleise führte, in die bis heute benützte Unterführung verlegt. 1934 entstanden die gedeckten Perrons.

Die Südbahnstrecke
Während die Linie Baden–Brugg–Aarau schon 1861/1862 und die Bözbergbahn ab 1905 zweispurig befahrbar waren, blieb die am 1. Juni 1882 eröffnete Strecke Brugg–Othmarsingen bis 1994 einspurig. Gebaut wurde die 8,07 Kilometer lange Verbindung von der Aargauischen Südbahn-Gesellschaft, einem gemeinsamen Tochterunternehmen der Schweizerischen Centralbahn und der Schweizerischen Nordostbahn. Die Strecke bot geringere topografische Herausforderungen als die sieben Jahre zuvor eröffnete Bözbergbahn – abgesehen von der Überwindung des Höhenunterschieds zwischen dem Bahnhof Brugg und der Station Birrfeld. Das geschah mit einem Geländeeinschritt von der Reutenen Windisch durch das Hauser Täli bis auf die Ebene des Birrfelds.

Von Anfang an wurde der Bahneinschnitt breit genug erstellt, sodass er 110 Jahre später den Ausbau auf die Doppelspur ermöglichte. Diese bauliche Leistung ist umso eindrücklicher, als es damals weder Trax noch Bagger gab. Beim Aushub wurde ein Grundwasservorkommen angeschnitten; man fasste das Trinkwasser und leitete es den Brugger Brunnen zu. Für das Bahntrassee mussten Dutzende Landparzellen erworben und zum Teil gegen den Widerstand ihrer Besitzer enteignet werden, wie ein Bundesgerichtsurteil vom 12. März 1886 über einen Fall im Gemeindebann Hausen belegt.

Wichtige Güterverkehrsachse
Die Südbahn führte «über Land». Zwischen Brugg und Othmarsingen gab es neun unbewachte und fünf gesicherte Bahnübergänge. Die Station Birrfeld – ein markanter Holzbau, dem der Volksmund den Namen «Laubsägelibahnhof» gab – stand auf freiem Feld, fern von den Dörfern Lupfig, Birr, Birrhard und Mülligen. Doch hier fand der tägliche Postumschlag für die Birrfeldgemeinden statt: Die Pöstler holten am Vormittag und am Nachmittag die Postsendungen am Bahnhof ab und verteilten sie zweimal täglich in ihren Ortschaften. Auch für die Bauern war die Station Birrfeld ein wichtiger Umschlagplatz. Hier wurden Kunstdünger, Saatgut und Futtermittel angeliefert sowie Mostobst, Getreide, Kartoffeln, Zuckerrüben und Vieh verfrachtet.

Eine wachsende Bedeutung erlangte der industrielle Güterverkehr. Die Zementfabrik Hausen sowie ihre nachfolgenden Öl- und Chemiewerke beziehungsweise die Reichhold Chemie hatten den ersten Bahnanschluss – Letztere sogar mit einer Personenhaltestelle «auf Verlangen», die in der Regel nur der Fabrikdirektor morgens und abends benützte. In den Fünfzigerjahren setzte mit der Drahtseilfabrik der Kabelwerke Brugg und dem grossen BBC-Fabrikkomplex auf dem Birrfeld die Industriealisierung ein. Später folgten die Mühlebach Papier AG, die Firma Suhner, der Amag-Autoumschlagplatz und die Bertschi Logistik. Bei den Güterverkehrsmengen errang das Birrfeld eine Spitzenposition. 

Der Zwei-Spur-Ausbau Brugg–Othmarsingen wurde nötig. Die Strecke bekam durch den Bau des Huckepackkorridors zusätzliches Gewicht im Gütertransitverkehr. Vorausschauend wurde die Bözberglinie bereits 1969 durch einen neuen Viadukt direkt mit dem Südbahn-Trassee verbunden. Dadurch fiel die Spitzkehre in Brugg weg; die Züge von Basel Richtung Gotthard mussten in Brugg nicht mehr gewendet werden. Diese Ausbauten prädestinierten die Bözberg-Südbahn-Strecke im Neat-Konzept als internationale Nord-Süd-Güterverkehrs-Transversale. Ihre Bauherren dachten vor 141 Jahren weit voraus.