Ein Gastgeber mit Multitalenten

Patrick Hemmelmayr aus Birr wanderte nach Frankreich aus und hat auf einem abgeschiedenen Landgut in der Provence sein Glück gefunden.
Patrick Hemmelmayr bei der Traubenlese auf seinem Landgut Domaine Hemmitage in der Provence. (Bild: zVg)

Eine schmale von Oliven- und Feigenbäumen gesäumte Allee windet sich zum alten Landsitz der Familie Hemmelmayr. Natur pur, so weit das Auge reicht. Das nächste bewohnte Haus liegt einen halben Kilometer weit weg. Doch ganz so ruhig, wie es auf den ersten Blick scheint, ist es auf dem Gut mit dem schönen Namen Domaine Hemmitage nicht.

28 Seminargäste und Freunde aus der Schweiz sind gerade angekommen und beziehen die Appartements und Ferienwohnungen, welche die Gastgeberfamilie zur Miete anbietet. Gleichzeitig muss sich Patrick Hemmelmayr um einen sturmbedingten Wasserschaden im mitten in den Weinstöcken liegenden Rebhäuschen kümmern. Es wurde unlängst frisch renoviert und sollte ebenfalls als Unterkunft für Ruhesuchende dienen. Doch ausgerechnet als der Hausherr mit Frau Natascha und seinen drei Kindern auf Familienbesuch im Aargau war, durchbrach ein Ast das Dach, und der tagelange starke Regen durchnässte das Isolationsmaterial im Innenbereich. «Wir müssen alles wieder öffnen und neu verkabeln», sagt Hemmelmayr. Er wirkt gelassen, obwohl er jetzt einige Ankömmlinge umquartieren und gleichzeitig Handwerker organisieren muss. Dazu warten 1,3 Tonnen frisch geerntete Oliven auf den Weitertransport ins Dorf Salernes, wo sie zu rund 160 Litern Öl gepresst werden. Der 55-jährige Gastgeber ist ganz in seinem Element. Spontan auf komplexe Situationen zu reagieren, schnell neue Lösungen zu finden und aus allem das Beste zu machen, ist seine grosse Stärke.

Florierender Gasthof
1997 übernahm Patrick Hemmelmayr als gelernter Koch und Absolvent der Hotelfachschule Thun den Gastronomiebetrieb seiner Eltern in Birr. Das Hotel und Restaurant Bären war bald nicht nur weitherum für seine gute Küche, sondern auch für das kunstvolle Interieur des Gastgebers bekannt, der in seinem Zweitberuf ein leidenschaftlicher Maler ist. Regelmässig veranstaltete er Ausstellungen und andere kulturelle Events und brachte den Betrieb zum Florieren. Der Preis, den er dafür bezahlte, war ein überdurchschnittlich hoher und kräfteraubender Arbeitsaufwand von 14 bis 16 Stunden pro Tag.

Patrick Hemmelmayr und seine Frau Natascha haben in Frankreich eine neue Heimat gefunden. (Bild: zVg)

Fügung des Schicksals
Nach 19 Jahren war für Hemmelmayr die Zeit reif, sein Leben in völlig andere Bahnen zu lenken. Er war in seinen Vierzigern und hatte mit Natascha endlich die Partnerin gefunden, mit der er eine Familie gründen wollte. Geheiratet wurde in der Provence, einer Herzensgegend von Hemmelmayr, dessen Mutter Französin ist. Schon ein Jahr nachdem sich die zwei kennengelernt hatten, kam Tochter Mounya zur Welt, der Sohn Amaury und später der kleine Mayel folgten. «Statt mich nur für das Geschäft aufzuopfern, wollte ich mehr Zeit haben: für meine Malerei und vor allem für meine Frau und den Nachwuchs», bekundet er. Es schien eine Fügung des Schicksals zu sein, dass Natascha im Internet die Ausschreibung eines etwa 7,5 Hektaren grossen Grundstücks mit Herrenhaus und Nebengebäude in der Haute Provence entdeckte. Spontan reiste das Paar nach Salernes und war vom alten Weingut, das auch früher touristisch genutzt wurde, sofort begeistert. Man wurde sich handelseinig. «Ein Quadratmeter Agrarland kostet in Frankreich rund einen Euro», erklärt Hemmelmayr und fügt hinzu, «allerdings mit der Verpflichtung, es zu bewirtschaften.»

Lebens- und Herzensprojekt
Mit viel Energie stürzte sich Hemmelmayr in die Arbeit. Legte selbst Hand an beim Umbau der renovationsbedürftigen Bauten, aus denen hübsche landestypische Gastzimmer und -wohnungen mit Bädern, ein grosser Seminarraum und ein Malatelier entstanden. Aus den Früchten der 160 Olivenbäume – ungefähr die Hälfte davon ist selbst angepflanzt – wird seither das eigene Öl hergestellt. Für die knorrigen Gewächse vergibt er Patenschaften. Die Trauben von den 2,5 Hektaren Reben werden zu Weinen der Marke Domaine Hemmitage weiterverarbeitet. Rund 600 Flaschen waren es im letzten Jahr. Jede einzelne ist mit einem unterschiedlichen, handsignierten und künstlerisch gestalteten Etikett von Hemmelmayr versehen. «Wein- und Olivenölproduktion sind aber bloss ein Hobby. 80 Prozent unseres Einkommens beziehen wir aus dem Tourismus», sagt der multitalentierte Gastgeber, der ausserdem zahlreiche Malkurse und Workshops gibt. «Oft kommen Geschäftsleute hierher, die zwar im Alltag erfolgreich sind, aber den Glanz in ihren Augen verloren haben. Sie sind in einem Hamsterrad gefangen. Hier können sie loslassen, barfuss laufen, die Erde spüren und einfach mal sich selbst sein.»

Ihn selbst erden seine Frau und seine Kinder. «Ich bin heute strukturierter und pflichtbewusster als früher und rundum zufrieden. Selbst wenn ich dafür den Gürtel enger schnallen musste und mit weniger Komfort lebe als in der Schweiz.» In Frankreich hat der Gastgeber und Künstler sein Glück gefunden.