In Portugal kamen 1961 zwei Studenten ins Gefängnis, weil sie auf die Freiheit angestossen hatten. Angespornt durch diese Zeitungsmeldung, setzte sich der Londoner Rechtsanwalt Peter Benenson dafür ein, eine Hilfsaktion für Menschen in solchen Situationen auf die Beine zu stellen. Er rief die Menschen dazu auf, Briefe an die Regierungen von Staaten zu schreiben, in denen Menschen aus politischen Gründen gefangen gehalten werden. In den Briefen sollten sie sich für deren Freilassung einsetzen und deutlich machen, dass das Schicksal der Gefangenen nicht vergessen sei. Aus der Aktion «Appeal for Amnesty, 1961» ging die Nichtregierungsorganisation Amnesty International hervor, die inzwischen in 75 Ländern operiert und sich für ein breites Spektrum von Themen im Zusammenhang mit Menschenrechten einsetzt. Seitens der Lokalgruppe Baden freute sich Felix Kirchhoff, dass er am Sonntag die Geschäftsführerin von Amnesty Schweiz, Alexandra Karle, auf dem Bahnhofplatz, inmitten des Winterzaubers, zu einem Interview begrüssen durfte. Nebst einem ausführlichen geschichtlichen Rückblick äusserte sich Karle über die Struktur und die aktuellen Schwerpunkte der Arbeit von Amnesty International, wobei der Fokus auf dem diesjährigen Briefmarathon lag.
22 Jahre Briefmarathon
Initiiert wurde der Briefmarathon am 10. Dezember 2001 von einer lokalen Gruppe der polnischen Sektion von Amnesty International in Warschau. Gemeinsam hatten die Teilnehmenden während 24 Stunden 1000 Briefe geschrieben. Der Aktion war ein grosser Erfolg beschieden, und so beteiligten sich zwei Jahre später bereits Ländersektionen auf der ganzen Welt an der jährlichen Aktion. «Damit setzen sich die Menschen mutig für die Menschenrechte ein», so Alexandra Karle. In diesem Jahr gilt der Fokus des Briefmarathons den Menschen, die sich für ihre Heimat, die Umwelt, für Frauenrechte und die Gerechtigkeit einsetzen. Es gilt, zahlreiche Briefe zu schreiben, um das Leben von Menschenrechtsverteidigerinnen und -verteidigern, deren Rechte bedroht oder verletzt werden, nachhaltig zum Besseren zu ändern. Seit die Kampagne 2001 ins Leben gerufen wurde, ist das in mehr als 100 Fällen gelungen. Im zu Ende gehenden Jahr setzt sich Amnesty International konkret für sechs Menschenrechtsverteidigerinnen und -verteidiger aus Australien, Brasilien, Kirgistan, Myanmar und Polen ein. Die polnische Aktivistin Justyna Wydrzyǹska verhalf einer Frau, die sich in einer missbräuchlichen Beziehung befand, zu einem sicheren Schwangerschaftsabbruch. «In Polen ist das jedoch eine Straftat, ausser die Schwangerschaft ist auf eine illegale Handlung wie Vergewaltigung zurückzuführen oder gefährdet die Gesundheit der Frau. Justyna Wydrzyǹska wurde angeklagt und verurteilt – ein gefährlicher Präzedenzfall», so Alexandra Karle.
Briefe können Leben verändern
Durch E-Mails, Tweets und Facebook-Nachrichten hat das Schreiben von Briefen an Bedeutung verloren. Trotzdem zeigt sich, dass eine grosse Anzahl von Briefen an die Regierung eines Landes oder an den CEO eines Konzerns ein Menschenleben verändern kann. In Baden sammelte die lokale Amnesty-Gruppe am Samstag 175 Unterschriften von Menschen, die sich für ihr Anliegen aussprechen. «Die Erfolge des Briefmarathons zeigen, welche Wirkung Briefe für bedrohte und verfolgte Menschen haben können. Dadurch wurden zahlreiche Gefangene aus der Haft befreit. Die Briefe sind ausserdem ein wichtiges Zeichen der Solidarität für die Betroffenen und ihre Familien», sagt Alexandra Karle. Seitens der aus Jugendlichen und Erwachsenen bestehenden Lokalgruppe Baden, die jährlich um die fünf Veranstaltungen wie Podiumsdiskussionen und Filmabende organisiert, freut man sich jederzeit über neue Mitglieder. «Die freiwillige Arbeit in der Lokalgruppe eröffnet vielfältige Betätigungsfelder für alle möglichen Talente. Mit einem Engagement bei uns können alle in die Menschenrechte investieren, um diese zu stärken», so Felix Kirchhoff. Wer einen Beitrag an den Briefmarathon leisten will, kann unter amnesty.ch eigene Briefe verfassen.