Ein Sprachrohr mit Zukunft

Nielufar Saffari aus Baden hat es mit dem Start-up Dolmx auf die Liste «30 under 30» des Wirtschaftsmagazins Forbes geschafft.
Nielufar Saffari: «Dolmx ist eine rein webbasierte Lösung». (Bild: mpm)

«Ich liebe Baden!» Diesen Satz nimmt man Nielufar Saffari sofort ab. Die quirlige 28-jährige Wienerin mit iranischen Wurzeln kam im Jahr 2021 in die Schweiz und lebt seit 2022 in Baden. Sie ist CEO der Dolmetschplattform Dolmx und wurde dieses Jahr auf der Liste «30 under 30» des Wirtschaftsmagazins «Forbes» geführt. Zuvor hat sie in Wien am Zentrum für Translationswissenschaften das Studium Transkulturelle Kommunikation abgeschlossen und anschliessend als freiberufliche Dolmetscherin für NGO gearbeitet. «Ich dachte mir, wenn ich schon das Privileg habe, an der Universität so viel Wissen zu erhalten, dann möchte ich das gern weitergeben – denn Wissen sollte allen zur Verfügung stehen.» Deshalb hat sie nach dem Abschluss des Studiums begonnen, Workshops für ehrenamtliche Dolmetscherinnen und Dolmetscher zu geben, während deren auch Themen wie Abgrenzung und Berufskodex diskutiert wurden. Denn Dolmetschen ist nicht nur reine Übersetzung: «Es braucht viel Empathie, und oft wird man mit Erwartungen konfrontiert, die über die Kompetenz des Dolmetschens hinausgehen. Man muss sich aber dessen bewusst sein, dass man ‹nur› Dolmetscherin ist, also nur hier ist, um die Kommunikation zu ermöglichen. Dass man ein Sprachrohr für die beteiligten Personen ist, ein Instrument.»

Nielufar Saffari hat in Wien studiert und wohnt heute in Baden. (Bild: mpm)

Community-Interpreting
Nielufar Saffari arbeitet im Bereich des sogenannten Community-Interpreting. Dabei geht es um das Dolmetschen in alltäglichen Bereichen: bei der Polizei, in Schulen und Spitälern, bei Behördengängen und so weiter. «Das Community-Interpreting ist eine Folge der Migration», erklärt Saffari. Im Gegensatz zu Österreich biete die Schweiz die besseren Rahmenbedingungen für diese Arbeit. «Das Bewusstsein für diese Thematik ist hier einfach grösser», ist Saffari überzeugt. So bietet beispielsweise die Schweizerische Interessengemeinschaft für interkulturelles Dolmetschen (Interpret) Zertifikatslehrgänge an, damit man als Community-Interpreter arbeiten kann, ohne sogleich den eidgenössischen Fachausweis absolvieren zu müssen.

Die Dolmetscharbeit wurde durch die Massnahmen der Covid-19-Pandemie stark getroffen, denn es war schwierig, Einsätze vor Ort durchzuführen. So kam den Gründerinnen und Gründern die Idee, Dolmetscheinsätze über eine Onlineplattform zu ermöglichen, und Dolmx war geboren. «Es ist eine rein webbasierte Lösung», führt Saffari aus. Ein Kunde, beispielsweise ein Spital, loggt sich auf der Onlineplattform ein und erfasst sein Anliegen. Das kann beispielsweise die Verdolmetschung eines Arztgesprächs am Patientenbett sein. Die Vorlaufszeit ist kurz gehalten und beträgt derzeit lediglich 30 Minuten. Die Plattform versendet anschliessend eine E-Mail mit Push-Funktion an die zertifizierten Dolmetscher und Dolmetscherinnen, die freiberuflich für Dolmx arbeiten. Wenn ein Auftrag angenommen wird, können sich beide Gesprächspartner einloggen und per Video das Gespräch starten. «Wir haben hier bei uns eine Testumgebung beispielsweise mit dem Telefon, das an einem Patientenbett befestigt ist», erzählt Saffari. «Der Arzt oder die Ärztin kann dann mit dem Tablet zum Patientenbett gehen und es dort befestigen, sodass wir zu dritt ein Gespräch führen können.»

Die Software ist «Swiss made» und wurde von einem Entwicklerteam von Dolmx selbst programmiert, der Server steht in der Schweiz. «Datenschutz ist ausserordentlich wichtig, und wir speichern letztlich nahezu keine Daten», so Saffari.

Videodolmetschen: Vor- und Nachteile 
Das Konzept ist sehr erfolgreich. Von September 2022 bis heute haben über 3000 Dialoge über diese Plattform stattgefunden, bei 57 vertretenen Sprachen.

«Der Vorteil der Videoübersetzung ist einerseits die Effizienz, indem Wegkosten und Zeit eingespart werden können und eine Übersetzung sehr rasch ermöglicht wird», ist Saffari überzeugt. «Andererseits hilft das Arbeiten über Video aber auch, die Distanz zu wahren – denn als interkulturelle Dolmetscherin bin ich oft in der Situation, dass mich eine Person beispielsweise als Verbündete wahrnimmt, weil ich aus der gleichen Kultur komme, oder auch dass mir jemand zu nahe kommt oder Zwischengespräche führen möchte.»

Gleichzeitig hat das Videodolmetschen Schattenseiten: «Wenn man nach einer Videosession den Anruf beendet, ist man unter Umständen allein und muss mit dem Gehörten zunächst allein zurechtkommen», weiss Nielufar Saffari. Oft seien die Themen ausserordentlich belastend und mit viel Leid und Emotionen verbunden. «Wir bieten unseren Dolmetscherinnen und Dolmetschern niederschwellig an, nach belastenden Dolmetscheinsätzen mit uns in Kontakt zu treten. Wir erinnern sie daran, dass sie nicht verantwortlich sind für das Leid, die Gefühle oder die Probleme und dass sie mit ihrem Einsatz etwas Gutes bewirken und diesen Menschen helfen.»