Pensioniert zu werden, ist grundsätzlich leicht. Doch diesen Schritt nicht als Anfang vom nahenden Daseinsende zu verstehen, sondern als Auftakt in einen völlig neuen Lebensabschnitt, kann herausfordern. Vor allem die Vorstellung, dass es mittlerweile gut sein kann, dass die Lebensphase Altern ähnlich lange dauert, wie das Berufsleben. «Ich bin ein Leitungstier. Es entspricht mir, zu führen, zu prägen und zu gestalten.» Das sagt Thomas Jenelten. Auch er gehört zu den stärksten Babyboomer-Jahrgängern, die nun nach und nach in Rente gehen. Nach dem Theologiestudium und unterschiedlichen beruflichen Stationen hatte Thomas Jenelten während mehr als fünfzehn Jahren die Leitung der Pfarrei Peter und Paul in Aarau inne. «Ich hätte mir auch vorstellen können, Arzt oder Geologe zu werden. Doch mir entspricht das Soziale. Menschen zu begleiten und zu unterstützen, ist mir zentrale Motivation.» Die Leitungsfunktion beanspruchte ihn aber stark im Management. Dem Wunsch folgend, wieder hauptsächlich Seelsorger zu sein, wechselte er vor zehn Jahren ans Regionale Pflegezentrum Baden (RPB). «Meine Idee war, verfügbar zu sein für die Bewohnerinnen, Bewohner und Mitarbeitenden. Einfach Zeit für sie zu haben.» Dies habe sich erfüllt, doch «es war ein happiger Rhythmuswechsel», so der bald 65-Jährige, der bis Ende April auch kantonaler Polizeiseelsorger ist. «Und ich hätte beim Stellenantritt nicht gedacht, dass die Arbeit im RPB mir täglich Lebensschule sein wird.»
Den Mut haben, zu altern
Unterschiedliche Modelle, wie man sich mit dem Altern auseinandersetzen kann; wie mit Einschränkungen umgehen; die Fähigkeit haben, nicht dem Vergangenen nachzutrauern, sondern die Perspektive zu wechseln und den Blick auf das Gute im Jetzt zu lenken: «Ich traf im RPB viele Bewohnerinnen und Bewohner, die mit einem Grundvertrauen durchs Leben gehen. Sie sagen: ‹Es ist wie es ist. Und es ist gut so.› Diese Menschen wachsen in die Tiefe weiter. Ich wünsche mir, dass mir das ebenfalls gelingen wird.»
Auch das Thema «Demenz» brachte den Seelsorger nie ins Fürchten. Bereits zu Beginn seiner Arbeit im RPB absolvierte er dazu eine Weiterbildung. «Alle Dozenten fragten, ob wir uns vorstellen können, wie wir bei eigener Betroffenheit reagieren würden», erinnert sich Thomas Jenelten. Ihm war schon damals klar: «Ich habe keine Angst vor einer Erkrankung. Jedoch hoffe ich auf Menschen, die mich dann gut begleiten.» An dieser Haltung habe sich bis heute nichts geändert. «Es kommt auf das Umfeld an, das dich lesen kann, dich versteht und von dem du Zuwendung bekommst», so der Vorstandspräsident von Alzheimer Aargau, der zudem in Brugg und Vordemwald Gesprächsgruppen für Angehörige von Demenz-Betroffenen leitet.
Herausfordernd in seiner RPB-Zeit waren für Thomas Jenelten die Coronajahre. «Das Gesamtpaket war eine Wucht. Ich empfand es jedoch als Privileg, arbeiten zu dürfen.»
Eine eigene Methode finden
Ende 2023 war für Thomas Jenelten offiziell Schluss im Regionalen Pflegezentrum Baden. Der Dankesapéro fand Anfang Januar statt. «Damit der Übergang zur nächsten Lebensphase gelingt, ist es wichtig, in würdiger Form aus dem Berufsleben verabschiedet zu werden.» Weiter rät Thomas Jenelten, der als Dichter tätig ist und auch an der Akademie für Achtsamkeit und Resilienz in Lenzburg lehrt: «Man muss eine Methode finden, um mit dem Getriebensein im Berufsleben zu brechen.» Wieder zu sich zu kommen, sei die Grundidee der Achtsamkeitsbewegung: «Diese Anstrengung ist ein erster, wichtiger Schritt ins Pensionsalter.» Zusammen mit seinem Göttibub, der im Zürcher Weinland einen Bauernbetrieb führt, will Thomas Jenelten darum ab kommendem Frühling eigene, im wahrsten Sinn des Wortes, bodenständige Achtsamkeitskurse anbieten: «Die geplante Woche bietet sowohl eine Einführung in die Achtsamkeitslehre als auch die handfeste Mitarbeit auf dem Hof.»