«Das kann ich nicht» war ihm fremd

Der frühere Architekt und Bözberger Gemeindeammann Hannes Keller ist nach einem bewegten Leben 90-jährig gestorben.
Hannes Keller: Ein schicksalreiches, langes Leben ging zu Ende. (Bild: zVg)

Hannes Kellers Lebenserinnerungen beginnen mit einem Satz, der betroffen macht: «Als Kind armer, mittel­loser Eltern wurde man ausgelacht, geschlagen und mit bösen Worten verletzt.» Er wusste, wovon er sprach, denn ihm widerfuhr dieses Schicksal. Aber die Jugenderinnerungen lähmten ihn nicht, sondern sie stärkten ihn. Fleissig, zielstrebig, seriös – und mit Menschen, die ihn forderten und förderten – erschuf er sich Achtung und Erfolg,

Ein intensives Leben
Hannes Keller brachte es vom Maurerlehrling und Abendtechnikum-Studenten zum Architekten und Unternehmer. Viele Bauten belegen sein Wirken. Als Fachlehrer unterstützte er auch die Ausbildung des Nachwuchses. Von 1974 bis 1980 war er Gemeindeammann in Unterbözberg. Der Gemeinde half er aus der Stagnation. Überdies wehrte er sich gegen die Linienführung der Autobahn A3 über den Bözberg und initiierte das Ortsmuseums. Von jung auf war er der SAC-Sektion Brugg verbunden.

In seinem Leben spielte der Beruf die zentrale Rolle. Ihm war jedoch bewusst, was er seiner Gattin und den vier Kindern zu verdanken hatte. Deren Halt brauchte er besonders bei zwei gesundheitlichen Zäsuren, einem Burn-out 1980 und einem Herzinfarkt 2016. Mit Umsicht regelte er die letzten Dinge. So trennte er sich vor drei Monaten von seinen Kunstwerken. Am 25. Dezember feierte er, geschwächt, den 90. Geburtstag. Drei Tage später liess er los. 

Entbehrungsreiche Jugend
Hannes Keller wurde am Weihnachtstag 1933 als zweitjüngstes von vier Kindern in Kirchbözberg geboren. Die ersten zehn Lebensjahre verbrachte er an fünf Wohnorten. Der Vater arbeitete als Maurer in der Brugger Baufirma Gebrüder Märki. In der Krisenzeit und im Zweiten Weltkrieg war die Bautätigkeit von Dezember bis Februar eingestellt. Arbeitslosenentschädigung gab es nicht. In dieser Zeit besorgte Arnold Keller Flickarbeiten bei Bauern gegen Kartoffeln, Milch, Brot und Schnaps.

Es mangelte an Geld, Nahrung und Kleidung. Die Kinder mussten zum Lebensunterhalt beitragen. Schon in der ersten Klasse erzielte Hannes einen Nebenverdienst als Feldmauser, mit dem der Vater in Habsburg die Steuern bezahlte. Als die Familie nach einem Zwischenaufenthalt in Brugg auf den Bözberg zurückkehrte, kam Hannes ab der vierten Klasse an die Kost zu den Bauersleuten Otto und Gritli Keller. Bei ihnen hatte er es gut. Schulpflegepräsident Keller sorgte dafür, dass der widerwillige und überforderte alte Dorfschullehrer dem intelligenten Fünftklässler das Anmeldeformular für die Bezirksschule aushändigte.

Maurerlehrling wider Willen
Die Brugger Bezirksschulzeit bezeichnete Hannes als seine schönsten Jugendjahre. Er wollte noch die vierte Bezirksschulklasse absolvieren und Lehrer werden. Doch der Vater befahl ihm, den Lehrvertrag als Maurer zu unterschreiben. Auf keinen Fall gedachte er, in die gleiche Firma wie der Vater einzutreten. Aber er hatte keine Wahl. In den ersten drei Monaten trug er sich mit dem Gedanken abzuhauen. Vertraute Personen redeten ihm zu. So entschied er sich, eine gute Lehre zu machen. Er besuchte trotz der skeptischen Lehrfirma Weiterbildungskurse und schloss die Lehrabschlussprüfung als Zweitbester von 90 Teilnehmern ab. 

Nach anderthalb Jahren Berufspraxis schrieb er sich am Abendtechnikum Zürich als Werkstudent der Architekturabteilung ein. Tagsüber krampfte er als Vorarbeiter neun Stunden auf dem Bau, fünfmal in der Woche drückte er abends und samstagnachmittags die Schulbank. Drei Viertel der Mitstudenten hielten nicht durch. Hannes Keller schaffte es und wurde als diplomierter Architekt HTL Projektleiter bei Architekturbüros in Bern und Luzern. 1961 trat er im Austausch für einige Monate eine Stelle bei Guy, Morgan and Partners in London an; seine junge Familie reiste ihm nach.

Vielfalt an Projekten
1963 eröffnete Hannes Keller mit Kurt Rünzi am Bahnhofplatz in Brugg ein Architekturbüro. Im Laufe der Jahre wechselten die Partner. In Einfamilien- und Mehrfamilienhäusern baute er Wohnraum für 1500 Personen. Dazu kamen Altbausanierungen, neue Postgebäude, Geschäftshäuser, Dorfläden und Landwirtschaftssiedlungen sowie öffentliche Projekte wie Gemeindekanzleien, Schulhäuser und Turnhallen. Ans Herz wuchsen ihm Kirchenrestaurierungen von Bözberg, in Remigen, Birr und Veltheim.

Wenige Monate nachdem Hannes Keller 1963 mit seiner Familie nach Ursprung gezügelt war, wurde er in die Schulpflege Unterbözberg berufen und 1974 aus zwölf Kandidierenden auf Anhieb und mit einem Spitzenresultat in den Gemeinderat und zum Gemeindeammann gewählt. Während seiner Amtszeit sorgte er dafür, dass die Gemeinde als erste im Bezirk Brugg ein Naturschutzreglement bekam, das Landschaftsgebiete, Pflanzenreservate, Ortsbild- und Denkmalobjekte, Naturdenkmäler, Hecken, Feldgehölze und alte Bäume unter Schutz stellte.

Spuren hinterlassen
Mit dem Brugger Unternehmer Clemenz Jost und dem Würenlinger Metallbauer Roland Meier stiess Hannes Keller die Überbauung Rüteli in Unterbözberg an. Das Projekt wurde in erster Linie zur Arbeits­beschaffung und nicht zum Möglichst-viel-Geld-Verdienen aufgegleist. Landkauf und Erschliessung der ersten Etappe mit 13 Einfamilienhäusern an aussichtsreicher Lage gingen ganz auf Privatkosten. Im Laufe der Jahre kamen noch 40 Einfamilien­häuser dazu.

Hannes Keller arbeitete sich von der tiefsten Stufe der sozialen Leiter zu einer charakterfesten, erfolgreichen Persönlichkeit empor. Eiserner Wille und Disziplin haben ihm das ermöglicht. Dazu war ihm auch das Glück des Tüchtigen beschieden. In seinen Lebenserinnerungen schrieb er: «Mir waren die Worte ‹Das kann ich nicht› fremd.» Heinrich Pestalozzi hat es ähnlich formuliert: «Wer sich selbst anspornt, kommt weiter als der, welcher das beste Ross anspornt.»