«Möglich, dass Kino wieder wichtiger wird»

Im Cinema Excelsior findet «Horror Double Fearture Lunch Cinema Extravaganza» zum 22. Mal statt. Nach der Pandemie erholen sich die Eintrittszahlen der Kinos. Zwei Kenner erzählen, mit welchen ungewöhnlichen Formaten sie Erfolg haben.
Kinobetriebsleiter Stephan Filati und Filmfestivalleiter Michel Frutig im Cinema Excelsior, wo am Samstag das Jubiläum gefeiert wird. (Bild: nb)

Stephan Filati und Michel Frutig, laut den neuesten Auswertungen des Bundesamts für Statistik haben Schweizer Kinos 2023 über 10 Millionen Eintritte registriert. Im Vergleich zur Situation vor der Pandemie liegt diese Zahl jedoch um 13 Prozent tiefer. Hat das Kino eine Zukunft?
Stephan Filati: Das Kino wurde schon viele Male totgesagt und hat sich doch immer wieder erholt. Die letzten zwei Jahre nach der Pandemie sind die Besucherzahlen wieder gestiegen und nun fast wieder so hoch wie vor der Pandemie. Deshalb gehe ich davon aus, dass sich das Kino weitgehend erholt.

Welche Rolle spielen die Streamingdienste bei dieser Prognose?
Michel Frutig: Die meisten Streamingdienste sind defizitär. Ich glaube, die grossen Studios merken langsam, dass sie mit ihrer Streamingstrategie ihre grösste Einnahmequelle, die Kinoauswertung, kannibalisiert haben. Erfolgreiche Kinofilme zu machen, wird immer teurer, und selbst die grössten Blockbuster rentieren häufig nicht mehr. Es kann gut sein, dass es bald zu einem Kurswechsel kommt und das Kino wieder wichtiger wird.

Wäre ein Kinoformat denkbar, bei dem zum Beispiel Netflix-Serien zuerst ins Kino kämen?
Filati: Es wäre eine Überlegung wert, aber die rechtliche Umsetzung ist fast nicht möglich.

Schweizerinnen und Schweizer gingen 2023 durchschnittlich ein bis zwei Mal ins Kino. Wie sieht das bei den Regional- und Lokalkinos aus?
Filati: Es ist tatsächlich so, dass die Schweizerinnen und Schweizer nicht so häufig ins Kino gehen, wie das beispielsweise in unseren Nachbarländern der Fall ist. Zudem hat es in den letzten Jahren eine verstärkte Zuschauerabwanderung vom Land zur Stadt gegeben.

Im Cinema Excelsior wird dem Publikum eine grosse Variation an Formaten geboten, wie Filmmarathons, thematische Filmreihen, Opernübertragungen, Multivisionsshows, Stummfilme mit Livemusikvertonung, Premieren mit Filmgesprächen – und Double Features. Was hat es mit diesen auf sich?
Frutig: Double Features sind Kinodoppelvorstellungen, die es in den USA bereits seit den 30er-Jahren gibt. Über die Jahre wurden immer wieder neue Formen davon populär. Meist werden thematisch passende Filme gezeigt. Unser Vorbild sind aber die 70er-Jahre, als B- und C-Movies, also Filme mit kleinem Produktionsbudget, oft als Doppelvorstellung gezeigt wurden.

Wie kamen Sie auf die Idee, dieses Kinoformat in die Schweiz zu holen und im Cinema Excelsior zu etablieren?
Frutig: Wir überlegten uns, die Fans obskurer Filme sowohl ans Brugggore-Filmfestival als auch unter dem Jahr mit monatlichen Vorstellungen in die Kinos zu holen, und haben deshalb die Double Feartures in die Schweiz geholt. Fearture ist übrigens bewusst falsch geschrieben und vom englischen Wort «fear», also «Furcht», abgeleitet.

Haben Sie festgestellt, dass andere Kinos in der Region oder schweizweit das Double-Feature-Format nun ebenfalls ausprobieren, oder ist das nach wie vor einzigartig im Cinema Excelsior?
Frutig: Es fällt vor allem auf, dass mehr und mehr Kinos mit Spezialprogrammen experimentieren und zudem Horrorklassiker an Beliebtheit gewinnen. In der Deutschschweiz zumindest sind wir aber bis jetzt die Einzigen, die gezielt solche Raritäten und Filmklassiker als Double Feature zeigen.

Stephan Filati, braucht es als Kinobetriebsleiter Mut, an den Double Features trashige B- oder C-Movies zu zeigen?
Filati: Nein, eher weniger. Es kommt vielmehr darauf an, in welchem Zusammenhang man die Filme zeigt. Wer heute ein regionales Kino betreibt, muss innovative Formate bringen. Wenn man solche Formate in ein bestehendes Programm einbettet, ist es etwas Neues und Spezielles und kann gut funktionieren. Es wäre mutig, wenn man es ohne Zusammenhang zeigen würde.

Welche Filme haben die Kino­besucherinnen und -besucher am Double Fearture bislang am meisten begeistert?
Filati: «Big Trouble in Little China», «Der weisse Hai», «Død Snø» («Dead Snow»), «Return of the Killer Tomatoes» und «Gremlins» zählten bis anhin zu den erfolgreichsten Filmen.
Frutig: Für ein ausverkauftes Kino sorgte die nicht ganz ernst gemeinte Kombination des Schweizer Heimatfilmklassikers «Heidi und Peter» (1955) mit der freien Neuinterpretation «Mad Heidi» (2022), wo eine rebellische Heidi einem diktatorischen Käsemogul den Garaus macht.

Was für ein Publikum sprechen die Double Features an?
Filati: Man merkte in der letzten Zeit, dass viele junge Erwachsene gern Horrorfilme in den Kinos schauen.
Frutig: Die Double Feartures sprechen aber auch ältere Generationen an, weil sie die Filme aus ihrer Jugend kennen, aber noch nie auf der grossen Leinwand gesehen haben, und weil es für einige ein Stück Nostalgie bedeutet, solche ausgewählten Filme zu sehen.

Für das Double Fearture am Samstag ist ein Jubiläum angekündigt.
Frutig: Am Samstag feiern wir zum 22. Mal die «Horror Double Fearture Lunch Cinema Extravaganza». Das Motto wird dieses Mal «Unfriendly 80ies alien takeover» sein: ausserirdische Parasiten, die es auf Menschen abgesehen haben. Es sind die Filme «Brain Damage» und «Night of the Creeps», die wir dafür ausgewählt haben. «Night of the Creeps» war einer meiner ersten Horrorfilme, die ich im Verborgenen, bei meinem Cousin, auf einem alten Röhrenfernseher gesehen habe. Deshalb freue ich mich ganz besonders darauf. Die ersten 22 Ticketbuchungen bekommen eine Jubiläumsüberraschung.

Samstag, 27. Januar, 12 Uhr
Cinema Excelsior, brugggore.ch