Die vermeintlichen Entenküken

Der Zwergtaucher ist der Vogel des Jahres 2024 und ein Botschafter für gesunde Gewässer. Noch können wir dem Zwergtaucher in der Region begegnen. Damit das so bleibt, müssen wir unseren Gewässern Sorge tragen.
Zwergtaucherküken benützen ihre Eltern gern als Wassertaxi. (Bild: bhe)

Vogelbeobachtung an der Alten Aare beim Brugger Schwimmbad: Eine Mutter macht ihre zwei Kinder auf eine Gruppe kleiner Wasservögel aufmerksam: «Schaut mal, die herzigen Entenküken!» Wir teilen die Freude an dieser Beobachtung, machen die Familie aber darauf aufmerksam, dass das keine Entenküken seien, sondern Zwergtaucher – und zwar ausgewachsene. «Was, die werden nicht mehr grösser?», sind die Kinder erstaunt und freuen sich, dass sie eine neue Vogelart entdeckt haben.

In der Tat werden Zwergtaucher oft mit jungen Enten verwechselt. Sie sind nur wenig grösser als eine Amsel, und mit ihrer rundlichen Form und dem aufgeplusterten Gefieder gleichen sie einem Entenküken. Mit den Enten sind die Zwergtaucher jedoch nicht verwandt. Sie gehören zur Familie der Lappentaucher wie beispielsweise die grösseren und bekannten Haubentaucher. 

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Das Schlichtkleid des Zwergtauchers ist hellbraun, die Farben wirken verwaschen.

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Das Prachtkleid ist intensiv und dunkler gefärbt und leuchtet rostbraun, auffällig ist der gelbe Schnabelwinkel. (Bilder: BHE)

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Trillern im Duett
Bei den Zwergtauchern unterscheiden sich Männchen und Weibchen kaum. Zwischen August und Dezember tragen sie ihr Schlicht- oder Winterkleid, von Januar bis April wechseln sie ins Prachtkleid. Die Balzzeit beginnt im März/April. Charakteristisch sind in dieser Zeit die aus dem Schilf tönenden Balztriller, Männchen und Weibchen trillern auch im Duett. Das klingt wie das hohe Wiehern eines Pferdes. Der bevorzugte Lebensraum der Minitaucher während der Brutzeit sind kleinere Stillgewässer und langsam fliessende Bäche oder Flüsse. Eine wichtige Voraussetzung sind Verlandungszonen und eine genügend dichte Ufervegetation, beispielsweise ein Schilfgürtel. Nahrungsvorkommen mit Wasserinsekten und Fischchen spielen ebenfalls eine Rolle. Als wendiger Taucher holt der Zwergtaucher Fische bis 10 Zentimeter Länge aus einer Wassertiefe von bis zu 2 Metern. Das Nest des Zwergtaucherpaars ist gut versteckt in der Ufervegetation, im flachen Wasser ist es ein aufgeschichteter Haufen aus Pflanzenteilen. In der Regel gibt es zwei Jahresbruten. Die Küken muten wie winzige Badewannen-Schwimmentchen an. Das Dunenkleid der Jungen ist wasserdicht, und sie können bereits in den ersten Lebenstagen gut geschützt die Welt erkunden.

Trotzdem benützen sie ihre Eltern gern als Wassertaxi. Sie klettern auf den Rücken von Mutter oder Vater, machen es sich im warmen Federkleid gemütlich und lassen sich herumchauffieren. Droht Gefahr aus der Luft, tauchen die Altvögel samt Küken unter. Obwohl der Zwergtaucher noch an vielen Orten zu finden ist, gilt er in der Schweiz mit maximal 1300 Brutpaaren auf der Roten Liste als potenziell gefährdet. Um ihn zu schützen, müssen unsere bestehenden Gewässer in gutem Zustand erhalten werden. Sie bilden das Rückgrat einer gesunden In­frastruktur für unsere Biodiversität. Deshalb hat Birdlife Schweiz den Zwergtaucher zum Vogel des Jahres 2024 gekürt. Zusätzlich ist die Schaffung neuer Lebensräume wichtig, die der Zwergtaucher bei guter Eignung gern annimmt. Die Wiedervernässung von Feuchtgebieten auf ehemaligen Flachmoorstandorten, die künstliche Neuanlage von Gewässern, beispielsweise auf Golfplätzen, in Flachmooren oder Auen sowie in landwirtschaftlichen Gebieten, wie es die laufende kantonale Gewässerinitiative vorsieht, bieten dafür gute Möglichkeiten. In unserer Region ist der Zwergtaucher an der Alten Aare oberhalb der Badi Brugg zu beobachten. Auch in den Staustrecken und den langsam fliessenden Abschnitten der Aare oberhalb der Kraftwerke Villnachern und Rupperswil kann man ihm begegnen sowie am Klingnauer Stausee und am Flachsee oberhalb von Bremgarten.