«Chips mached Durscht – Moscht löscht de Durscht»

Ein neues Buch von Museum Aargau beschreibt, wie die Familie Zweifel ab 1970 von Spreitenbach aus die Schweiz mit Kartoffelchips versorgte.
Hans-Heinrich Zweifel steht mit seiner «Kapitänsmütze» inmitten seiner Angestellten des Frisch-Service (Bild um 1962). (Bild: zvg | Museum Aargau)

Wer kennt sie nicht, die orangen und roten Tüten mit dem grossen Z aus Spreitenbach? Dass in den roten Packungen salzige Chips zu finden sind, in den orangen solche mit Paprikageschmack, ist in der Schweiz sozusagen Allgemeinwissen. Wie Cervelat, Aromat, Rivella oder Ovomaltine sind die Chips aus der Schweizer Esskultur heute kaum mehr wegzudenken. Warum frittierte Kartoffelchips in der Schweiz «eingebürgert» wurden und wie es dazu kam, dass ausgerechnet in Spreitenbach eine grosse Chipsfabrik zu stehen kam, ist im Band 2 der Reihe «Aargauer Industriegeschichten» von Museum Aargau nachzulesen. Historikerin Ruth Wiederkehr beschreibt darin die Geschichte der Firma Zweifel Pomy-Chips AG. Den Fokus legt sie dabei auf die Aargauer Geschichte des Familienunternehmens, das vor über 60 Jahren in Zürich Höngg mit der Produktion von Chips begann.

Chips für die Ortsbürger
Ab 1958 stieg die Firma, die bis dahin vor allem Wein und Süssmost verkaufte, in die Produktion von Kartoffelchips ein. Hans-Heinrich Zweifel, später Patron in dritter Generation, übernahm damit die Geschäftsidee eines Verwandten aus Rümlang, der unerwartet verstorben war. Ganz nach dem Motto «Chips mached Durscht – Moscht löscht de Durscht» sah er darin eine gute Ergänzung zum Getränkegeschäft des Familienbetriebs. 1962 schaffte Zweifel eine Flotte von zehn VW-Bussen an, um schweizweit frische Chips ausliefern zu können. 1965 wurde die Zweifel Pomy-Chips AG gegründet, deren Absatzzahlen in der Folge derart rasant anstiegen, dass bald ein neuer Standort für die Produktion gesucht werden musste.

Fündig wurde die Familie Zweifel gleich hinter der Grenze zum Kanton Aargau in Spreitenbach, das dank der Autobahn verkehrstechnisch sehr gut gelegen war und ist. Weil sich das Grundstück im Besitz der Ortsbürgergemeinde befand, musste diese über den Handel abstimmen. Im Januar 1969 sagte die Ortsbürgerversammlung Ja zu einer Landabgabe im Baurecht, woraufhin Unternehmenschef Hans-Heinrich Zweifel der nächsten Versammlung im Sommer zum Dank Pommes-Chips spendierte. Schon im Frühling 1970 startete in Spreitenbach die Produktion.

Zweifel Chips

Heute: In grossen Behältern – je nach Gewürzmischung – warten die Chips darauf, verpackt zu werden. Das geschieht vollautomatisch. Die fertigen Beutel kommen in Wellkartonschachteln. (Bild: Archiv | pbe)

Zweifel Chips

Damals: Arbeiterinnen bereiten in Handarbeit die Chipsverpackungen für die Lieferung vor. (Bild: zVg | Museum Aargau)

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Exemplarisch für dengesellschaftlichen Wandel
Rudolf Velhagen, Chefkurator des Museums Aargau und Projektleiter der Publikation, sagt, dass die Zweifel Pomy-Chips AG exemplarisch für den Wandel der Gesellschaft zu einer Konsum- und Freizeitgesellschaft in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts stehe: «Der Aargau trug mit seiner industriellen Produktion und Shoppingcentern im Grünen sowie Verbrauchsgütern zur Versorgung der Massen massgeblich zu diesem Wandel bei. Zur modernen, von den Vereinigten Staaten von Amerika inspirierten Lebensweise, die im Zeichen der Beschleunigung und der Effizienz stand, gehörten auch neue Essgewohnheiten wie Fertiggerichte und das Snacking mit Pomy-Chips von Zweifel.»

Ökologische Weltpremiere in Spreitenbach
Dass der Goodwill der Gemeinde Spreitenbach von 1970 weiter anhält, zeigt zum Beispiel die Umbenennung der früheren Chesselstrasse in Zweifelstrasse. Genauso der Entscheid der Spreitenbacher Einwohnergemeindeversammlung vom November 2022, die grossmehrheitlich den Verkauf einer 1000 Quadratmeter grossen Strassenparzelle an die Zweifel Pomy-Chips AG bewilligte. Zweifel sei «eine wichtige Firma in Spreitenbach», wird Gemeindepräsident Markus Mötteli im Protokoll zitiert. «Wir alle haben ein Interesse daran, dass Zweifel in Spreitenbach bleibt. Damit das so bleibt, muss sich die Firma weiter entwickeln können», sagte Mötteli an der Gemeindeversammlung. Mit dem Landverkauf wolle man helfen, die geplanten Ausbauten zu ermöglichen. Laut Angaben von CEO Christoph Zweifel soll in Spreitenbach bald das «erste fossilfreie Chipswerk der Welt» entstehen. Die Hauptzutaten Kartoffeln und Rapsöl sollen weiterhin möglichst zu 100 Prozent aus der Schweiz kommen.

Zweifel Pomy-Chips AG in Spreitenbach. Die Geschichte der beliebtesten Snack-Marke der Schweiz. Autorin: Ruth Wiederkehr

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