Fastenbrechen für den religiösen Frieden

Unterschiede zwischen Religionsgemeinschaften bergen Konfliktpotenzial. Beim Fastenbrechen in Wettingen geht es hingegen um Gemeinsames. Knapp 100 Angehörige verschiedener Religionen teilten sich im Pfarreiheim St. Sebastian eine Mahlzeit.
Am Freitag standen Verzicht und Frieden im Zentrum des interreligiösen Fastenbrechens. (Bild: sim)

Dieses Jahr fällt die muslimische Fastenzeit mit jener der Christen zusammen. Die Christen fasten in der Regel während 40 Tagen von Aschermittwoch bis Ostern, wobei die Sonntage von der Fastenzeit ausgeschlossen sind. Fastenzeiten gibt es in beinahe allen Religionen, und die Gründe für das Fasten ähneln sich in den meisten Religionsgemeinschaften. Die Gläubigen fasten, um ihre Seele durch Verzicht zu reinigen.

Gemeinsamkeit Fastenzeit
Auch in anderen Kirchen gibt es verschiedene Buss- und Fastentage. Die Angehörigen der Ostkirchen befolgen vier Fastenzeiten im Kirchenjahr, die in der Regel strenger gelebt werden als die Buss- und Fastentage in der katholischen und evangelischen Kirche. Jüdinnen und Juden fasten an Jom Kippur, dem jüdischen Versöhnungstag im Herbst, und vor anderen Feiertagen.

Etwa um das Jahr 1000 entstand die christliche Tradition, zur Fastenzeit den Altar mit einem sogenannten Hungertuch abzudecken. Die Gläubigen sollten nicht nur auf Fleisch, Alkohol und Sex verzichten, sondern ebenso auf den Anblick des Allerheiligsten. Zunächst wurden dafür schlichte, meist violette Tücher verwendet. Später wurden die Tücher zunehmend aufwendig verziert.

Der Fastenmonat Ramadan ist einer der wichtigsten Monate im religiösen Leben der Muslime, weil in ihm gemäss der Überlieferung erstmals der Koran zu den Menschen herabgesandt wurde. Wie es dort geschrieben steht, fasten Muslime weltweit in diesem Monat von Sonnenauf- bis Sonnenuntergang. Nach einem entbehrungsreichen Tag freuen sie sich, am Abend wieder essen und trinken zu dürfen. Üblicherweise wird das Fastenbrechen im Familien- oder Freundeskreis durchgeführt.

Weil die Fastenzeiten und der Ramadan dieses Jahr zusammenfallen, wollten die im Aargau lebenden Musliminnen und Muslime alle Mitbürgerinnen und Mitbürger am feierlichen Fastenbrechen teilhaben lassen. Der Verband Aargauer Muslime (VAM) lud deshalb am Freitag zum öffentlichen Fastenbrechen.

Feier der geteilten Werte
Der religionsverbindenden Dimension des Fastens nachzuspüren, ist die Idee des interreligiösen Fastenbrechens. Durch die Gegenüberstellung beider Erfahrungen kann man einiges über die andere, aber auch über die eigene Religion und Kultur lernen. Mit knapp 100 Teilnehmenden war das öffentliche Fastenbrechen, das am Freitag im Pfarreiheim St. Sebastian in Wettingen stattfand, gut besucht. Von den Organisatoren wurde lediglich bedauert, dass kein Mitglied des Wettinger Gemeinderats anwesend war. Aus der Politik nahm lediglich die Co-Präsidentin der SP Aargau, Nora Langmoen, am interreligiösen Fastenbrechen teil.

Der Abend wurde vom Wettinger Malik Allawala, Pressesprecher des VAM, moderiert und begann, der islamischen Tradition folgend, mit einer kurzen arabischen Rezitation vom Ennetbadener Malik Redzic. In der rezitierten Koranstelle wird den Musliminnen und Muslimen das Fasten im Ramadan auferlegt. Seine jüngere Schwester Melika trug im Anschluss die deutsche Übersetzung für diejenigen vor, die der arabischen Sprache nicht mächtig sind.

Danach folgte eine Reihe kurzer Ansprachen. So berichtete Markus Heil, Gemeindeleiter der beiden katholischen Pfarreien in Wettingen und jener in Würenlos und somit Gastgeber im Pfarreiheim St. Sebastian, über die Tradition des Fastens im Christentum. Auch im Christentum geht es beim Fasten um die Reinigung von Körper und Seele. Die Art des Fastens ist jedoch nicht so streng geregelt wie im Islam, manche verzichten auf Süssigkeiten, andere auf Fleisch, Kaffee oder Alkohol. «Fasten bedeutet aber nicht nur den Verzicht auf Genussmittel, sondern eine Unterbrechung von Gewohnheiten», erklärte er.

Stefan Moll, Pfarrer bei der evangelisch-methodistischen Kirche Baden, betonte in seiner kurzen Ansprache die praktische Bedeutung des Fastens. Dabei solle der Frieden im Zentrum stehen.

Malik Redzic fiel es zu, den Anwesenden die Bedeutung des Fastens im Islam näherzubringen. Dieses besteht nicht nur aus dem Verzicht auf Essen und Trinken während des Tages. Wie im Christentum gehe es im Islam um die körperliche und seelische Reinigung. Das Fasten solle die Gläubigen Gott näherbringen sowie ihre Geduld und Selbstbeherrschung fördern.

Nach einem Grusswort von Halit Duran, Präsident des VAM, ging der offizielle Teil des Abends mit Gedichten für den Frieden seiner Frau Yasemin, die als Seelsorgerin für den Verband tätig ist, zu Ende.

Und dann war die Zeit für das Fastenbrechen gekommen. Nach dem Gebetsruf (Azan) verrichteten die Musliminnen und Muslime das Abendgebet, und anschliessend genossen alle gemeinsam die Speisen, die wie schon letztes Jahr von den Köchen der Moschee Oberentfelden zubereitet und serviert wurden. Die Organisatoren zeigten sich mit dem diesjährigen Fastenbrechen durchweg zufrieden. Die Vorbereitungsarbeiten für das Fastenbrechen nächstes Jahr sind bereits im Gange.