Milena Moser las und berührte

Die Schweizer Erfolgsautorin folgte einer Einladung der Dorfbibliothek und der Kulturszene Obersiggenthal und las aus ihrem neuen Roman.
Die Autorin Milena Moser mit der Literaturwissenschaftlerin Julia Knapp bei der Lesung in der Aula Unterboden. (Bild: ejo)

Sofia verweigerte sich Milena Moser zuerst. «Ich will mein eigenes Buch», hörte sie Sofia sagen, und so geschah es. «Der Traum vom Fliegen» heisst der neue Roman der Schweizer Autorin, die anlässlich des dritten nationalen Bibliothekstages nach Obersiggenthal kam und mit ihrer Lesung in Sofias Welt entführte. Moderiert wurde der Anlass von Julia Knapp. Die Literaturwissenschaftlerin sorgte für eine autenthische Begegnung mit der Autorin und führte ein spannendes, zum Teil sehr persönliches Gespräch, welches das Publikum in der Aula Unterboden in Nussbaumen begeisterte und gleichwohl zum Nachdenken, aber auch zum Lachen animierte.

«Ich habe wenig Kontrolle über meine Figuren, ich schreibe auf, was ich höre», verriet Milena Moser den über 70 Zuhörenden, bevor sie drei Passagen aus dem Buch las und über dessen Entstehungsgeschichte berichtete. Sie habe schon als Kind Stimmen gehört und aus dieser Behinderung einen Beruf gemacht, fügte sie an und lachte. Die Schriftstellerin, die weiss, wo die Stimmen hingehören – nämlich aufs Blatt –, springt trotz ihrer Fähigkeit auch nach über 30 Jahren beim Schreiben ins Leere und schaut, wo die Reise hinführt. Und Sofia, die sich Milena Moser öffnete, hat sie nicht nur nach Obersiggenthal geführt.

Vom Gefühl, ausgeschlossen und nicht «normal» zu sein
Mit dem Buch «Der Traum von Fliegen» hat Milena Moser viel gute Kritik geerntet. Ihr Roman, der im November 2023 erschienen ist, erzählt berührend von den Auswirkungen der Pandemie auf junge Menschen. Doch er handelt ebenso vom Gefühl, ausgeschlossen und nicht «normal» zu sein, von vermeintlichen Schwächen, die eigentlich potenzielle Stärken sein sollten, und von der Kraft der Freundschaft: Als Sofia von ihren Vätern wegen ihres Übergewichts in die Privatklinik Los Pajaritos an der Westküste der Vereinigten Staaten gebracht wird, denkt sie nicht daran, dünner zu werden. Schliesslich hat sie nicht ohne Grund so viel zugenommen. Sofia will um jeden Preis verhindern, ihre Bodenhaftung zu verlieren. Und ihr Übergewicht gibt ihr Halt.

Nicht gerechnet hat sie mit den neuen Bekanntschaften, die sie in der Klinik macht. So mischen Sofias zurückgezogenes Leben neben ihrer anhänglichen Zimmergenossin Emerald der mysteriöse Blue, die ständig unzufriedene Carmel und der dominante Zach, bei dem sich alles nur um ihn selbst dreht, ordentlich auf. Letztlich muss sie erkennen, dass manchmal gerade die Menschen Verständnis zeigen, die zunächst fremd erscheinen.

Zum ersten Mal Grossmutter geworden
«Die Lesung mit Milena Moser war ein Glückstreffer», sagt Sibylle Baumgartner, Leiterin der Dorfbibliothek Obersiggenthal, beim anschliessenden Apéro. Und ein Glückstreffer war der Besuch der Erfolgsautorin im wahrsten Sinne des Wortes. Das Team rund um Baumgartner und die Kulturszene Obersiggenthal hatten per Zufall erfahren, dass sich Milena Moser in der Schweiz aufhält. Die gebürtige Zürcherin, die mit ihrem schwer kranken Mann in San Francisco lebt, reiste im März in die Schweiz, weil ihr erstes Enkelkind zur Welt kam. «Grossmutter zu sein, ist wundervoll», sagte Moser, während sie ihre Bücher si­gnierte. Das Interesse am Buch der Erfolgsautorin, die sich publikumsnah zeigte, war gross und die Stimmung nach der berührenden Lesung irgendwie verträumt.

Nach der Lesung von Milena Moser gab es eine lange Warteschlage. (Bild: ejo)