Der frühe Vogel fängt den Wurm

Eine erfolgreiche Nachfolgeregelung ist komplex. Neben vielen organisatorischen und rechtlichen Aspekten gilt es, das Emotionale zu beachten.
Unternehmensberater Flavio De Nando in seinem Büro in Wettingen. (Bild: pg)

Bei einem Grossteil der KMU handelt es sich um Familienunternehmen, und so wünschen sich viele Inhaber, dass jemand aus der Familie die Firma weiterführt. Der übernehmenden Generation stehen im Vergleich zu früher jedoch viele andere Wege offen. Dabei steht der Wunsch, sich selbst zu verwirklichen, oft im Vordergrund. Das führt dazu, dass der Anteil an familienexternen Unternehmensnachfolgen zugenommen hat.

Was eine erfolgreiche Nachfolgeregelung ausmacht, hat Flavio De Nando von der Aviando Professionals AG in Wettingen in einem Gespräch erläutert.

Flavio De Nando, was muss man für eine erfolgreiche Nachfolgeregelung beachten, und wie viel Zeit ist dafür einzuräumen?
Rund ein Drittel der Unternehmen kann nicht an die nächste Generation übertragen werden. Ein Grund dafür ist unter anderem, dass sich der Inhaber oder die Inhaberin nicht oder zu spät um die Nachfolge kümmert. Verschiedene weitere Aspekte beeinflussen den Erfolg der Unternehmensnachfolge, zum Beispiel: Die verbleibende Zeit bis zur Übergabe wird unterschätzt, die Verflechtung von Privat- und Geschäftsvermögen, Eigentümerstreitigkeiten, Abgänge von Schlüsselpersonen, Inhaberzen­trierung, Sperrfristen, Steuern, Familienkonstellation, vernachlässigte Investitionen in das Unternehmen, Marktbearbeitung, Technologie, Produktion und vieles mehr. Je nachdem, an wen die Unternehmung übertragen wird, gibt es grosse Unterschiede bei der Dauer zwischen dem Erstkontakt von Verkäufer/Käufer und der eigentlichen Übergabe. Es müssen aber schon vor dem Erstkontakt Vorbereitungen getroffen werden, um das Unternehmen angemessen zu präsentieren. Insgesamt kann von einem Richtwert von rund fünf Jahren ausgegangen werden, bis die effektive Übergabe stattfinden kann.

Was gilt es zu berücksichtigen, wenn der Rückzug aus der Unternehmung bezüglich der Vorstellungen an die eigene Zukunft gelingen soll?
Durch eine Analyse sollte man sich über die persönlichen Wünsche, aber auch über die familiäre Situation klar werden. Soll der Rückzug in einem oder in mehreren Schritten erfolgen, wie soll der Zeithorizont dafür aussehen? Zudem ist es essenziell, sich über die künftige finanzielle Situation sowie über die Eigentumsverhältnisse und Entscheidungskompetenzen Klarheit zu verschaffen. Eine Gesamtschau über das Vermögen, allfällige Schulden und ein in die Zukunft gerichtetes Budget ist unabdingbar. Dabei kann es zu wichtigen Erkenntnissen hinsichtlich der Nachfolgeregelung kommen.

Wenn die Nachfolge nicht innerhalb der Familie organisiert werden kann, spielen die Wert- und Preisvorstellungen eine bedeutende Rolle. Worauf muss man ein Auge haben?
Aus Erfahrung kann ich sagen, dass die Nachfolgeregelung von inhabergeführten Firmen oft schwierig ist, da diese von einer Person, also vom Unternehmer oder von der Unternehmerin, abhängig sind. Zieht sich diese zurück, fehlen unweigerlich personelle und finanzielle Ressourcen. Solche Unternehmen müssen sich frühzeitig Gedanken machen, wie und an wen sie den Betrieb weitergeben können. Deshalb sollten beizeiten die personellen Abhängigkeiten entflechtet, die «Leichen im Keller» eliminiert und die Führungs- und Organisationsstrukturen prozessorientiert aufgebaut werden. Wesentlich ist dabei, dass sich der Inhaber oder die Inhaberin früh mit sich selbst für die Zeit ­danach auseinandersetzt, wie zum Beispiel mit Hobbys oder neuen Aktivi­täten. Dabei sollte das Thema Partnerschaften mit gleichgelagerten Unternehmen oder auch ein Verkauf an das Management des eigenen Unternehmens, ein sogenanntes Management-Buy-out, angesprochen werden. Egal, ob Verkauf an Dritte oder eine familieninterne Übergabe, es ist gleichermassen wichtig, sich auf eine realistische Bewertung des Unternehmens abstützen zu können. Um die Bewertung auf ein aussagekräftiges Fundament zu stellen, ist es bedeutsam, sich frühzeitig mit dem Unternehmenswert auseinanderzusetzen. Viele Unternehmen sind unbezahlbar, weil zum Beispiel noch die Immobilie im Unternehmen eingebunden ist. Deshalb sollte alles, was nicht notwendig für den Betrieb ist, aus dem Unternehmen ausgeschieden werden. Dazu ist eine Planung der rechtlichen, finanziellen und steuerlichen Auswirkungen für das Unternehmen und den Inhaber oder die Inhaberin unabdingbar.

Neben der klassischen familieninternen Nachfolge, die zum Beispiel in Form eines Erbvorbezugs erfolgen kann, kommt es in vielen Fällen zum Verkauf an Dritte. Wo liegen die Knackpunkte?
Einerseits scheitern Verhandlungen im Nachfolgeprozess an den Preisvorstellungen, andererseits am Profil des Nachfolgers, am Ego des Inhabers oder an den verschiedenen Wertvorstellungen der Parteien. Das Gelingen des Generationenwechsels ist ausserdem mit der Unterzeichnung des Vertrags noch nicht gewährleistet. Aus eigener Erfahrung und aus meiner Praxis durch die Begleitung verschiedener Nachfolgeprozesse erachte ich folgende Punkte als relevant, damit eine Übergabe in der Umsetzung gelingt:

Tipps für Unternehmer und Unternehmerinnen
– Nur so viel Kapital im Unternehmen lassen, wie für den Betrieb notwendig ist
– Bereit sein, mental und emotional loszulassen
– Entscheidungen treffen und Rad nicht mehr zurückdrehen
– Bereitschaft für Veränderungen, Ideen des Nachfolgers zulassen
– Offene, ehrliche und konstruktive Kommunikation mit der nachfolgenden Person
– Für die Übergangsphase neutrale Sparringpartner ins Vertrauen ziehen
– Nicht nachlassen oder aufgeben, wenn es mit der Wunschkonstellation nicht klappt
– Überbrücken der Unternehmensführung mit Manager auf Zeit, bis die definitive Nachfolge geregelt ist

Tipps für Nachfolger und Nachfolgerinnen
– Vorstellungen aufzeigen, wie das Unternehmen weiterentwickelt werden soll
– Wertschätzung und Respekt gegenüber Vorgänger und seinem Werk zeigen
– Aufbau einer Vertrauensbasis durch Einbeziehen des Vorgängers in Entscheidungsprozesse
– Von Anfang an klare Verhältnisse bezüglich Aufgaben, Verantwortungen und Kompetenzen ­schaffen
– Offene, ehrliche und konstruktive Kommunikation mit dem Vorgänger und dem Team
– Zuhören und Erfahrungsschatz, Wissen und Netzwerk des Vorgängers nutzen
– Konsequente Ausrichtung des Teams auf das künftige Tun und die Neupositionierung am Markt
– Motivieren des Teams durch Umsetzen kurzfristiger Verbesserungsmassnahmen