Der Eieraufleset war ein deftiger Spass

Am Sonntag, 7. April wurde der Eieraufleset in Effingen mit einigem Laufeinsatz seitens Pferd und Läufer zelebriert. Eine Nachlese.
Das Hochsetspäärli, das zu den Grünen und damit zum Frühling zählt, wird vom Hobelspänler vermöbelt. (Bild: cd)

Zu sehen waren dieses Jahr wieder die grauslich plumpen Gestalten, die sogenannten Dürren, die den Winter symbolisiseren. Es sind das der Straumuni, ein mit leer gedroschenem Stroh – Politiker? – vollgestopfter Dicksack, der Hobelspänler, ein mit dürrem Holz – loses Geschwätz? – behangener Trampel, und der Schnäggehüsler, der uns mit seinen leeren Schneckenhäusern an den Zerfall alles Lebendigen erinnern will. Dass hier grimmige Erdgötter angedeutet sind, kann man mythologisch so sehen, muss man aber nicht. Sie sind auch so eindrücklich genug. Durchaus zu verstehen sind hingegen die beiden maskierten klapprigen Figuren: die Alte und der Alte. Sie symbolisieren neben dem Vergänglichen das Herkömmliche und, wenn man will, das unbeweglich Beharrende.

Die Grünen
Als Gegenwelt zu den Wintergestalten beherrschen die Grünen – gemeint ist nicht die Partei – das Terrain. Es sind vielmehr die Kräfte des keimenden Lebens, dargestellt im Tannästler. Er ist über und über in Tannenreis gehüllt. Ein Zitat aus den «Neujahrsblättern» von 1961: «Eine mittelalterliche Flinte ragt aus dem wandelnden Wald hervor; harmlos rauchend knallt sie gelegentlich, und einmal purzelt der strohgestopfte Hasenpelz wiederum als Fruchtbarkeitsymbol aus den Tannenzweigen hervor.» Begleitet wird er vom Stechpälmer, der als Immergrüner den Winter Jahr für Jahr besiegt. Und schliesslich gibt es den mit Jasskarten übersäten Jasschärtler, der die nicht immer segensreiche Spielfreudigkeit der Menschen verkörpert.

Die Jungen
Als Kontrast zu den beiden Alten promenieren ebenfalls maskiert der Junge – nicht zu verwechseln mit dem helvetischen Knaben – und die Junge als Liebes- und Hochzeitspaar, das dann wohl auch als künftige Eltern. Der Symbolgehalt und die Devise sind offensichtlich: Seid fruchtbar und mehret euch! Und vergessen wir nicht den Hüehnermaa, der junge, Eier legende Hennen anbietet und dessen Wägelchen bisweilen demoliert wird.

Andere Gestalten: Die Neutralen
Dem weit eher realen Dorfleben verpflichtet ist der Polizist, früher der Landjäger. Wie es sich für ein gesundes Staatswesen und die Demokratie gebührt, versucht er, hier meist vergeblich, Ordnung ins chaotische Treiben der Dickwänste zu bringen.

Daneben ist für die Moral gesorgt. Denn für das Metaphysische ist der als einzige Teilnehmer unmaskierte Pfarrer im Schwalbenschwanz und Zylinder zuständig, der ein schweres, schwarzes, dickes grosses Buch mit Goldschnitt unter dem Arm trägt, der Vertreter von Zucht und Sitte, der in der «Eierpredigt» die Dorfmissetaten rügt, aber auch Wohltaten lobt.

Der sportliche Eierlauf
Vom symbolischen Gehalt der Winter-Frühlings-Wende zum eigentlich sportiven Ereignis gelangt, wer den Eierlauf an sich verfolgen. Da der Ablauf zumeist bekannt ist, sei er hier nur in den Grundzügen skizziert. Zu nennen ist vorab der Läufer in weisser Hose und weissem Hemd, roter Paspelierung auf der Hose und mit einer weissen Policemütze mit roter Kokarde auf dem Kopf. Dieselbe Mütze trägt, ebenfalls weiss gekleidet, der Reiter, dem eine besondere Aufgabe zufällt.

Bevor aber der «Eierpfarrer» nun beide zum sportlichen Spiel loslaufen und losreiten lässt, eröffnet er dieses salbungsvoll, wie es sich für Kleriker gehört, mit dem Vers: «Nun will ich euch an eure Pflichten mahnen und schicken euch auf eure Bahnen.»

Den Reiter sendet er in die Nachbardörfer, den Läufer zum Eierlesen auf die Dorfstrasse, wo im Abstand von einem Meter 162 Eier in kleinen Sägemehlkuhlen ausgelegt sind. Der Läufer muss nun eines nach dem anderen aufheben und die weissen Eier in eine mit Spreu gefüllte Wanne am Ende der Dorfstrasse werfen. Das sind summa summarum gut zwölf konditionell fordernde Kilometer, die er quasi als sein «Sacre du printemps» zurücklegt. Sein Kontrahent, der Reiter, reitet als Helfer des Winters in dieser Zeit in die Nachbardörfer. Wieder ein Zitat aus dem Jahr 1961: «Er galoppiert der ganzen Eierbahn entlang zum Dorf hinaus. Seine Aufgabe lautet, jeweilen nach Zeihen und dann nach Hornussen zu reiten, um über Bözen wieder nach Effingen zurückzukehren. In den Dörfern, die ihm als Etappen vorgeschrieben sind, muss er ein Glas Bier leeren, damit festgestellt werden kann, ob er wirklich Einkehr gehalten hat.»

Die Zeit des Ritts entspricht in der Regel der Spanne, die der Läufer zum Eierlesen braucht. Deshalb muss die Reitstrecke genau berechnet werden, damit der Reiter nicht zu früh, aber auch nicht zu spät zurückkommt.

Die Eierpredigt
Ein weiterer Höhepunkt ist die «Eierpredigt» des Pfarrers, der von den kleinen menschlichen Sünden seiner Mitbürger berichtet. Und zwar unter dem Motto: «Hüt isch wieder emol de Tag vom Ei, wenn s öpperem ned passt, so sel er hei.» Zitat von 1961: «Der Pfarrer im Zylinder besteigt die Kanzel, grüsst nach allen Seiten mit dem Hut, den er als Zeichen seiner Würde dann die ganze Zeit aufbehält, und beginnt in seiner heimischen Mundart als eine Art Riesenschnitzelbank (…) köstlich holprige, oft sehr witzige, oft dörflich plumpe Verszeilen nahezu auswendig mit Stentorstimme auszurufen, immer wieder unterbrochen vom Gelächter der Angegriffenen, Angeprangerten, Schadenfreudigen und vor allem von den zu seinen Füssen lagernden Figuren.»

Zu erleben waren die Effinger Frühlingsrituale am vergangenen Sonntag. Dem Vernehmen nach habe sich dieses Jahr ein Besuch umso mehr gelohnt, als man neben dem Spektakel gut verpflegt wurde und überdies vielleicht die tiefere Bedeutung solcher Traditionen erkennen konnte. Dann also in zwei Jahren wieder.

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(Bilder: CD)

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