«Ich war in Baden immer fremd»

Sein Roman «Mr. Goebbels Jazzband» wurde für den Schweizer Buchpreis nominiert. In der Gemeindebibliothek Wettingen wird Demian Lienhard daraus lesen.
Demian Lienhard liest aus «Mr. Goebbels Jazzband». (Bild: zVg | Laura J. Gerlach)

Der Schriftsteller Demian Lienhard liest nächste Woche in Wettingen aus seinem aktuellen Roman «Mr. Goebbels Jazzband» vor. Es ist erst Lienhards zweiter Roman, mit dem er es aber letztes Jahr auf die Shortlist für den Schweizer Buchpreis schaffte. Im Vorfeld der Lesung hat die «Rundschau» dem Schriftsteller, der in Baden aufwuchs, einige Fragen gestellt.

Demian Lienhard, Sie haben in Archäologie promoviert und sind heute als Schriftsteller tätig. Wie kamen Sie dazu?
Ich schreibe eigentlich seit meiner Kindheit und galt schon damals als Geschichtenerzähler. Ich habe mir gern Dinge ausgedacht, die Realität war mir nie genug. Während meiner Promotion wurde mein literarisches Schreiben aber tatsächlich professioneller.

Inwiefern?
Das lag einerseits wohl an der täglichen Schreibroutine, andererseits daran, dass ich neben dem wissenschaftlichen Schreiben das Bedürfnis nach kreativerem und ergebnisoffenerem Schreiben besonders stark verspürte. In der Wissenschaft geht es hauptsächlich um den durch Sprache vermittelten Inhalt, während es in der Literatur mehr um die Sprache selbst geht.

Hat Ihre Ausbildung als Archäologe heute noch einen Einfluss auf Ihr Schreiben?
Obwohl Archäologen als scharfe Beobachter gelten, würde ich das für mich nicht in Anspruch nehmen. Aber da ich für meine Romane sehr viel – auch Historisches – recherchiere, nützt es mir, dass ich in der Archäologie den Umgang mit grossen Mengen von Daten gelernt habe. Genauso ist das gedankliche Wiedererschaffen von Welten eine Fähigkeit, die mir viel gebracht hat.

Ihre bisherigen Werke stiessen im Allgemeinen auf viel Beifall. Was macht Ihrer Meinung nach die Anziehungskraft Ihrer Texte aus?
Das ist schwer zu sagen. Ich lege sicher grossen Wert auf die sprachliche Ausgestaltung, Witz sowie interessante und eigenwillige Figuren. Für jeden Text, den ich schreibe, suche ich nach einem eigenen Stil, der stark markiert und oft witzig ist. Ich glaube, meine Texte stiessen vor allem deshalb auf viel Lob, aber natürlich war manchmal auch Kritik dabei.

Worauf achten Sie bei der Auswahl der Themen für Ihre Romane, und wovon wird Ihr nächstes Buch handeln?
Grundsätzlich interessieren mich widersprüchliche Stoffe und Figuren, die eine grosse Reibungsfläche haben. Der Auswahlprozess ist aber oft langwierig, da sich nicht jeder attraktive Stoff als geeignet für einen Roman herausstellt. Generell müssen mich der Stoff und die Sprache aber über zwei bis drei Jahre hinweg interessieren. Was den Stoff des nächsten Buches angeht, bin ich zu abergläubisch, um es hier zu verraten.

Spielen Musik und insbesondere Jazz eine Rolle in Ihrem privaten Leben?
Ich höre vergleichsweise wenig Musik, zum Schreiben allerdings meistens schon. Zum Jazz gekommen bin ich tatsächlich erst durch meine Romanrecherchen, heute höre ich aber immer mal wieder gern Stücke aus dem Jazz der 30er- und 40er-Jahre.

Wie gehen Sie vor, wenn Sie sich im Zuge der Recherchen für einen Roman in vergangene Zeiten und Lebenswelten versetzen?
Im Grunde ähnlich wie bei der Rekonstruktion von Architektur in der Archäologie: Ich beschaffe mir Bild- und Textquellen des Orts, dann besichtige ich die Schauplätze persönlich. Als Archäologe lernt man, mit stark veränderten Schauplätzen umzugehen.

Sie wuchsen in Baden auf, lebten aber längere Zeit im Ausland und in Zürich. Hat die Stadt heute noch eine Bedeutung für Sie?
Inzwischen lebe ich in Langenthal (BL), und damit schliesst sich der Kreis: Meine Grosseltern und ihre Vorfahren stammen aus dieser Ecke des Bernbiets. Hier treffe ich auf die Schauplätze der Erzählungen meiner Kindheit, und das hat mir selbst in Baden stets gefehlt. Heimisch sein heisst für mich, persönliche Geschichten aus der weit zurückliegenden Vergangenheit erzählen zu können. Solche Geschichten kann ich für Baden nicht bieten, so gesehen war ich wahrscheinlich immer fremd in Baden, und das hat man sicherlich auch an meinem Dialekt gemerkt.

Wie kam es zur Lesung in Wettingen?
Aus meinem letzten Buch habe ich in der Stadtbibliothek Baden gelesen. Dadurch entstand der Wunsch, aus dem zweiten Buch in Wettingen zu lesen.

Donnerstag, 25. April, 19.15 Uhr
Gemeindebibliothek, Wettingen