Die fantastische Festivalstadt Brugg

C-Movies, Arthouse-Features und Hochglanz-Horrorperlen: Das Filmfestival Brugggore verzeichnete in seinem vierten Jahr einen Publikumsrekord.
Claudio Simonetti’s Goblin an der Livevertonung von «Suspiria» im Salzhaus. (BILD: ZVG | MIKE ENICHTMAYER)

«Es ist der Kinoevent für alle, welche die etwas anderen Filme mögen», sagt Michel Frutig, Festivalleiter und Gründer des Brugggore-Filmfestivals. Das Festival lockte vergangene Woche vom 24. bis 27. April zahlreiche Fans des fantastischen Films aus der ganzen Schweiz und dem nahen Deutschland an. Thema in diesem Jahr war «Celebrating the Underdog!» Entsprechend wurde cineastisch das Aussenseitertum erkundet und gefeiert. Mit Filmcharakteren, die nicht der Norm entsprechen, Eigenbrötlerinnen, Einzelgängern, Sonderlingen, Nonkonformistinnen, Geächteten, Ausgeschlossenen oder Wunderlingen.

Exklusive Liveshow
Das Brugggore-Filmfestival wird von einem engagierten Komitee aus Freiwilligen organisiert. Die Festivaltage sind der alleinige Lohn für die Mühe, und entsprechend stolz sind Michel Frutig (Festivaldirektor), Daniel Steffen (Programmdirektor), Salomé Brozman, Alex Büche und Selina Hangartner (alle drei vom Selektionskomitee) sowie Stephan Filati (technischer Leiter) und Katrin Baumann (Kommunikation), dass eine weitere Ausgabe reibungslos und erfolgreich über die Bühne ging. «Der Schweizer Produzent und Regisseur Paul Grau stand uns Rede und Antwort, und wir durften seinen Film ‹Mad Foxes› geniessen. In weiteren Online-Q&A-Sessions schalteten sich Filmemacherinnen und -macher aus Kanada (‹We Are Zombies›), Japan (‹Best Wishes To All›), den USA (‹Last Straw›) und sogar der Mongolei (‹Aberrance›) zu – ‹Aberrance› war der erste mongolische Horrorfilm überhaupt, den wir zeigen durften», erzählt Frutig.

Eine weitere Exklusivität des Festivals war die Liveshow der italienischen Prog-Rock- und Soundtrack-Legenden Claudio Simonetti’s Goblin, die an einem Konzert im Salzhaus den Filmklassiker «Suspiria» live vertonten und eine Best-of-Show spielten. Ein Novum waren zudem die Kooperationen mit dem Animationsfilmfestival Fantoche, dem Theaterfestival Figura und den Brugger Dokumentarfilmtagen, die einen Film präsentierten und anmoderierten. So konnte in diesem Jahr auch der «Horrorzont» erweitert werden.

Der Abspann des letzten Festivalfilms flimmerte am Sonntagmorgen um 5 Uhr über die Leinwand. In drei Kinosälen im Kino Excelsior Grand (180 Plätze), im Kino Excelsior Suite (20 Plätze) sowie im Kulturhaus Kino Odeon (180 Plätze) wurden 46 internationale Spielfilme gemäss dem Festivalmotto «Fantastic Horror And Beyond» gezeigt, 26 davon als Schweizer Premieren. Neben den Neuerscheinungen waren liebevoll kuratierte Retrospektiven zu sehen. Das umfangreiche Programm zog Gäste aus der ganzen Schweiz und sogar aus Deutschland an. Die vierte Ausgabe des Filmfestivals Brugggore verzeichnete einen neuen Rekord. Die 3200 verkauften Einzeltickets bedeuten eine Zunahme von rund 900 Eintritten im Vergleich zum Vorjahr.

Mit 140 Gästen war die französische Produktion «Vermines» (2023) der publikumsstärkste Film. Der Hö- hepunkt des Festivals war die Preisverleihung im vollen Saal des Cinema Excelsior am Samstagabend, die noch mehr internationales Flair nach Brugg brachte. Der «Eye of the Beholder»- Award wurde zum dritten Mal verliehen. Der mit 5000 Franken dotierte Publikumspreis ging dieses Jahr an die kanadisch-französische Produktion «We Are Zombies» (2023). Mit 7,3 von 10 möglichen Punkten liess der Film die vier Konkurrenten aus dem «Official Competition», der für die Publikumswahl bestimmt ist, hinter sich. In einem emotionalen LiveVideocall bedankten sich die Regisseurin und die beiden Regisseure sichtlich gerührt beim begeisterten Publikum und beim Festival-Organisationskomitee.

Mit der gesamten Programm- und detailverliebten Festivalgestaltung sowie der professionellen Organisation hat das Brugggore-Team einmal mehr zusammen mit Besucherinnen und Besuchern den fantastischen Film gefeiert.

Bereits am Tag nach dem Filmfestival vermeldete das Organisationskomitee in einer Medienmitteilung, dass nächstes Jahr vom 23. bis zum 26. April die fünfte Ausgabe des Filmfestivals Brugggore stattfinden wird.

Michel Frutig, Festivalleiter und Gründer
«Das Brugggore-Filmfestival ist entstanden, weil es in der Deutschschweiz an einem Anlass für den fantastischen Film fehlte. Es macht mich unglaublich stolz zu sehen, wie von Jahr zu Jahr mehr Fans von Horrorfilmen und Artverwandtem nach Brugg pilgern. Zwischenzeitlich kennt man viele Gesichter – viele neue lernte ich dieses Jahr kennen. Mehr noch begeistert mich, dass auch die Menschen aus der Region, die Kinos und sogar die Stadt Brugg selbst Freude am Anlass haben. Nicht mehr lang, und wir werden mehr Spielstätten und Hotelplätze brauchen.»
Patrick Peck, Brugg
«Ich finde es cool, dass am Festival Filme gezeigt werden, die sonst praktisch nirgendwo laufen. Hier habe ich meine zweite Familie gefunden, man kennt sich, und es formiert sich eine gute Community. Wir treffen uns zudem unter dem Jahr, zum Beispiel bei den ‹Double Feartures›. Mit einem Kollegen betreue ich einen Filmpodcast. Den blutigen und brutalen Filmen kann ich viel abgewinnen. Besonders freue ich mich auf den Film ‹Rocky Horror Picture Show› am Freitag. Dann habe ich Geburtstag, das passt doch bestens. Im Anschluss an den Film wird eine Party steigen.»
Yven Eichenberger, Winterthur
«Das Filmfestival Brugggore ist der Event für mich. Definitiv! Ich habe sogar ein entsprechendes Tattoo am Arm. Hier blühe ich auf, denn ich bin immer wieder fasziniert von der Kreativität der Filmemacher. Auch lese ich viel Literatur in Sachen ‹Dark›. Die Filmsoundtracks finde ich sehr ansprechend. Mein persönliches Umfeld und mein Bekanntenkreis können meine Leidenschaft nicht ganz nachvollziehen. Es gibt nur diesen einen Kollegen, der das versteht und der mich diese Woche zu einem Film begleitet. Ich freue mich sehr über die Leidenschaft der Organisierenden, so einen Event auf die Beine zu stellen. Ich habe soeben im Hotel eingecheckt und hatte Glück, es war das zweitletzte Zimmer. Ich werde vier Tage in Brugg bleiben.»
Anna Müller, Basel
«Wir sind das zweite Mal beim Festival dabei. Ich mag so schräge Filme und schaue mir solche auch zu Hause an. Mein Freund Henry stammt aus Finnland, und dort sind solche Events eher ‹salonfähig›. Seit ich Teenager bin, bin ich auf diesem Trip, und ich mag die etwas anderen Filme. Es ist schön, dass ich diese Leidenschaft nun mit Henry teilen kann. Wir werden die vier Tage voll geniessen, wir haben uns entsprechende Zutrittspässe gekauft. Sowieso mag ich den Humor in den doch zum Teil ziemlich schlecht inszenierten Low-Budget-Filmen, aber gerade das ist das Spannende daran.»
Kathrin Buchmann, Hamburg, Deutschland
«Wir sind aus Hamburg in acht Stunden mit dem Zug angereist und freuen uns sehr auf die vier Filmtage. Wir wohnen im Hotel und haben vor, uns gegen 25 Filme anzusehen, also die Hälfte, die gezeigt wird. Mit meinem Partner Steffen betreue ich einen Trash-Film-Podcast, und dadurch sind wir auf die Organisatoren des Events aufmerksam geworden. Die zum Teil liebevolle Machart der Filme sowie das Leidenschaftliche daran faszinieren mich. Dass sie ausserdem gruselig sind, macht mir nichts aus – ich bin abgehärtet. Freuen tue ich mich sehr auf den Film ‹She is Conann›. Der ist feministisch angehaucht, was sich ja bestens mit meinem Beruf als Sozialpädagogin überschneidet.»