Weiterknorzen oder das Ganze stoppen?

Trotz offenen Fragen zur Spinnereibrücke soll das Baugesuchverfahren eingeleitet werden. Aber ein Einwohnerrat fordert: Das Ganze halt!
Die Ersetzung der 100-jährigen Spinnereibrücke verzögert sich. Eine Knacknuss ist die Gestaltung des Brückenkopfs mit einer Anpassung des Niveaus auf Windischer Seite. (Bild: hpw)

Es klemmt mit dem Ersatz der baufälligen 100-jährigen Spinnereibrücke Windisch–Gebenstorf. Die beiden Gemeinden bewilligten vor drei Jahren den Gesamtkredit von 4,8 Millionen Franken und wollten das Vorhaben im Winterhalbjahr 2022/2023 ausführen. Denn die berechnete Lebensdauer der 2019 notfallmässig verstärkten Brückenkonstruktion läuft 2024 ab. Sie wird von einem Ingenieurbüro laufend überwacht. Das Projekt verzögerte sich. Die Brücke wurde aber inzwischen Bestandteil einer kantonalen Velohauptroute. Damit stehen Beiträge von Bund und Kanton an das Bauwerk in Aussicht. Doch bestehen mit den angrenzenden Eigentümern Differenzen in der Detailgestaltung des linksufrigen Brückenkopfs.

Knackpunkt Brückenkopf
Für den Zugang zur neuen Brücke, die aus Hochwasserschutzgründen in der Mitte um 1,2 Meter und am Rand um 0,85 Meter angehoben wird, sind Terrainanpassungen nötig. Auf Windischer Seite wird die bestehende, kommunal geschützte Baumallee tangiert. Sie befindet sich teilweise im Eigentum von Anwohnern. Der Gemeinderat strebte mit einem Landabtausch eine Lösung an. Aber die erforderliche Einstimmigkeit der Privateigentümer wurde nicht erreicht. Von den 56 Partizipanten stimmen nur 54 dem Angebot zu. Dem Gemeinderat wird vorgehalten, er sei zu spät auf die Anstösser zugegangen.

Obschon der für die Ausgestaltung des neuen Brückenzugangs wichtige Landabtausch noch nicht in trockenen Tüchern ist, wollen die Gemeinderäte Windisch und Gebenstorf das Baugesuchverfahren nun vor den Sommerferien einleiten, wie sie letzte Woche in einer Medienmitteilung bekannt gaben. Die Ankündigung erfolgte zum selben Zeitpunkt, als ein Einwohnerratsmitglied eine Motion einreichte, die eine grundsätzliche Überarbeitung des Projekts nach dem Motto «Das Ganze halt und zurück auf Feld 1» verlangt.

Der Brückenkopf und die Alleebäume in Windisch sind Projektelemente.   (Bild: hpw)

Rechtssituation klären
Die modifizierten Pläne für den Windischer Brückenzugang sehen vor, die alten Alleebäume zu fällen, das Terrain auf das neue Brückenniveau zu erhöhen, die Wegführung parallel zur Ufermauer zu verlegen, damit eine attraktive Aufenthaltszone zu schaffen und wieder zwei Baumreihen zu pflanzen. Die Behörden sprechen von einer «Optimalvariante». Sie entspricht in groben Zügen einem Vorschlag, den das Netzwerk Spinnereibrücke, das aus Anwohnern, dem Quartierverein und der Quartierentwicklungsgruppe Unterwindisch besteht, dem Gemeinderat vor einiger Zeit unterbreitete.

Mit dem Baugesuchverfahren wolle der Gemeinderat die Rechtssituation klären, sagt die für den Tiefbau zuständige Gemeinderätin Anita Bruderer (FDP). Die Wahrscheinlichkeit, dass gegen das gesamte Brückenprojekt mit dem modernen Brückenentwurf «Kanawaga» Einwendungen erhoben werden, ist gross. Daraus könnten sich neue Rechtshandlungen ergeben. Der Gemeinderat hofft aber immer noch, mit den Beteiligten eine einvernehmliche Lösung zu finden. Er prüft laut Anita Bruderer zusammen mit dem Kanton zudem ein mögliches zweistufiges Bewilligungsverfahren, um zügiger ans Ziel zu kommen. Das Bauwerk ist wie bereits erwähnt mittlerweile Bestandteil des kantonalen Radwegnetzes. In diesem Zusammenhang wird eine Erschliessungsplanung über den Projektperimeter angestrebt.

Zurück auf Feld 1
Einwohnerrat Heiko Loretan (Die Mitte) traut dem Projekt nicht mehr. Er fordert mit einer Motion nichts weniger als eine grundlegende Überarbeitung beziehungsweise Neubearbeitung des Projekts und begründet das mit vermuteten Planungsmängeln, offenkundigen Terminverschiebungen, möglichen Mehrkosten und neuen Erkenntnissen. In Betracht zu ziehen seien dabei die Lage, die Geometrie und die Materialisierung der Brücke, ihre Einbettung in die Landschaft sowie mögliche Anschlussbauwerke wie die Sicherung der Reussufermauer im Projektperimeter, aber auch eine alle Bereiche berücksichtigende Budgetplanung.

Der Motionär stellt fest, der Einwohnerrat sei sich bei der Projektgenehmigung mancher Details nicht bewusst gewesen, zum Beispiel der Hindernisse beim Brückenzugang. Es sei angezeigt, auf die neue Brückenbreite von 4 Metern zurückzukommen, zumal der heutige Veloweg Brugg–Turgi–Baden viele schmalere Stellen aufweise. Eine schmalere Brücke liesse sich besser in die Landschaft integrieren und würde mutmasslich weniger kosten. Wegen der Verzögerung des Projekts stelle sich ausserdem die Frage nach einer Sicherheitsnachrüstung, gibt Heiko Loretan zu bedenken. Eine Schliessung der Brücke, auf der monatlich bis zu 5000 Passanten verkehren, ist für ihn keine Option.

Schwieriger Projektverlauf
Der Auftakt zur Erneuerung der Spinnereibrücke war schwungvoll und effizient. In nur zweieinhalb Jahren wurden eine Zustandsanalyse, eine Machbarkeitsstudie, ein Projektwettbewerb mit einer breit abgestützten Jury und die Kreditgenehmigung abgewickelt. Aber das nachfolgende Projektmanagement offenbarte einige Schwächen. Zwar wurde in der Detailbearbeitung die Aufklassierung in eine kantonale Veloroute vorgenommen, eine nicht mehr benötigte Grundwasserschutzzone aufgehoben und Vorgaben des Kantons bezüglich des Hochwasserschutzes umgesetzt, aber es zeigte sich, dass bei der Projekt- und Kreditgenehmigung etliche Fragen offengeblieben waren.

Erschwerend kommt hinzu, dass an den Problemlösungen Dutzende Beteiligte mitwirkten, von skeptischen Anwohnern, Miteigentümern und der agilen Quartiergemeinschaft Unterwindisch bis zur Firma Axpo, der Besitzerin des früheren Spinnereikraftwerks und von Teilen der Reussuferanlagen, die sich vorerst wenig begeistert zeigt, sich in das Brückengesamtprojekt einbinden zu lassen. Was ebenfalls deutlich wird: Die bisherige Kommunikation verlief auf holprigen Pfaden. Das Vorhaben benötigt jetzt nicht nur technische, sondern auch psychologische Brückenbauer.