Von Hexen, Mördern und Zwergen

Sagenwanderung – eine Veranstaltung von Jurapark Aargau: Wenn Urs Frei seine Geschichtenkiste öffnet, hängen ihm die Mitwandernden an den Lippen. Und wenn dann noch ein blutiges Messer ... Puh!
Der Wasserfall im Sagemülital – der höchste im Aargau(Bilder: pbe)

Was ganz harmlos begann – mit dem Eichhörnchen, das regelmässig einen Goldtaler zum Gasthof Bären brachte, oben, auf dem Stalden, bis ein allzu Neugieriger den ganzen Zauber störte und zerstörte und das mit seinem Leben bezahlte –, wurde wenig später ziemlich gruselig: Ein Jüngling aus Linn wurde zufällig Zeuge, wie schröckliche Gestalten im Widacher einen Tanz aufführten, mitten im Wald, und da entdeckte er unter ihnen – seine Geliebte. Der Schock sass dermassen tief, dass er zeitlebens ledig blieb.

Der Exkursionsleiter mit dem Mordmesser vom Sandbrunnen.

Wahres und Halbwahres
Hier und an allen weiteren Stationen der Wanderung beschränkte sich Urs Frei nicht nur auf das Erzählen von Sagen und Gruselgeschichten. Ergänzend berichtete er über passende geschichtliche Reminiszenzen: über die heilige Walpurga, über die Zeit der Hexenprozesse und über Erlaubtes und Verbotenes in der frühen Neuzeit, als sogar Spiel und Tanz und Jauchzen und Fluchen geahndet wurden. Jegliche Sinnesfreude galt hierzulande als suspekt, was dem Naturell der Menschen natürlich völlig widersprach, zu entsprechenden Übertretungen führte und den Nährboden für allerlei Sagen und Geschichten bildete.

Wie der Mordfall beim Sandbrunnen, wo anno 1793 ein geprellter Kiltgänger seine untreue Geliebte mit dem Messer entseelte, später gefasst wurde und für seine Untat selbst mit dem Leben büssen musste. – Und dort, genau dort lag doch tatsächlich die Mordwaffe, die Klinge, noch immer blutbeschmiert!

Geschichtsträchtige Orte
Bedeutend Sanfteres war dann bei der Linner Linde zu vernehmen. Zwar kamen zuerst die Pestzeit sowie die Brand- und Giftanschläge auf den ehrwürdigen Baum zur Sprache, aber darauf folgten Hinweise auf die Musik, die Literatur, die Mystik, die Biologie und die Medizin, wo der uralten prächtigen Linde überall eine besondere Bedeutung und Wirkungskraft zugeschrieben ist.

Urs Frei erläutert Wissenswertes über die Sagemüli und die Bunkeranlagen aus dem Zweiten Weltkrieg.

Nach der Bemerkung zum Schimmelreiter im Gättibuech verwies Exkursionsleiter Urs Frei in Linn auf das intakte Ortsbild mit seinen behäbigen, rund 200 Jahre alten Bauernhäusern, dann auf die knapp abgewehrte Störung des Sagemülitals durch geplante Verkehrsvorhaben. Weiter unten brachte Frei botanische Hinweise zu den Orchideenstandorten, zum höchsten Wasserfall des Aargaus, zu den im Zweiten Weltkrieg gebauten Bunkeranlagen und zur Sage­müli an, die allerdings längst verschwunden ist.

Sehr, sehr traurig war schliesslich die Geschichte der Zwergli in der Bruderhöhle: Wieder waren es allzu neugierige Burschen, welche die putzigen Kerlchen derart erschreckten, dass sie Reissaus nahmen und für immer und ewig verschwanden. Über diese Bekümmernis konnte nur das Picknick, das hier genossen wurde, halbwegs hinwegtrösten.

Ein letzter Halt oberhalb von Effingen mit unterhaltsamen Angaben zur Geschichte des Dorfes, zum Schulheim und zu berühmten Persönlichkeiten aus den Familien Herzog und Laur, die hier ihre Spuren hinterlassen haben, rundet den Wanderaus­flug ab.

Was für ein spannender, heiterer und lehrreicher Nachmittag, den die zehn Teilnehmenden erleben durften. Die Sagenwanderung wird am 14. September wiederholt. Näheres unter jurapark-aargau.ch/veranstaltungen.