«Ich weiss nicht, ob es besser wird, wenn es anders wird. Aber es muss anders werden, wenn es besser werden soll», stellte der deutsche Physiker Georg Christoph Lichtenberg (1742–1799) einst fest. Wie Lichtenberg erging es letzte Woche auch den Mitgliedern des Wettinger Einwohnerrats, als sich diese mit der vom Gemeinderat beschlossenen Reorganisation der Verwaltung befassten. Diese Umgestaltung fällt zwar voll und ganz in die Kompetenz des Gemeinderats – bekam aber zusätzlichen Schub durch eine Motion von Daniel Notter (SVP) und Judith Gähler (FDP) mit dem Titel «Wettingen – zukunftsfähig mit modernem Führungsmodell». In seinem Papier kam der Gemeinderat zum Schluss, dass «das Führungsmodell der Gemeindeverwaltung Wettingen Schwachstellen aufweist». Konkret: «Die Konzentration der Aufgaben beim Gemeindeammann und die Vermischung der strategischen und operativen Themen führen zu Überlastungen, Ineffizienzen und Konflikten.» Die Lösung? Wettingen führt per 1. Juli 2025 eine operative Geschäftsleitung ein, die aus Kadermitgliedern der Verwaltung besteht. Der Gemeinderat konzentriert sich künftig auf seine strategischen Aufgaben.
Systemwechsel als Chance
Eine Trennung des Operativen vom Strategischen begrüsste Demian Campino namens der FDP-Fraktion. Was die Kosten anbetrifft, dürfe man sich nichts vor machen. Der Wechsel sei mit Zusatzaufwand verbunden: «Der Prozess darf etwas kosten, das Ergebnis aber nicht.» Wie hoch die Übergangskosten mutmasslich sind, darüber schweigt sich das gemeinderätliche Papier aus. «Wir werden es mit dem Budget 2025 erfahren», kommentierte Alain Burger (SP/WettiGrüen) die Situation und zeigte wenig Hoffnung: «Erfahrungen aus anderen Gemeinden zeigen, dass ein Geschäftsleitungsmodell nicht kostengünstiger ist». Dennoch, Burger und auch alle anderen Fraktionssprecherinnen und -sprecher befürworteten den Systemwechsel als Chance.
GLP und SVP möchten das neue Führungsmodell mit einer Reduktion der Gemeinderatsmitglieder von sieben auf fünf verknüpfen. Dagegen sprach sich namens des Gemeinderats Vizeammann Markus Maibach aus. «Die Gründe sind vor allem politischer Natur.» Damit meinte er «die Sicherstellung der Konkordanz» (möglichst viele Einwohnerratsparteien im Gemeinderat) sowie die Erkenntnis, dass die Einführung einer neuen Organisationsform Ressourcen binden wird. Das Argument der Konkordanz wollte Daniel Notter (SVP) nicht gelten lassen. «Auch mit sieben Sitzen sind SVP, GLP, WettiGrüen und EVP nicht im Gemeinderat vertreten.»
Vor einem politisch heissen Herbst
Ein anderes, wichtiges Geschäft war der Rechnungsabschluss 2023. Der fiel zwar eine halbe Million Franken besser aus, als budgetiert – dennoch mit einem Minus von 200’000 Franken. Aufatmen? Nein, fand Adrian Knaup (SP) als Präsident der Finanzkommission. Zwar habe die Gemeinde mehr Steuern eingenommen als budgetiert, weniger für die nicht beeinflussbaren Sozialkosten ausgeben müssen und eine Million Franken bei den Personalkosten eingespart. «Letzteres, weil Stellen unbesetzt blieben.» Eine Selbstfinanzierung der Investitionen sei nur möglich gewesen, weil Wettingen 2023 vieles nicht realisieren konnte.
Begeisterte Stimmen zur Rechnung gab es auch aus den Reihen der Fraktionen nicht. Wichtig ist die Rechnung als Basis für das Budget 2025 und die vorgezogene Finanzierung des Oberstufenzentrums. Was zeigt der der Blick in die Glaskugel? In dieser sah Judith Gähler (FDP) «einen politisch heissen Herbst» auf Wettingen zu kommen. Auch Martin Zoller (Mitte/EVP) stellte fest, «dass es eine grosse Herausforderung wird, den Bürgerinnen und Bürgern zusätzliche fünf Prozent Steuern für das Oberstufenzentrum beliebt zu machen». Beschlossen und bezogen werden kann diese «Zusatzsteuer» allerdings nur – so Finanzvorstand Markus Maibach –, wenn das normale Budget im Lot ist. Ein Defizit budgetieren und gleichzeitig Reserven für das Oberstufenzentrum bilden geht nicht.