Das Gesamtverkehrskonzept (GVK) für die Region Baden und Umgebung zielt darauf ab, den regionalen und kommunalen Herausforderungen der Mobilität bis ins Jahr 2040 zu begegnen. Dieses Konzept umfasst sieben Ziele und eine Vielzahl von Massnahmen, die in den letzten Monaten entwickelt wurden. Das Planungsteam hat rund 60 Massnahmen in fünf Handlungsfeldern ausgearbeitet, die sich auf alle Verkehrsträger beziehen.
Die Ergebnisse dieser Projektphase werden nun in Mobilitätskonferenzen in verschiedenen GVK-Teilregionen diskutiert und weiter verfeinert. Jede dieser Veranstaltungen konzentriert sich auf die regionalen und teilraumrelevanten Massnahmen pro Handlungsfeld. Die daraus hervorgehenden Anliegen und Anregungen bilden eine Entscheidungsgrundlage für die Behördendelegation im gesamten GVK-Prozess.
Die Mobilitätskonferenz stellt ein wesentliches Element des Partizipationsprozesses des GVK Raum Baden und Umgebung dar. Das etwa 150-köpfige Gremium dieser Konferenz setzt sich aus verschiedenen Interessengruppen zusammen, darunter Mitglieder der Behördendelegation und der Begleitgruppe, Vertretungen der Gemeinden im Planungsperimeter proportional zu ihrer Wohnbevölkerung sowie Vertretungen angrenzender Gemeinden, Verbände, Interessengruppen und Jugenddelegationen.
Konferenz im Teilraum West
Im Gegensatz zu den bisherigen drei Partizipationszyklen wird die vierte Mobilitätskonferenz dezentral in drei Teilräumen an unterschiedlichen Tagen abgehalten, um eine möglichst breite Beteiligung zu gewährleisten.
Die erste Teilkonferenz in Baden hat bereits stattgefunden. Die Mobilitätskonferenz im Teilraum West (Untersiggenthal, Obersiggenthal) wird am Samstag, 8. Juni, von 9 bis 16 Uhr im Sickinga-Festsaal am Kornfeldweg 1 in Untersiggenthal durchgeführt. Die dritte Konferenz der vierten Partizipationsrunde findet am Samstag, 15. Juni, in Wettingen statt. Im Anschluss an die Konferenzen findet vom 24. Juni bis 14. Juli eine Onlinepartizipationsrunde für die gesamte Bevölkerung statt.
Hausgemachter Verkehr
Die heutige Verkehrssituation im Raum Baden wurde anhand von Begehungen vor Ort und verschiedenen Datengrundlagen beurteilt. Zudem wurde primär anhand des kantonalen Verkehrsmodells beurteilt, wie sich die Lage bis 2040 entwickelt, wenn keine Massnahmen ergriffen würden. Die Erkenntnisse lassen sich wie folgt zusammenfassen: Der Verkehr im Perimeter ist aus regionaler Sicht mehrheitlich hausgemacht, der Durchgangsverkehr im ganzen Raum ist gering, der internationale Transitverkehr noch geringer. Beim grössten Durchgangsverkehrsstrom vom Unteren Aaretal Richtung Grossraum Zürich sind ausserdem mehr als 50 Prozent der Verkehrsteilnehmenden mit dem öffentlichen Verkehr (ÖV) unterwegs.
In der Stadt Baden und innerhalb des östlichen Teilraums Wettingen-Neuenhof-Killwangen wird bei rund der Hälfte aller Wege das Velo oder der ÖV genutzt. Im Siggenthal wählen dagegen zwei Drittel das Auto, auch für Fahrten Richtung Baden und Zürich. Für Strecken zwischen zwei Destinationen ausserhalb von Verkehrsknotenpunkten nutzen sogar mehr als 80 Prozent das Auto.
Ist- und Sollzustand
Die Kreuzungen beidseits der Limmatquerungen, insbesondere aber die Kreuzung auf der Wettinger Seite der Hochbrücke Baden (Brückenkopf Ost), sind während der Spitzenzeiten überlastet, es kommt teilweise zu langen Staus. Mit der bis ins Jahr 2040 prognostizierten Zunahme des Autoverkehrs (MIV) um 20 Prozent wird sich das Problem zuspitzen. Das ÖV-Angebot ist in der Region heute mit wenigen Ausnahmen gut, und für den Veloverkehr stehen vielerorts Routen abseits der Kantonsstrassen zur Verfügung. Die Veloverbindungen aus den umliegenden Gemeinden Richtung Baden weisen aber an kritischen Stellen Lücken auf. Busse bleiben während der Hauptverkehrszeiten ebenfalls im Stau stecken. Das Potenzial von ÖV und Velo wird im regionalen Verkehr deshalb nicht ausgeschöpft.
Nach der Implementierung des GVK Raum Baden und Umgebung sollen die Menschen im Raum Baden und in der Umgebung möglichst oft mit dem ÖV, dem Velo oder zu Fuss unterwegs sein und nur ergänzend das Auto benutzen. Wird das Ziel erreicht, nimmt das Aufkommen des Autoverkehrs gegenüber 2019 nicht mehr weiter zu, der gesamte Mehrverkehr aus der Bevölkerungsentwicklung soll durch ÖV sowie Fuss- und Veloverkehr abgedeckt werden.
Überdies sollen Auszubildende von überkommunalen Schulen und Erwerbstätige ihre Mobilität künftig unter Rahmenbedingungen gestalten können, welche die Nutzung von flächensparenden Verkehrsmitteln begünstigen und das Verkehrsaufkommen während der Hauptverkehrszeiten reduzieren. Die Strassenräume sollen innerorts Bestandteil von lebenswert und klimagerecht gestalteten Siedlungsräumen sein, in denen sich alle Verkehrsteilnehmenden sicher fühlen und die vom Schwerverkehr möglichst wenig tangiert werden. Damit dieses Ziel für alle Ortsdurchfahrten erreicht wird, sollen Verkehrsmengen von über 20 000 Autos pro Tag vermieden und nötigenfalls reduziert werden.
Weiter soll ein zusammenhängendes Velonetz von hoher Qualität, ergänzt um Abstellanlagen an zentralen Zielorten, errichtet werden. Auf den wichtigen Beziehungen innerhalb des Raums und zu den angrenzenden Räumen soll ein zuverlässiges, direktes und komfortables ÖV-Angebot entstehen, das mit anderen Fortbewegungsarten vernetzt ist. Die Qualität des ÖV-Angebots betrifft insbesondere die Dichte des Fahrplans, kurze Fahrzeiten mit vielen Direktverbindungen sowie den zuverlässigen Betrieb.
Der grosse Wurf
Zu den Spielräumen betreffend die grösseren Infrastrukturmassnahmen im ÖV und im Strassennetz wurden im Nachgang zur dritten Mobilitätskonferenz im Juni 2023 vertiefte Untersuchungen durchgeführt und mit der Begleitgruppe diskutiert. Aufgrund der Abklärungen hat die Behördendelegation das Lösungsspektrum zu den Themen geschärft: Das Planungsteam hat untersucht, ob in den verschiedenen Siedlungskorridoren Killwangen–Baden, Siggenthal–Baden und Baden–Dättwil bereits im GVK-Zeithorizont 2040 ein Systemwechsel vom Bus auf Tram sinnvoll ist. Die Behördendelegation kam, gestützt auf ihre Abklärungen, zu dem Schluss, dass der ÖV mindestens bis 2040 besser gefördert werden kann, wenn das bestehende Busnetz weiterentwickelt wird. Die nötigen Massnahmen sollen deshalb für das Konzept «Starke Busachsen» entwickelt werden.
Die Zentrumsentlastung (ZEL) ist die bauliche Massnahme, die potenziell die grösste Auswirkung auf den Verkehr im Raum Baden hat. Die Planungen zur ZEL beschränken sich momentan auf drei mögliche Strassennetzergänzungen. Diese werden zur Entlastung der ausnehmend stark belasteten Ortsdurchfahrten in Nussbaumen und Baden sowie der kritischen Kreuzungen – vor allem des Brückenkopfs Ost – in Betracht gezogen. Im Vordergrund stehen Lösungen für den Zubringerverkehr zur A1 aus dem Unteren Aaretal/Siggenthal und dabei insbesondere die beiden Korridore Zentrumsentlastung lang (ZEL lang) und kurz (ZEL kurz), welche die Stadt Baden weiträumiger oder enger umgehen soll.
Mit einer ZEL kurz werden die Bruggerstrasse in Baden voraussichtlich deutlich und der Brückenkopf Ost leicht entlastet. Mit einer ZEL lang würde zusätzlich Nussbaumen entlastet. Die zwei Ansätze seien, gestützt auf die bisherigen Untersuchungen, grundsätzlich machbar. Die Kosten dafür wären allerdings erheblich und liegen für die ZEL kurz im mittleren, für die ZEL lang im oberen dreistelligen Millionenbereich.
Bahnhof Baden entlasten
Der Bund plant in seinem Strategischen Entwicklungsprogramm (Step) gemäss aktuellem Stand für den Ausbauschritt 2035 mehr Zugabfahrten ab Wettingen (Fernverkehrshalt) und Turgi (Ausbau des S-Bahn-Angebots). Das eröffnet die Chance, den starken, aber überlasteten ÖV-Knoten Bahnhof Baden zu entlasten, indem der Bahnhof Wettingen als zweite Drehscheibe für den Umstieg auf den Fernverkehr aufgebaut wird und künftig mehr Menschen in Wettingen und Turgi umsteigen.
Aufbauend darauf wurde das ÖV-Konzept «Starke Busachsen» entwickelt. Dieses sieht aufgrund des oben erwähnten Bahnausbaus neue tangentiale Buslinien vor, damit Menschen aus Richtung Höhtal/Surbtal am Bahnhof Wettingen Richtung Zürich beziehungsweise am Bahnhof Turgi Richtung Aarau/Olten umsteigen können. Diese und weitere tangentiale Buslinien – wie beispielsweise Wettingen–Dättwil über den Schulhausplatz – sollen zudem neue Direktverbindungen schaffen.
Die bestehenden, radial auf Baden zulaufenden Buslinien sollen weiter gestärkt werden, indem künftig mehr und teilweise grössere Busse auf diesen Linien verkehren. Zusammen mit den Tangentiallinien wird eine Verdoppelung der ÖV-Kapazitäten gegenüber heute angestrebt. Auf den Hauptachsen sollen die Busse darüber hinaus künftig häufiger fahren. Starke Busachsen sind nur möglich, wenn die Busse zuverlässig verkehren. Dazu sind weitere Busbevorzugungen auf Strecken und an Kreuzungen geplant. Ziel ist es, dass alle Busse in der Region auch in den Pendlerzeiten pünktlich unterwegs sind.
Ausserdem sollen einzelne ÖV-Haltestellen am Perimeterrand (beispielsweise Siggenthal Station) als Drehscheiben für den Umstieg vom Auto auf den ÖV gestärkt werden. Zusätzliche Parkplätze an diesen Standorten sollen im Zentrum kompensiert werden.
Diverse Handlungsfelder
Um das Ziel «Velogerechter Raum» zu erreichen und damit mehr Menschen auf das Velo zu bringen, braucht es ein zusammenhängendes, dichtes und sicheres Velonetz. Zu diesem Handlungsfeld sind in erster Linie die folgenden Massnahmen angedacht: Neue Velovorzugsrouten sollen Verbindungen mit besonders hoher Nachfrage abdecken und die Wohngebiete mit den Zentren und wichtigen Zielen in der Region in einem lückenlosen Netz verbinden. Im Grundsatz sind die Velovorzugsrouten unbestritten, einzig im Abschnitt zwischen Baden und Turgi wurde noch keine Einigung bezüglich der Linienführung der Velovorzugsroute erzielt.
Gemäss dem Ziel «Flächeneffiziente Mobilität» soll der Autoverkehr über die ganze Region auf dem heutigen Niveau plafoniert werden. Die Erreichbarkeit des Raums Baden und Umgebung mit dem Auto soll aber stabil bleiben.
Der höhere Anteil von ÖV, Fuss- und Veloverkehr erfordert Massnahmen, um deren Attraktivität zu steigern. Diese Massnahmen werden in der engen Klus von Baden oft entlang der Kantonsstrassen realisiert werden müssen, deren siedlungsverträgliche Aufwertung zusätzlich Raum erfordert. Die heutigen Kantonsstrassenkapazitäten sollen über den ganzen Raum gesehen deshalb weitgehend erhalten bleiben. Erst wenn die Ziele nicht erreicht werden, sollen Strassennetzergänzungen in Betracht gezogen werden.
Um den Verkehr durch Baden während der Hauptverkehrszeiten zu reduzieren, sollen zusätzliche Dosieranlagen das Verkehrsmanagement stärken. Am Brückenkopf Ost werden Massnahmen zur Stärkung des ÖV (Busspuren) und des Veloverkehrs (Unterführungen, separate Velobrücke über die Limmat) vorgeschlagen.
An der Bruggerstrasse in der Innenstadt von Baden sind Abbiegespuren angedacht, um Radstreifen verbreitern zu können. Die eigentlich nötige Veloinfrastruktur sei aber ohne weitere Reduktion der Verkehrsbelastung nicht erreichbar.
Unter Einbezug aller vorgesehenen Massnahmen über alle Handlungsfelder verbleiben damit drei Problemstellen, die ohne eine Verlagerung von Verkehrsströmen auf eine Strassennetzergänzung (Zentrumsentlastung) nicht gelöst werden können: die Bruggerstrasse in Baden, wo eine Autospur aufgehoben werden müsste, um die angedachten Ziele zu erreichen; die Landstrasse in Nussbaumen, wo zwar eine Aufwertung des Strassenraums möglich, eine Entlastung auf unter 20 000 Fahrzeuge pro Tag dem aber vorzuziehen wäre; und schliesslich der Brückenkopf Ost, bei dem bauliche Massnahmen umgesetzt und eine Reduktion des Autoverkehrs auf einzelnen Strecken erreicht werden müssten, um künftig einen stabilen Verkehrsfluss zu gewährleisten.