Ein Ritterschlag für die Gastgeber

Der Landgasthof Hirschen wird mit der Gilde-Mitgliedschaft geehrt. Mit der Aufnahme in die «Gilde etablierter Gastronomen» wird die traditionelle und lokal verankerte Arbeit der Gastfamilie Schneider gewürdigt.
Alexa Schneider und Jan Mannchen betreiben den Landgasthof Hirschen mit Herzblut. (Bilder: mpm)

Als Friedli Schneider am 14. November 1669 vom damaligen Landvogt in Baden das Tavernenrecht erhielt, hätte er wohl nicht zu träumen gewagt, dass sich «sein» Gasthof auch 355 Jahre später noch grosser Beliebtheit erfreuen und sogar in den illustren Kreis der «Gilde etablierter Gastronomen» aufgenommen werden würde.

«Es kommt eigentlich einer Art Ritterschlag der Gastronomen gleich», sagt Jan Mannchen (43) erfreut, der seit drei Jahren der Wirtin Alexa Schneider als Geschäftsführer und Küchenchef des «Hirschen» zur Seite steht. Um in die «Gilde etablierter Schweizer Gastronomen» aufgenommen zu werden, müssen verschiedene Voraussetzungen erfüllt sein, wobei der Fokus auf der gepflegten Küchen- und Tischkultur liegt. «Etabliert sind wir mit 355 Jahren Geschichte auf jeden Fall», sagt Mannchen und lacht. 20 Jahre lang war er in der Sternegastronomie tätig, ehe er die Arbeit in Kirchdorf antrat, aber ein derart lokal verankertes, traditionsreiches Restaurant hat er noch nicht erlebt.

«Wir leben eine klassische Regionalität, wie es sie bereits vor 355 Jahren gab: Man hat und nutzt das, was hier zur Verfügung steht.» Das Wild kommt aus den heimischen Wäldern des Siggenbergs, das Geflügel aus Freilandbetrieben in der Region, das Gemüse ebenfalls, der Käse aus einer biologischen Käserei in Buttwil. Und: Jan Mannchen zerlegt die Tiere selbst, ganz der Tradition seines Handwerks verpflichtet. «Die wenigsten können heute als Koch ein Tier noch selbst zerlegen und alle Bestandteile verwerten», gibt Mannchen zu bedenken, «aber das ist gerade das Spannende an meinem Handwerk. Ich bestelle beispielsweise nur ganze Hähnchen; die Brust verwende ich für die À-la-carte-Gerichte als Filet, das Innenfilet verarbeite ich zu Chicken-Nuggets, aus der Karkasse mache ich Suppe, das Tagesmenü wird mit einem Pouletschenkel verfeinert, alles wird verwertet.» Auch die Rehe kommen von den Jagdgesellschaften ohne Fell («aus der Decke geschlagen»), ohne Kopf und ohne Innereien als ganzes Tier in den «Hirschen». «Wir kaufen klein und regional ein, nutzen keine Grossisten, sondern kleine Metzgereien, die ihr Handwerk selbst betreiben und mit lokalen Bauern zusammenarbeiten», so der Gastronom.

Auch Alexa Schneider sieht die Tradition als Stärke. Ihr Vater führte einen Landwirtschaftsbetrieb neben dem Gasthof; die Rinderhaltung gab er auf, als die Scheune umgebaut und als Teil des Restaurants weiterverwendet wurde, die Schweinehaltung wich später dem Ausbau der Hotelgebäude. Die gelernte Köchin arbeitete zunächst im Service, übernahm dann aber die Wirtschaft, nachdem ihr Bruder und der damalige Wirt Paul Schneider bei einem Skiunfall ums Leben gekommen war. «Die meisten Gasthäuser werden von Wirtepaaren zu zweit bewirtschaftet», weiss Alexa Schneider, «ich bin deshalb froh, einen Geschäftsführer und Küchenchef wie Jan Mannchen gefunden zu haben, der mich unterstützt – denn ansonsten wäre die Arbeit zu viel.» Die Dekorationen, Blumen und die im Sommer vor der alten Zehntenscheune aufgebaute überdachte Terrasse neben dem plätschernden Brunnen, geschützt hinter schönen Mauern aus Holzscheiten (aus dem eigenen Wald), sind ebenfalls Sache der Schneiders. «Es ist ein Familienbetrieb im besten Sinn, gelebte Bodenständigkeit, alles wird selbst gemacht», sagt Mannchen.

Der Küchenchef Jan Mannchen. (Bild: mpm)

«Essen ist Emotion»
Das Konzept ist bei den Gästen beliebt, der «Hirschen» hat zahlreiche Stammgäste. «Wir sind ein Ort, an dem sich die Leute wohlfühlen und auch mal in geselliger Runde sitzen bleiben möchten», sagt Alexa Schneider. Damit im Einklang sind die Öffnungszeiten: Werktags ist der «Hirschen» von 6 Uhr früh bis spät in die Nacht um 24 Uhr offen, durchgehend. Morgens treffen sich Arbeiter zum Znüni, mittags werden regelmässig gegen 70 Menüs serviert, am Nachmittag kommen ältere Herren zum Jassen, und abends folgt gediegener Genuss. Im «Hirschen» wird gelacht, gefeiert und auch getrauert. «Ich erinnere mich an ein Ehepaar, das bei uns den 60. Hochzeitstag gefeiert hat», erzählt Mannchen, «und sie haben mir berichtet, dass sie sich hier an der Fasnacht kennengelernt hätten.» Viele Familien sind mit dem Gasthaus verbunden und suchen Geselligkeit: «Wir sind ein bisschen das Wohnzimmer des Siggenthals.»