Aufzucht unter schwierigen Bedingungen

Die Brutzeit war für ein Rotmilan-Paar nicht einfach. Die Nässe forderte ihren Tribut: Wahrscheinlich überlebte nur einer der beiden Jungvögel.
Rotmilane gehören in der Schweiz mit rund 3500 Brutpaaren zu den bekannten und häufigeren Greifvögeln. (Bild: bhe)

Ab Anfang April dieses Jahres begann ein Rotmilan-Paar mit dem Bau eines Nestes am Limmatspitz bei Gebenstorf. Schon zuvor war das Paar durch häufige Balzflüge in der Umgebung aufgefallen. Der Neststandort war geschickt gewählt: hoch oben in einer Astgabel auf der Aareinsel. Gut versteckt im Laub der Baumwipfel konnte das Nest nur von einem bestimmten Punkt aus eingesehen werden: vom Weg, der rechtsufrig zur Mündungsinsel hinunterführt.

Ab etwa Mitte April begann das Weibchen mit der Eiablage und dem Bebrüten der Eier. Das Männchen sass dann oft in der Umgebung auf den Bäumen oder war unterwegs auf Futterbeschaffung für sich und das brütende Weibchen.

Viel Regen – wenige Sonnentage
Nach einer Brutzeit von rund 30 Tagen schlüpfte das erste Junge Mitte Mai. Einige Tage später erschien ein zweites Küken im Nest. Rotmilane können auch drei oder vier, seltener fünf Junge haben. Dass es bei diesem Paar in diesem «Sommer» bei den zweien blieb, war wohl ein Wink des Schicksals.

Die ganze Nestlingszeit war begleitet von ständigen Regenperioden, was den Jungvögeln sichtlich zusetzte. An manchen Tagen waren sie bis auf die Haut durchnässt und ihr Gefieder wirkte strubbelig. Umso mehr genossen sie wohl die wenigen warmen Tage und suchten dann bewusst die «sunny spots» in ihrem Nest. Dass Aare und Limmat während der ganzen Brutzeit Hochwasser führten, störte die Vögel hoch oben in ihrem Nest hingegen weniger, denn so blieben sie auf ihrer Insel von Störungen durch Bootsfahrer und Badende weitgehend verschont.

Zu Beginn hatten die Jungvögel ein vorwiegend weisses Daunenkleid und wurden vom Weibchen im Nest bewacht und gehudert. Langsam bildete sich das für die Rotmilane typische braune Federkleid aus. Nun waren die beiden Jungen immer öfters allein im Nest, denn auch das Weibchen kümmerte sich jetzt um die Futterbeschaffung. Beide Altvögel flogen auf die nahen Felder, wo sie Jagd auf Mäuse, Eidechsen und Kleinvögel machten. Zum Nahrungsspektrum der Rotmilane zählen aber auch Grossinsekten, Käfer und Regenwürmer, seltener auch Fisch. Eine gewisse Gefahr für die Jungvögel stellten die Rabenkrähen dar, die sich immer in der Umgebung des Nests aufhielten. Sobald sie aber zu nahe kamen, war sofort einer der Altvögel zur Stelle und verjagte die aufdringlichen Krähen.

Der Ältere setzt sich durch
Bald zeigte sich ein deutlicher Unterschied in der körperlichen Entwicklung des Erstgeschlüpften gegenüber seinem jüngeren Geschwister. Die Dominanz des Älteren zeigt sich vor allem, wenn die Eltern Futter ans Nest brachten. Doch der Jüngere liess sich nicht alles gefallen, und so gab es auch regelrechte Verteilkämpfe ums Futter, wobei dann auch mal eine Maus von beiden zerrissen wurde. Um den 17. Juni begann der ältere Jungvogel immer häufiger, das Nest zu verlassen, liess sich auf den umliegenden Ästen nieder und trainierte seine Flugmuskulatur, nachdem er dies zuvor schon im Nest getan hatte. Der Jüngere blieb hingegen auffällig passiv und duckte sich immer öfters in die Nestmulde.

Am 22. Juni sass einer der Altvögel während längerer Zeit neben dem reglos im Nest kauernden Jungvogel. Der Elternvogel leistete keinerlei Hilfe, brachte dem Kleinen auch kein Futter mehr. Ob ihm einfach die Nässe und Kälte zu sehr zugesetzt haben oder sein stärkeres Geschwister? Beim letzten Besuch am 26. Juni war das Rotmilan-Nest verlassen, ein Teil des Nestaufbaus war abgerutscht. Was sich zugetragen hat, bleibt das Geheimnis der Rotmilane.

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Mitte Mai schlüpft das erste Küken im Rotmilan-Nest, bewacht vom Weibchen. (Bilder: bhe)

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Zu Beginn tragen die Rotmilan-Küken ein weisses Daunenkleid.

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Oft kämpfen sie gegen Nässe und Kälte…

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… oder streiten sich um das von den Altvögeln herangetragene Futter.

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Nur selten können die heranwachsenden Jungvögel ihre traute Zweisamkeit geniessen.

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