Menschen «lesen» als Hauptberuf

Die in Lupfig aufgewachsene Bianca Knecht blickt als HR-Expertin und international zertifizierte Profilerin anhand von Gestik und Mimik hinter die Fassade ihres Gegenübers.
Profilerin Bianca Knecht lehrt an ihren Seminaren in Baden, Menschen aufgrund ihrer Gestik und Mimik zu «lesen». (Bild: zVg)

Jeder Mensch hat ein öffentliches Gesicht, das nicht immer im Einklang mit seinem Innenleben steht. Dass bestimmte Verhaltensanteile verborgen werden sollen, hat durchaus seine Gründe und kann mit fehlendem Vertrauen, Unsicherheit, Täuschung oder Enttäuschung zu tun haben. Doch der Körper zeigt Indizien und Spuren dessen, was tatsächlich hinter dem «public face» steckt. Denn auch das, was verborgen werden soll, wird nach aussen hin in feinsten Regungen sichtbar.

Als Expertin für Körpersprache und Verhalten erkennt die in Lupfig geborene und aufgewachsene Bianca Knecht bei ihrem Gegenüber, ob das gesprochene Wort kongruent mit seiner Mimik und Gestik ist. «Wenn jemand spricht, zucken beispielsweise die Muskeln im Gesicht. Das passiert über das limbische System und dauert oft nur eine Viertelsekunde. Ich bin geübt und geschult, diese meist winzigen Regungen zu erkennen», sagt die 41-jährige selbstständige Berufsfrau und Mutter von zwei Söhnen zu ihrer Profession. Dabei versucht sie anhand von respektvollen und wertschätzenden Fragen zu eruieren, was hinter der Fassade einer Person stecken könnte sowie welche Bedürfnisse und Emotionen ihrem Verhalten möglicherweise zugrunde liegen.

Die ideale Besetzung für den neuen Job
Profilerinnen und Profiler wurden früher vor allem bei der Ermittlungsarbeit in ungelösten Kriminalfällen beigezogen. Mit dem Klischee des etwas spleenigen Typs, der tief in die Psyche des Täters schaut, hat die Arbeit von Knecht aber nichts zu tun. Sie wird vor allem für Anstellungsinterviews gebucht, um festzustellen, ob eine Bewerberin oder ein Bewerber wirklich zum Unternehmen passt. Das gilt natürlich auch umgekehrt. «Die meisten Vorgesetzten wünschen sich Mitarbeitende, die mit Herzblut und Leidenschaft für ihre Firma arbeiten. Und Angestellte möchten eine Tätigkeit ausüben, in der ihre Stärken voll und ganz zum Tragen kommen. Beide Seiten müssen von Anfang an wissen, was sie erwartet und ob sie auf einer Linie sind», bekundet Knecht und findet, dass nur so ein langfristiges und gutes Arbeitsverhältnis zustande kommen kann.

Wenn ein potenzieller Arbeitgeber beispielsweise eine Bewerberin oder einen Bewerber fragt, ob er oder sie sich für einen Job als geeignet empfindet und die Frage bei gleichzeitigem Zurückziehen der Beine bejaht wird, zeigt das der Profilerin beispielsweise ein Distanzverhalten: «Der Körper reagiert eher mit einem Nein. Aber weil es ein Vorstellungsgespräch ist, will man sich natürlich von seiner besten Seite zeigen.» Im Gespräch versucht sie dann, der Sache auf den Grund zu gehen. Dabei ist es ihr sehr wichtig, niemanden zu überrumpeln. «Es geht nicht darum, bei jemandem Schwächen aufzudecken. Sondern darum, dass aufgrund meiner Expertise gute Entscheidungen getroffen werden können.» Zudem lässt sie stets Vorsicht walten. «Die Körpersignale sind zwar sehr zuverlässig. Aber ich verifiziere immer, ob sie wirklich mit der momentanen Situation zu tun haben oder etwas anderes vorliegt.»

Seminare über nonverbale Kommunikation
Das Lachen von Bianca Knecht ist ansteckend. Sie geht offen und mit echtem Interesse auf ihr Gegenüber zu, und man fühlt sich in ihrer Gegenwart sofort wohl. Die Kindheit in Lupfig bezeichnet sie als äusserst glücklich, ihre Familie lebt heute noch in der Region. Schon früh interessierte sie sich dafür, wie Menschen in ihrem tiefsten Innern funktionieren. Nach ihrer KV-Lehre und einigen Jahren bei der Triumph International AG in Bad Zurzach startete sie bei Axon Lab AG in Baden-Dättwil ihre Berufskarriere im Bereich Human Resources an, liess sich zur HR-Fachfrau mit eidgenössischem Fachausweis ausbilden und bekam schon in ihren Zwanzigern eine verantwortungsvolle Position im Management zugewiesen. Sie machte diverse Weiterbildungen in Führung, Kommunikation, Arbeitsrecht und systemischem Coaching. «Aber mir persönlich fehlte immer ein ganz kleines Quäntchen zur Vollständigkeit. Bis ich auf die Ausbildung zur international zertifizierten Business-Profilerin in Wien stiess», meint sie.

Mittlerweile hat sie eine zusätzliche Ausbildung zur zertifizierten Wertediagnostikerin absolviert. Sie bietet Personal Coachings an und gibt Seminare über nonverbale Kommunikation für alle Interessierten, die ihr Umfeld besser verstehen möchten. So zum Beispiel am 3. September, 24. Oktober und am 20. November im Hotel Trafo in Baden unter dem Motto «Menschen lesen und Körpersprache identifizieren» (Infos und Anmeldung auf biancaknecht.ch).

Privat schaltet sie ab
«An Negativem bin ich stets gewachsen, habe daraus positive Schlüsse gezogen und vorwärtsgeschaut», sagt Knecht zu ihrer Lebenseinstellung. Die leidenschaftliche Gravel-Bikerin, die heute in Mellikon wohnt, hat dank ihrem Optimismus, viel Fleiss und ihrem ausgeprägten Feingespür zu ihrer Berufung gefunden. Hat die Business-Profilerin, die ihre Mitmenschen sozusagen durchschauen kann, auch privat die besseren Beziehungen? Die Frage bringt sie zum Lachen: «Nein. Ich bin eine Privatperson wie jede andere auch und wähle meine Freunde mit dem Herzen aus», sagt sie und fügt hinzu: «Wenn ein Verkäufer mir allerdings etwas andrehen will, und ich aufgrund seiner Signale merke, dass er es nicht ganz ehrlich meint, bringe ich meine Fähigkeiten allerdings schon zum Einsatz. Das hat sich schon oft als nützlich erwiesen.»